Bernhard Rose (1865–1927): Familientheater
(Georgen-Parochial-Friedhof II, Friedrichshain, Landsberger Allee 48-50, Feld 42, Ehrengrab)
Bernhard Roses Kindheit im Norden Berlins (in der Treskowstraße, heute Bezirk Pankow, Ortsteil Heinersdorf) war armselig. Seine Eltern hatten ihr Dorf verlassen, weil auch sie darauf hofften, in der aufstrebenden Industriestadt Berlin Arbeit und ein besseres Leben zu finden. Aber der Vater starb bald, die Mutter erblindete und der Junge war früh auf sich selbst gestellt. Er besuchte die Volksschule und machte anschließend eine Lehre als Schriftsetzer. In Berlin wütete gerade die Theaterleidenschaft, und überall wurden Liebhaberbühnen und Theatervereine gegründet. Auch Bernhard Rose war theaterbegeistert und trat dem Theaterverein Wally bei, der in bekannten Berliner Restaurationsgärten wie dem Prater in der Kastanienallee spielte. 1890 gründete er ein eigenes Ensemble, das Bernhard-Rose-Ensemble, das sich zunächst im Moabiter Stadttheater, dem Festsaal der Kronenbrauerei, etablierte. Typisch für volkstümliche Bühnen dieser Art war die Verbindung von Kunst und Restauration. Bei Eintrittspreisen von 30 bis 75 Pfennigen durfte während der Vorstellung geraucht, getrunken und gegessen werden, denn die Gastwirte, die ihre Säle der Kunst zur Verfügung stellten, wollten schließlich auch etwas verdienen.
Dank einer geschickten Mischung aus Klassikern, Volksstücken, Possen und zeitgenössischen Schauspielen lief das Geschäft so gut, dass Rose sich bald ausschließlich dem Theater widmen konnte. 1901 bekam er eine Konzession für das Deutsche Clubhaus in der Badstraße am Gesundbrunnen, das er selbstbewusst in Bernhard-Rose-Theater umbenannte. Das Unternehmen florierte und Rose pachtete das bankrotte Ostend-Theater in der Frankfurter Allee, ein Theater mit einer langen Misserfolgsgeschichte. Die Berliner nannten es “Massengrab“ oder „Erbbegräbnis“. Das neue Rose-Theater eröffnete am 29. September 1906, und sie kamen in Scharen, die so genannten kleinen Leute aus dem Norden und Osten Berlins, die dieses Theater liebten, weil es sie in vergangene, scheinbar bessere Zeiten entführte. Allerdings wurden auch naturalistische und realistische Stücke mit Erfolg gespielt und Gerhart Hauptmann (1929) nach einer Aufführung seiner Weber stürmisch gefeiert. Die beliebte Mischung aus Unterhaltung und Erholung konnte im Garten des Theaters weitergeführt werden, der bis zu seiner Zerstörung (1943) Berlins letzte Sommerbühne war.
Das Rose-Theater war ein Familienbetrieb. Bernhard Roses Söhne Hans, Paul und Willi sollten eigentlich „anständige“ Berufe erlernen, aber dazu hatten sie zu viel Theaterluft eingeatmet. Nach dem Tod des Vaters (1927) leiteten sie das Familienunternehmen zunächst zu dritt, ab 1939 war Paul Rose der alleinige Direktor.
Da die nationalsozialistische Kultur- und Freizeitorganisation Kraft durch Freude (KDF) das Theatergeschäft durch Dumping-Eintrittspreise zu ruinieren drohte, bemühte er sich um Zuschüsse aus dem Propagandaministerium. Doch die Subventionierung durch den NS-Staat war nicht umsonst zu haben: Goebbels sicherte sich den Einfluss auf Spielplan und Personalpolitik. Und so machte sich im bislang unpolitischen Rose-Theater ein volkstümlicher Antisemitismus breit. Im September 1942 inszenierte Paul Rose Shakespeares Kaufmann von Venedig: Er platzierte Statisten unter die Zuschauer, die beim Auftreten des Juden Shylock in Schmähreden und Schimpfen ausbrachen. Die Aufführung antijüdischer Schauspiele machte sich bezahlt. Als das Propagandaministerium am 31. 12. 1942 die Enteignung aller Berliner Privattheater anordnete, wurde Paul Rose als einziger Theaterleiter nicht entlassen.
Während Berlin im Feuersturm des alliierten Luftkrieges verbrannte, spielten die Theater weiter und demonstrieren „Normalität“. Ein paar Stunden Erbauung und Zerstreuung, eine kurzweilige Flucht aus dem alltäglichen Elend. Bis am 1. September 1944 auch damit Schluss war und Goebbels alle Berliner Theater schließen ließ. Zwei Drittel von ihnen waren zu diesem Zeitpunkt teilweise oder ganz zerstört. Am 29. April 1945, beim Endkampf um Berlin, kurz vor der bedingungslosen Kapitulation, (am 2. Mai 1945), wurde auch das Rose-Theater vernichtet. Eine 38 Jahre lange erfolgreiche Tradition Berliner Volkstheaters war damit zu Ende.
Paul Rose ging nach dem Krieg als Intendant nach Baden-Baden, sein Bruder Hans spielte in Ostberlin am Metropol-Theater (Friedrichstraße), während Willi Rose als Schauspieler in Westberlin lebte. An ihn erinnert eine Gedenktafel am Haus Bolivarallee 17 in Charlottenburg, wo er bis zu seinem Tod 1978 wohnte. Gestiftet von der Berliner Taxifahrerinnung.
Text: Gerold Ducke; Fotos: Erika Babatz
Auszug aus ihrem Vortrag „Friedhof der Schauspieler, Zweiter Akt“, gehalten Im Rahmen der Vortragsreihe des Vereins für die Geschichte Berlins am 16. September 2015.