Am 23. Januar versammelten sich die Mitglieder im Restaurant Landré zur Hauptversammlung. Der schon erwähnte Willy Hoppe – ab 1937 Rektor der Friedrich-Wilhelms-Universität – wurde zum Ehrenmitglied ernannt. Hermann Kügler konnte wegen der Einziehung der älteren Schülerjahrgänge zur Flugabwehr im Frühjahr nach Berlin zurückkehren und sprach von den „britisch-amerikanischen Hunnen", die durch einen weiteren Luftangriff am 29. Januar die Totalzerstörung der Vereinsräume bewirkt hätten. Er kümmerte sich nunmehr um die Bergung des restlichen Vereinsgutes aus den Ruinen des Deutschen Domes und konnte dafür aus den Beständen des Museums für Volkskunde einen vierrädrigen großen Handwagen organisieren. Am 16. Juni. schrieb er dem Schatzmeister:
„Es haben uns je zwei italienische und französische Gefangene geholfen, aber sie erwarteten Tabak – da ich keinen habe, müssen sie leer ausgehen. Ich habe ihnen in ihren Muttersprachen herzlich im Namen der Stadtbibliothek gedankt, für die sie ohnehin eingesetzt sind." Einem Aufruf folgend spendeten Mitglieder bereitwillig Bücher und Geld für den Wiederaufbau einer Vereinsbibliothek.
Der schon erwähnte Konsistorialrat Pfarrer Themel hielt für den Verein am 22. April.einen Vortrag über die Bedeutung der Berliner Kirchenbücher als Quellen für die Forschung. Für bemerkenswert hielt er die „rassische Zusammensetzung des Berlinertums". Schon unter dem Großen Kurfürsten seien in der Marienkirche zwei Türkinnen getauft worden, ebenso die beim Hofe tätigen Kammermohren.. „Oft heirateten sie – man hatte damals noch keinen Begriff von Rassenschande – deutsche Mädchen."[34]
Das Mitglied Georg Szulmistrat, ein pensionierter Lehrer, wurde vom Propaganda-Ministerium beauftragt, Werke von Karl May hinsichtlich darin enthaltener Friedensgedanken und religiöser Einstellungen zu überprüfen. Er starb jedoch noch im gleichen Jahr, ohne seinen Zensurauftrag erfüllen zu können.
Der Goldschmied und frühere Hofjuwelier Ferdinand Richard Wilm, Gründer der Gesellschaft für Goldschmiedekunst und Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, wurde neues Mitglied. Zusammen mit Hermann Julius Wilm (bereits 1927 erstmals eingetreten) arbeitete er 1943 und 1944 eng mit dem - im eigenen Geschäftshaus Jerusalemer Straße 25 ansässigen - Bankhaus Sponholz & Co. zusammen. Die beim Ankauf, der Bewertung und dem Verkauf von Diamanten,, Brillanten und Schmuck aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten eingenommenen Devisen wurden von der Bank abzüglich einer einträglichen Provision an den Staat abgeführt. Hermann J. Wilm starb 1966, Ferdinand R. Wilm 1971.
Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli wurden neben dem schon genannten Graf von der Schulenburg auch Johannes Popitz verhaftet. Der preußische Finanzminister war Mitglied der NSDAP und fand erst spät Anschluss an den bürgerlich-militärischen Widerstandskreis. Er wurde im Februar 1945 in Plötzensee hingerichtet. Dr. Paul Lejeune-Jung – bis 1938 langjähriges Mitglied des Vereins – arbeitete als Syndikus in der Zellstoffindustrie. Politisch engagierte er sich von 1924-1930 als Reichstagsabgeordneter der Deutschnationalen Volkspartei. Seit 1934 wurde er von der Gestapo überwacht. Im Sommer 1943 verfasste er auf Anregung Carl Goerdelers eine Denkschrift über die wirtschaftspolitische Gestaltung Deutschlands nach dem Krieg. Im Juli 1944 in einer Ministerliste Goerdelers als Wirtschaftsminister genannt, wurde er am 11. August 1944 verhaftet. Lejeune-Jung stand zusammen mit Carl Goerdeler, Ulrich von Hassell, Wilhelm Leuschner und Joseph Wirmer vor dem Volksgerichtshof und wurde am 8. September 1944 im Gefängnis Plötzensee hingerichtet. In der St. Hedwigs-Kathedrale ist sein Name auf einer Gedenktafel in der Grabkapelle für den Dompropst Bernhard Lichtenberg aufgeführt.
Auch für den Sohn unseres früheren Mitgliedes Siegfried Loevy aus der bekannten Bronzeguss-Familie (siehe Sonderausstellung im Jüdischen Museum Berlin 2003), Erich Loevy alias Erich Gloeden brachte Freislers Volksgerichtshof 1944 den Tod. Der Architekt wurde nicht zuerst aus rassischen Gründen angeklagt, sondern weil er einem Verschwörer des 20. Juli, General Fritz Lindemann, Quartier gegeben hatte. Dies musste er mit dem Leben bezahlen.
Im Oktober wurde in Berlin der Volkssturm als letztes Aufgebot gebildet. Hermann Kügler
versandte die letzten Einladungspostkarten 4/1944 mit Ausgabedatum 10. Dezember 1944 und zitierte zum Schluss die Ode an die Deutschen von Friedrich II.[35]