Am 6. Jan. 1933 verlor der Verein durch den Tod von Dr. Ernst von Borsig nach 30 Jahren Mitgliedschaft eine prominente Persönlichkeit. Zusammen mit seinem Bruder Conrad hatte er ab 1894 die Borsigwerke geleitet und 1898 die Verlegung des Betriebes von Moabit nach Tegel veranlasst. Seine 1910 fertiggestellte Villa auf der Halbinsel Reiherwerder in Reinickendorf dient heute als Gästehaus des Auswärtigen Amtes.

 

Der Berufung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 folgten schon bald Diskriminierungen und Verfolgungen vieler Vereinsmitglieder aus politischen oder „rassischen" Gründen. Im Jahr der Vereinsgründung 1865 lebten in der Stadt ca. 30.000 Berliner jüdischer Abkunft, darunter auch der Mitgründer des Vereins Julius Beer. 1933 kann man von einer Zahl von 160.000 ausgehen, also ca. vier Prozent der Bevölkerung. Eine Auswertung des Mitgliederverzeichnisses Nr. 40 vom 1. Sept. 1932 ergibt, dass mit mehr als 10 % die Berliner jüdischer Abkunft im Verein überproportional vertreten waren. Einige davon wurden nach dem inszenierten „Judenboykott" vom 1. April 1933 Opfer der folgenden Berufsverbote für Rechtsanwälte, Beamte, Journalisten und Kassenärzte oder verloren durch die „Arisierung" jüdischer Firmen in der Folge ihre materielle Existenzgrundlage.

Noch in der Nacht des Reichstagsbrandes verließ der jüdische Arzt und Schriftsteller Dr. Alfred Döblin (Mitglied ab 1914, Ausscheiden aus dem Verein vor 1924) Deutschland, seine Bücher wurden wenig später verboten. Er lebte jahrelang in Frankreich und den USA und kehrte erst 1946 als Oberst und Literaturinspekteur der französischen Militärregierung nach Deutschland zurück. Döblin verstarb 1957 in Emmendingen (Schwarzwald).

Der jüdische Bankier Carl Fürstenberg (Mitglied seit 1914) verstarb am 9. Februar 1933. Er hatte die Berliner Handelsgesellschaft zu einer der führenden deutschen Banken geformt, die entscheidend auch den Ausbau des Kurfürstendamms und der Villenkolonie Grunewald beförderte. Fürstenberg war Finanzberater des Kaisers und veranlasste den Bau der monumentalen Bankgebäude von Alfred Messel und Heinrich Schweitzer in der Behrenstrasse und der Französischen Straße., die jetzt von der Kreditanstalt für Wiederaufbau genutzt werden. Er unterstützte als bedeutender Mäzen u. a. die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (heute Max-Planck-Gesellschaft).

Folgende Vereinsmitglieder verloren im Zuge der nationalsozialistischen „Gleichschaltung" ihre Ämter:

Friedrich C. A. Lange (Mitglied seit 1925), langjähriger Leiter der Rechtsabteilung und ab 1931 Erster Bürgermeister Berlins, wurde wegen seiner Parteizugehörigkeit (SPD) zwangspensioniert. Nach 1945 übernahm er im Berliner Magistrat die Abteilung für Rechtswesen. 1951 veröffentlichte er seine Erinnerungen unter dem Titel „Groß-Berliner Tagebuch 1920-1933".

Sein Namensvetter Friedrich Lange (Mitglied seit 1923) war Amtsrat im Preußischen Justizministerium und Abgeordneter der Zentrumspartei, 1930 wählte ihn die Stadtverordnetenversammlung zum Stellvertretenden Mitglied des Preußischen Staatsrates. Ab 1. Dezember 1933 behielt er zwar seine Dienstbezüge als Amtsrat, wurde aber „zur Vereinfachung des Dienstes" als Justizobersekretär an das Kammergericht Berlin versetzt. Nach 1945 arbeitete er als Leiter des Berliner Pfandbriefamtes und als Senatsrat bis 1955. [4]

Dr. Dr. Bruno Harms (Mitglied seit 1923) wurde 1933 als Stadtarzt und Leiter des Gesundheitsamtes Tiergarten wegen seiner demokratischen Gesinnung entlassen. Nach dem Kriege arbeitete er von 1946 bis 1948 als Stadtrat für das Gesundheitswesen von Groß-Berlin und anschließend als Präsident des Robert-Koch-Instituts. In den Jahren 1964-1967 war er 1. Vorsitzender des Vereins und erhielt 1967 die Ehrenmitgliedschaft, bevor er am 1. August 1967 im Alter von 77 Jahren verstarb.

Der jüdische Immobilienkaufmann Martin Katz (Mitglied seit 1903) war als unbesoldeter Stadtrat von Berlin und im Bezirk Schöneberg bis zu seiner Beurlaubung am 20. März 1933 im Amt, im Sommer legte er auch sein Mandat in der Stadtverordnetenversammlung nieder. Er konnte mit seiner Frau 1938 nach Brasilien emigrieren , wurde 1940 ausgebürgert und starb 1947 in Porto Alegre.

Georg Haberland (Mitglied seit 1904) wurde als Direktor der Berlinischen Bodengesellschaft wegen seiner jüdischen Abkunft im Mai 1933 zum Rücktritt genötigt. Er war zusammen mit seinem Vater Salomon Haberland, dem Gründer der Berlinischen Bodengesellschaft, dem Verein beigetreten. Die Terraingesellschaft war beteiligt an der Bebauung der Bismarckstraße und der Hardenbergstraße in Charlottenburg, sie entwickelte auch Areale des Bayerischen Viertels und das Rheingauviertel. Salomon Haberland war bereits 1914 gestorben, Georg wurde Ende 1933 auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee bestattet. Sein ältester Sohn Kurt starb 1942 im Konzentrationslager Mauthausen.

Die Familie von Dr. Otto Frentzel (Mitglied seit 1931), war wegen der Herkunft der Ehefrau Agnes aus der jüdischen Familie Hirschfeld der Verfolgung ausgesetzt. Frentzel war Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses und maßgeblich am Zustandekommen des Groß-Berlin-Gesetzes von 1920 beteiligt. Er hatte bereits 1898 seine Arztpraxis aufgegeben und leitete neben einer von ihm gegründeten Fabrik als Präsident den Deutschen Industrie- und Handelstag. Dort arbeitete auch sein Sohn Gerhard als Jurist und Leitungsmitglied bis zu seiner Entlassung 1933, als „ Mischling" von den Nationalsozialisten nicht mehr geduldet. Agnes Frentzel musste 1939 und 1940 insgesamt 24.000 RM „Sühneleistung-Judenvermögensabgabe" abführen. Frentzels Sohn wurde 1949 Hauptgeschäftsführer des wiedergegründeten Deutschen Industrie- und Handelstages, er selbst starb 1954 in Berlin.

Georg Wertheim (Mitglied ab 1914, im Verzeichnis von 1924 nicht mehr aufgeführt) musste wie die anderen Angehörigen der jüdischen Familie seine Geschäftsanteile an den Kaufhäusern abgeben, er übertrug sein Eigentum auf seine Ehefrau Ursula, schied zum 1. Januar 1937 auch aus der Geschäftsführung aus und starb in Berlin 1939.

Im Zuge der „Gleichschaltung" des Deutschen Rundfunks, der dem Propagandaministerium von Goebbels unterstellt wurde, wurde im August 1933 auch der gerade in den Verein eingetretene frühere Intendant der Berliner Funkstunde Alfred Braun als Sozialist verhaftet und in das KZ Oranienburg eingeliefert. Die Anklagepunkte gegen ihn waren jedoch nicht haltbar, nach seiner Freilassung emigriert, kehrte er jedoch 1939 zurück, um als Filmregisseur bei der UFA zu arbeiten. Nach dem Kriege war er u. a. drei Jahre Intendant des Senders Freies Berlin, er starb 1978.

Der Rechtsanwalt und Notar Dr. Siegbert Loewy (Mitglied seit 1927) verlor 1933 seinen seit 1920 gehaltenen Sitz für die SPD in der Stadtverordnetenversammlung . Als Mitglied in der Vereinigung sozialdemokratischer Juristen wurde er im Juli 1933 von der Gestapo in „Schutzhaft" genommen, konnte aber 1936 Deutschland verlassen und starb 1942 im Exil.

Dr. Hermann Borchardt, in der Mitgliederliste erstmals 1927 genannt, aber bereits vor 1932 wieder ausgeschieden, musste als Jude und politisch aktiver Schriftsteller wie seine Freunde Bertolt Brecht und George Grosz seine Heimat verlassen. Er wurde 1936 aus Russland ausgewiesen und befand sich bald darauf in verschiedenen Konzentrationslagern in Deutschland. Durch Misshandlungen in Dachau verlor er sein Gehör und einen Finger. Er konnte 1937 nach den USA emigrieren und starb 1951 in New York.

Der jüdische Journalist Egon Jameson war 1931 in den Verein eingetreten. Er konnte seine seit 1916 im Ullstein-Verlag ausgeübte Tätigkeit , zuletzt in der Redaktion der „BZ am Mittag", nicht mehr weiterführen und ging deswegen 1934 nach England. Erst 1969 trat er dem Geschichtsverein wieder bei, verstarb aber noch im gleichen Jahr.

Heinrich Grünfeld (Mitglied seit 1914) musste den Vorsitz der Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels wegen seiner jüdischen Abkunft abgeben. Der Inhaber der Landeshuter Leinen- und Gebildweberei F. V. Grünfeld war durch seine großen Wäschegeschäfte in der Leipziger Str. 20 und seit 1926 auch am Kurfürstendamm Ecke Joachimsthaler Str. bekannt. Nach dem Umbau der „Grünfeld-Ecke" 1928 durch Otto Firle im Geist des Neuen Bauens unter Verwendung von blauen Majolika-Fliesen, viel Chrom und Glas war die Ecke eine Sehenswürdigkeit Berlins, heute befindet sich an der Ecke in einem Neubau C & A. Heinrich Grünfeld starb 1936, seine Firma wurde im Zuge der „Arisierung" von dem Berliner Einzelhändler Walther Kühl zu günstigen Konditionen erworben.

Der Wäschefabrikant Moritz Rosenthal (Mitglied seit 1914) stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie und war seit 1930 unbesoldeter Stadtrat im Bezirk Kreuzberg. 1933 verlor er alle Ehrenämter und emigrierte 1936 mit seiner Ehefrau und seiner jüngsten Tochter in die Niederlande. Das Ehepaar wurde 1944 in Auschwitz ermordet, die Tochter überlebte das Lager. Die drei älteren Kinder waren rechtzeitig in die USA ausgewandert. Seit 1999 erinnert im Durchgang des Hauses Stralauer Straße 42-45, dem Ort der Wäschefabrik, eine Tafel an Moritz und Ulla Rosenthal. [5]

Der jüdische Schriftsteller Dr. Max Osborn war ab 1908 und nach längerer Unterbrechung ab 1930 wieder Mitglied im Verein. Er musste seine seit 1910 für den Ullstein-Verlag ausgeübte redaktionelle Arbeit, insbesondere als Kunstkritiker, 1933 aufgeben. Seine kunst- und literaturkritischen Werke wurden öffentlich verbrannt. Er emigrierte 1938 nach Frankreich, später in die USA und starb 1946 in New York.

Dr. Friedrich Solon war Ende 1932 dem Verein beigetreten. Der Jurist verlor wegen seiner jüdischen Abkunft seine Stellung als Syndikus des Ullstein-Verlages, war danach aber noch als Rechtsanwalt bis zu seiner Emigration 1938 tätig. In England konnte er nach dem Kriege nur eine Beschäftigung als Buchhalter in Oxford finden.

Andere Vereinsmitglieder standen den politischen Veränderungen von 1933 positiv gegenüber. Neben dem Vorsitzenden Kügler muss hier der Universitätsprofessor Dr. Willy Hoppe (Mitglied seit 1926) genannt werden. Er wurde 1933 zum „Führer" des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine berufen. In einem Rundschreiben teilte er danach mit, der Verband sei auf der Königsberger Tagung vom 6. September 1933 seiner nationalsozialistischen Führung unterstellt und bekenne sich rückhaltlos zum neuen Staat. Alle unterstellten Vereine hätten sich unbedingt die Forderungen Adolf Hitlers an die Geschichtswissenschaft zu eigen zu machen. Wahlen hätten zu unterbleiben, der als Führer bestellte sollte in Zukunft den ihm zur Seite stehenden Rat selbst bestimmen. Entsprechend teilte der Berliner Vorsitzende Kügler den Vereinsmitgliedern mit:
„Am 13. 10. 1933 ist der Erste Vorsitzende zum Führer des Vereins ernannt worden, und zwar durch den Führer des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine. Ich habe den bisherigen Vorstand als meinen Führerrat bestätigt. Ich gebe das Rundschreiben hiermit bekannt, auf Grund dessen die Gleichschaltung vollzogen ist."[6]

Küglers Aufbruchstimmung ist aus seiner Gedenkrede bei der Beisetzung des am 13. Mai 1933 verstorbenen Ehrenvorsitzenden Louis Noël zu ersehen. Der verstorbene Oberst a.D. hatte von 1921-1930 an der Spitze des Vereins gestanden, wurde aber bereits seit dem Herbst 1928 von Kügler geschäftsführend vertreten. Umgeben von einer Ehrenwache des Stahlhelm und neben zahlreichen Kränzen mit schwarz-weiß-roten Schleifen führte Kügler aus

„Du sahst das Vaterland blutend dahinsinken, und das Herz ist Dir darüber gebrochen; aber Du erlebtest noch die Morgenröte der neuen Zeit, von der wir Jungen fest glaubten, sie werde Deutschland wieder zu Ansehen und Ehre führen. Aus dem immer noch schwelenden Weltenbrande der letzten Jahrzehnte wird wieder auferstehen ein neues Reich. An der Zeitenwende gingst Du dahin und bald wird sich Dein verklärter Geist aus den Flammen zum ewigen Licht erheben. So sei uns dies Sterben ein Sinnbild: Über Gräber und Urnen vorwärts!"[7]

Dr. Max Arendt (Mitglied ab 1924), seit 1923 Direktor der Magistratsbibliothek (ab 1933 Ratsbibliothek), trat zum 1. April 1933 der NSDAP bei und war verantwortlich für Festzug und Festschrift zur 700-Jahr Feier Berlins 1937. In einer „Geschichte der Stadt Berlin" von 1937 verfasste er den Abschnitt über die Neuzeit. Anfang 1945 verlieh ihm Kügler noch die bronzene und silberne Fidicin-Medaille. Nach dem Kriege konnte er nicht mehr an seine vormalige wissenschaftliche Tätigkeit anknüpfen.

Der konservativ-nationale Dr. Eberhard Faden (Mitglied seit 1926) wechselte von der Deutschen Volkspartei zur NSDAP. Bereits als Schulrat aktiv im NS-Lehrerbund thematisierte er als späterer Stadtarchivdirektor Fragen nach Rasse und Volkstum, Blut und Boden. Zusammen mit seinem vorher genannten Freund Arendt bestimmte er die Darstellung der Geschichte Berlins im Sinne der neuen Machthaber. 1945 erhielt auch er noch die Urkunden für die bronzene und silberne Fidicin-Medaille.

Dr. Prinz August Wilhelm von Preußen, vierter Sohn von Kaiser Wilhelm II., war seit 1912 Ehrenmitglied des Vereins. Er identifizierte sich schon früh mit dem nationalsozialistischen Gedankengut, trat 1930 der NSDAP bei und warb in SA-Uniform vor allem in bürgerlichen Kreisen, ab 1932 saß er als Abgeordneter im Preußischen Landtag. Seit dem !. September 1933 SA-Gruppenführer wurde er am 9. Nov. 1938 (!) SA-Obergruppenführer und erhielt wenig später das „Goldene Parteiabzeichen". Gegenüber seinem Vater im Exil versuchte er die Judenverfolgungen in Deutschland zu rechtfertigen. Persönliche Äußerungen über Goebbels und die allgemeine politische Lage brachten ihm im Nov. 1942 lediglich ein Redeverbrot ein.1945 kam der Prinz (Spitzname „Auwi") in amerikanische Haft und verstarb dort nach vier Jahren 1949. 1933 wurde auch der Landesdirektor Dietloff von Arnim-Rittgarten, Mitglied der NSDAP seit 1932, von Kügler in den Verein eingeführt.

Die politische Entwicklung erzwang Satzungsänderungen, der Vereinszweck blieb jedoch unverändert: die Belebung des Sinnes für die Geschichte Berlins und die Erforschung sowie Darstellung der Verhältnisse Berlins.

Die vom Polizeipräsidenten verlangten Satzungsänderungen wurden am 11. Dezember 1933 auf einer außerordentlichen Hauptversammlung von den 41 anwesenden Mitgliedern einstimmig beschlossen. In § 12 wurden als Organe des Vereins genannt:
1. der Führer, 2. der Führerrat und der Geschäftsführende Führerrat, 3. die Hauptversammlung, 4. der Außerordentliche Ausschuss.

Die Mitglieder des Führerrats wurden vom Führer bestimmt. § 13 verlangte, alle Mitglieder des Führerrats wie auch der Führer müssten „arischen Geblütes und national unbedingt zuverlässig sein." Die verabschiedete Satzung entsprach nunmehr dem propagierten. Führergedanken und der Forderung nach der unbedingten Eingliederung des Vereins in den NS-Staat [8]

Wegen kritischer Bemerkungen Küglers über die Art seiner Führungen durch Alt-Berlin trat der bekannte Heimatforscher Dr. Franz Lederer aus dem Verein aus. Neben den Mitteilungen und dem Nachrichtenblatt erschien 1933 als Heft 54 der Schriften des Vereins die Dissertation „Glaßbrenners Berlinisch" von Dr. Heinz Gebhardt.