I - Die ersten Berliner Hexen
von Janine Hanitzsch
Der Glaube an Hexen ist schon sehr alt! Bereits die alten Germanen kannten Zauberinnen. Während der Zeit der Osterweiterung im 12. und 13. Jahrhundert in der Mark Brandenburg verbreitet sich allmählich die Vorstellung im ganzen deutschsprachigen Raum, dass Hexen sich von Gott abgewandt haben und einen Teufelspakt schließen. Mit Hilfe des Gehörnten seien Hexen in der Lage schwarze Magie anzuwenden. Der Glaube bestand, dass es Hexen möglich sei, mit einem Wetterzauber sowie dem bösen Blick anderen Mitmenschen und Tieren Schaden zuzufügen.
Krankheiten, Pestepidemien und plötzliche Todesfälle konnten während des Mittelalters und der Neuzeit ebenso wenig erklärt werden, wie ungewöhnliche Naturereignisse. Gaben Kühe keine Milch mehr oder kam es zu Missernten, vermuteten die Menschen, dass eine Hexe das Vieh oder die Ernte verhext hatte. Die Suche nach dem Verursacher begann.
In vielen Städten und Dörfern, in denen es zu Hexenverfolgungen gekommen ist, erinnert heute nichts mehr an die Opfer der Hexenjagd. In Berlin erinnert auch kein Denkmal an die Toten der Hexenverfolgungen, die sich einst zugetragen haben.
Hexenvorkommnisse bis 1500
Hexenverfolgungen entstanden nicht aus dem Nichts. Der Glaube an Zauberei und Hexen, an weiße und schwarze Magie bestand, bevor es zu Hexenverfolgungen und -prozessen gekommen ist. Sagen können bei der Suche nach Hexenvorfällen erste Hinweise zur Eingrenzungen der Zeit liefern. Noch lange vor der Reformation soll sich die Sage des versteinerten Kalbsbratens in Berlin zugetragen haben. Die Sage berichtet von einer hartherzigen Bürgersfrau, die einer alten Bettlerin ein Stück vom Kalbsbraten verwehrt. Mit einem letzten Blick der alten Frau verwandelt sich der Braten langsam zu Stein. Die Bürgersfrau zutiefst erschrocken, lässt den Braten an einer Kette in der Petrikirche aufhängen, um stets an ihre Hartherzigkeit erinnert zu werden. Trotz materiellen Schadens für die Bürgersfrau steht in dieser Sage noch nicht die Verzauberung des Bratens im Vordergrund, sondern die Mildtätigkeit von Bürgern. Religiöse Verweise auf die Mildtätigkeit gegenüber Fremden können viele gefunden werden: „Gastfrei zu sein vergesset nicht, denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“ (Hebräer 13.2.); „Das andere [Gebot] ist ihm aber gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.“ (Matthäus 22.39).
Abschriften von Originalunterlagen sind eine weitere wichtige Informationsquelle. Der Archivar Ernst Fidicin veröffentliche im Jahr 1837 das älteste Berlinische Stadtbuch in seinem ersten Band der historisch-diplomatischen Beiträge. Das Berlinische Stadtbuch basiert auf der rechtlichen Grundlage des Sachsenspiegels, dem wichtigsten Rechtsbuch des Mittelalters. Im Sachsenspiegel im II. Buch Kapitel XIII steht folgendes zur Bestrafung für die Ausübung von Zauberei: „Welcher Christenmann ungläubig ist oder mit Zauberei umgeht oder mit Giftmischerei und dessen überführt wird, den soll man auf dem Scheiterhaufen verbrennen.". Im frühesten Stadtbuch Berlins wurden alle Übertretungen und deren Strafen verzeichnet. Im ersten Berliner Stadtbuch bis 1448 sind neunzehn Fälle mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen bestraft worden. Von diesen neunzehn Fällen wurden zwei alte Frauen, wegen angeblicher Zauberei verbrannt.
Wolborg – der erste Fall im Jahr 1390
Der erste Fall von Zauberei in Berlin ereignete sich im Jahr 1390. Wolborg, eine alte Frau, hat Else Schneiders zwei Beeren gegeben. Nach dem Verzehr der Beeren wurde Else krank und bat Wolborg erneut um Hilfe. Vor einer kleinen Menschenmenge äußerte Wolborg, dass sie Else krankgemacht hat und dass niemand außer ihr, Else heilen kann. Wolborg verlangte für die Heilung Geld, aber die Krankheit blieb. Es kam zur Anklage. Das Gericht stellte Zauberei bei Wolborg fest. Die alte Frau wurde vom Gericht zum Tode durch das Feuer verurteilt.
Mehr über den Fall von Wolborg ist nicht überliefert worden. Etliche Fragen bleiben ungeklärt. Warum bekam Else zwei Beeren von Wolborg? Was hätte Wolborg für einen Nutzen, dass Else krank ist, wenn sie in der Lage gewesen wäre Else krank zu machen? Wie war der geistige Zustand der alten Frau? Was für Zauberei hat das Gericht bei Wolborg feststellen können? Wann und wo kam Wolborg auf dem Scheiterhaufen zu Tode? Die mittelhochdeutsche Überlieferung des Textes lässt Interpretationsspielraum. Es ist nicht eindeutig, ob Else Schneiders, die Krankheit bekam oder Else lediglich die Überbringerin der Beeren war.
1423 – Eine Frau verbrannt
Über den zweiten Fall aus dem Jahr 1423 ist noch weniger bekannt als bei Wolborg. Nicht einmal der Name der alten Frau wurde in das Berliner Stadtbuch eingetragen. Es steht lediglich geschrieben, dass die Frau Zauberei betrieben haben soll, mit Pulver umgegangen sei und mitten in der Nacht dieses Zauberpulver hergestellt habe. Auch diese Frau wurde vom Gericht verurteilt und fand den Tod auf dem Scheiterhaufen.
Mindestens zwei Vorfälle von bestrafter Zauberei haben sich also in Berlin im Mittelalter ereignet. Wie sich die Hexenverfolgungen in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelt hat, steht im Fokus der nächsten Ausgabe unter dem Titel „Hexen in Berlin? – Gewitterhexen in den Jahren 1552 und 1553“.
Literatur I:
- Ebel, Friedrich (2005): Sachsenspiegel – Landrecht und Lehnrecht. Stuttgart: Philippe Reclam jun.
- Fidicin, Ernst (1837): Historisch-diplomatische Beiträge zur Geschichte der Stadt Berlin Bd.1. Berlin.
- Fidicin, Ernst (1842): Historisch-diplomatische Beiträge zur Geschichte der Stadt Berlin Bd.5.1. Berlin.
- Kiessig, Inge (1988): Berliner Sagen. 1. Aufl., Berlin: Berlin-Information.
- Meyer, Carl (1884): Der Aberglaube des Mittelalters und der nachfolgenden Jahrhunderte. Basel: Verlag von Felix Schneider.
- Petzoldt, Leander (1999): Einführung in die Sagenforschung. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz GmbH.
- Streckfuß; Adolf (1864): 500 Jahre Berliner Geschichte. Vom Fischerdorf zur Weltstadt Berlin. Band 1. E-Book. (o.O): Lexikus Verlag.