Kriegsende
27.5.2020
Renate Borgwardt
Ich bin ein Kriegskind, geboren wenige Tage nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und einziges Kind meiner Eltern, aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, die während des Krieges immer bescheidener wurden. Mein Vater wurde zur Marine eingezogen. Schick sah er in Uniform aus. Stationiert war er in Kiel, seine Zeit bei der Marine war kurz, er musste zurück nach Berlin, UK gestellt von der AEG. Aus der Traum von Seefahrt, von Schiffen, Häfen und den Hafenkaschemmen.
Zu der Melodie: Wo die Nordseewellen trecken an den Strand…
wurde gesungen: Wo die Bomben fallen, und das Licht geht aus, da ist meine Heimat, da bin ich zu Haus.
Bei all den Ereignissen des Krieges, den Bombenangriffen, den Christbäumen, Bündeln von Leuchtkugeln, die die Bombardierungsgebiete absteckten, der ausgebombten Großmutter, die völlig verstört mit ihrem Köfferchen auf den Trümmern ihres Wohnhauses saß, hatten wir noch Glück. Die Wucht der Bombenangriffe hatte uns in den Randbezirken nicht so hart getroffen wie die dicht besiedelten Bezirke Kreuzberg, Friedrichshain, Mitte und Wedding.
Zwei Arten von Wiedervereinigung
25.5.2020
Thomas Knuth
Als Stadtführer kommt man in Berlin nicht nur mit Touristen zusammen. Vor einigen Jahren waren wir über unseren Berufsverband „Berlin Guide e.V.“ eingeladen worden ins Museum Treptow, das sich im ehemaligen Rathaus von Johannisthal befindet. Dieses schöne Neorenaissance-Gebäude aus dem Jahr 1906 wurde 2005/2006 denkmalgerecht rekonstruiert.
Was kann man dort sehen? Ich zitiere aus der Beschreibung auf dem „Museumsportal Berlin“: „Die Dauerausstellung unter dem Titel „Aus 200 Jahren Treptower Geschichte“ widmet sich zahlreichen Themen, die zuvor in Sonderausstellungen erforscht wurden. So geht sie auf den Flugplatz Johannisthal ein, den ersten deutschen Motorflugplatz, und erinnert an die mutige Pilotin Melli Beese. Weitere Kapitel behandeln die Berliner Gewerbeausstellung von 1896, die Entwicklung des Berliner Radsports, Treptow als Ausflugsziel, die Geschichte des Teltowkanals und das Leben im Grenzgebiet Treptow-Neukölln.“
Der 13. August 1961
25. 5.2020
Ninon Suckow
Ich war 13 Jahre und am 13. August 1961 mit meinen Eltern und meinem jüngeren Bruder im Urlaub an der Ostsee. Wir haben mit einer Gruppe von Freunden meiner Eltern im Thiessow auf Rügen gezeltet, es war herrliches Wetter und wir waren schon am Strand. Jemand hatte ein Kofferradio dabei und es kam die Nachricht von der Schließung der Grenze in Berlin und es war die Rede von Passierscheinen … Meine erste Reaktion war: "Da brauche ich einen Passierschein, wenn ich zu meiner Oma will?" und irgendwer aus der Runde sagte: "Na mit einem Passierschein wird das wohl nicht so ganz klappen."
Als Erklärung dazu muss gesagt sein: Wir waren eine typische Berliner Familie. Meine Eltern kannten sich schon seit ihrer Kindheit. Die Familie meines Vaters lebte auf einer Laubenkolonie in Treptow - heute etwa in Höhe des Bahnhofs Plänterwald. Die Familie meiner Mutter lebte in Neukölln, direkt über die Straße. Wenn man aus dem "Hintereingang" des Gartens meiner Treptower Großeltern hinausging war man im Prinzip in Neukölln. Als ich Kind war, lebten die Neuköllner Großeltern allerdings schon in der Sonnenallee. Ich war regelmäßig bei den einen und den anderen Großeltern zu Besuch, die Großväter kannten sich schon bevor meine Eltern ein Paar waren. Alle Geschwister meiner Mutter lebten in Neukölln, rund um den Richardplatz und die Familie meines Vaters eben in Treptow. Die Familie meiner Mutter waren Nachfahren böhmischer Glaubensflüchtlinge und meine Mutter erzählte immer, dass ihre Großmutter zu hohen Feiertagen böhmische Tracht trug. Die waren also im "Böhm'schen Dorf" an der richtigen Stelle.
Der 9. November 1989 - wie habe ich ihn erlebt?
23.05.2020
Lutz Röhrig
Wie die Zeit vergeht. Nun ist es schon wieder 30 Jahre her, dass ich, eines Abends aus der Münchner S- Bahn kommend, zu meinem Auto ging. Dunkel war es und sehr kühl, ein typischer Novembertag eben. Ich stieg ein, drehte den Zündschlüssel - doch nichts passierte. Die Batterie war leer. Ich dreht mich suchend um - nirgends ein Mensch oder Fahrzeug an dieser einsamen S -Bahnstation zu sehen. Plötzlich näherte sich von einem Feldweg her ein Werksfahrzeug der Fa. Siemens. Kurzerhand hielt ich das Fahrzeug an und bat um Starthilfe. Der Fahrer jenes Wagens stieg, unter Zurücklassung einer Dame aus und da ich ein Batteriestartkabel stets dabei hatte, war es nur eine Sache von Minuten, bis mein Wagen wieder ansprang. Plötzlich hielt jener Herr inne. Sein Blick fixierte mein Nummernschild. Sie kommen aus Berlin? Ich bestätigte dies etwas verwundert. Sie wissen schon, dass die Mauer offen ist? Ungläubiges Kopfschütteln. Wer weiß, was jener freundliche Herr da gehört haben will, zumal er auch nichts weiter seinen Worten hinzufügte.
Deutsche Einheit
21.05.2020
Thomas Knuth
Am 09. November 1989 befand ich mich in Chicago. Ich wurde bei einem amerikanischen Unternehmen zum Qualitätsmanager ausgebildet und war gerade in einer Trainingseinheit mit Kollegen aus Frankreich und England.
Um 17.00 Uhr Ortszeit entstand plötzlich Unruhe im Gebäude. Leute rannten über die Gänge und riefen sich etwas zu, das wir in unserem Raum zunächst nicht verstanden. Dann kam jemand in unseren Raum und sagten, wir sollten einmal mitkommen, sie wollten uns etwas zeigen.
Als ich in einem anderen Raum die Fernsehbilder aus Berlin sah, musste ich gleich lachen und rief laut in die Runde: „This is not real, it´s a movie, you do not fool me!“ Auch die Kollegen aus Frankreich und England waren skeptisch. Wir gingen wieder zurück zu unserem Training.