Marie Seebach (1829-1897)

Grabstätte: Dreifaltigkeits-Friedhof II, Feld H-MA-1/2, Ehrengrab

Ein Engel, die Flügel ausgebreitet, im Arm eine Urne, deutet auf das Grabdenkmal zu seinen Füßen.

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Das Grab Seebachs © Erika Babatz 2014

Als am 12. August 1897 an dieser Stelle Marie Seebach beerdigt wurde, ließen der deutsche Kaiser und andere Hoheiten Kränze niederlegen und die Großen der deutschen Bühnenkunst verneigten sich zum letzten Gruß. Die Seebach war um die Mitte des 19. Jahrhunderts Deutschlands berühmteste Schauspielerin. Ihr Ruhm ist längst vergangen, aber ihr Name bleibt unsterblich, dank einer beispiellosen sozialen Tat.

Marie Seebach entstammte einer Künstlerfamilie aus Köln am Rhein und wollte eigentlich Opernsängerin werden, weil jedoch ihre Stimme nicht ausreichte, ließ sie sich für das Fach der „munteren Liebhaberin“ ausbilden und hatte großen Erfolg in Lustspielrollen. Aber das befriedigt sie nicht, sie will Tragödin werden. Im Hamburger Thalia-Theater spielt sie zum ersten Mal die Rolle ihres Lebens: das Gretchen in Goethes Faust. Als Gretchen ist sie 1854 in München auf einem Gipfeltreffen deutscher Schauspielkunst die Sensation. Der Berliner Kritiker Karl Frenzel schrieb:

„Goethes Gretchen stand vor uns wie neugeboren. Marie Seebach befreite die Dichtung aus der Öde und Steife eines Kunstschemas, das sich längst überlebt hat, und statt des pathetischen, hochtrabenden, jeder Natürlichkeit baren Vortrags vernahmen wir wieder den süßen, den liebenden Ton der echten Poesie.“

Nach ihrem großen Erfolg wird Marie Seebach ans Burgtheater engagiert. Das war zu dieser Zeit nicht nur Deutschlands führende Bühne, sondern auch die einzige mit Pensionsberechtigung. Das Burgtheater wird zur ersten großen Enttäuschung ihres Lebens, denn Heinrich Laube, der Direktor, ein ehemaliger Demokrat, führt sein Theater diktatorisch, versteht sich obendrein als Theaterpädagoge und wünscht sich junge, biegsame Schauspielerinnen. Die erfolgsverwöhnte Seebach ist ihm zu eigenwillig. Nach zwei Jahren kündigt sie ihr Engagement, verzichtet um ihrer Freiheit willen auf die Pensionsansprüche und arbeitet weiter an ihrem Stil:  Sie will möglichst natürlich und ungekünstelt spielen und mit wenigen Mittel viel ausdrücken können.

Nach ihrem Abschied vom Burgtheater unternimmt sie Gastspielreisen und feiert Triumphe in vielen Städten. In Hannover lernt sie den später berühmten Heldentenor und Wagnersänger Albert Niemann kennen, den sie 1859 heiratet. Zwei Jahre später kommt ihr gemeinsamer Sohn Oscar auf die Welt. Die Familie geht nach Berlin, wo Niemann an der Königlichen Oper auftritt. Er ist (nach dem Burgtheater) ihre zweite große Enttäuschung. Niemann, ein Frauenschwarm, betrügt seine Frau und verlangt, sie solle ihm zuliebe auf ihre Karriere verzichten. Sie ist dazu nicht bereit und lässt sich (1869) scheiden, der Sohn Oscar wird ihr zugesprochen.

Nach der Scheidung geht Marie Seebach wieder auf Gastspielreisen. Fast 20 Jahre lang reist sie um die Welt, besucht 1870 mit einer eigenen Schauspielergesellschaft, der Seebach-Company, die USA. Die anstrengenden, wenngleich einträglichen Tourneen („Gastierfahrten“ genannt) verbrauchen ihre Kräfte. Aber für ihren geliebten Sohn nimmt sie diese Strapazen auf sich, denn Oscar, der begabt ist und wie sein Vater Sänger werden will, soll keine Geldsorgen haben.

Als die Seebach 46 Jahre alt ist, kann und will sie das Gretchen nicht mehr spielen. Normalerweise wäre sie jetzt „reif“ für das Fach der komischen Alten. Und tatsächlich bietet man ihr (1887) am Berliner Hoftheater die Nachfolge ihrer verstorbenen Tante Minona Frieb-Blumauer an. Nach einigem Zögern willigt sie ein, aber nur unter der Bedingung, nicht in derben Possen auftreten zu müssen.

1893 trifft sie ein schwerer Schicksalsschlag: Oscar, der über alles geliebte Sohn, stirbt im Alter von 32 Jahren in Nervi bei Mailand an der Schwindsucht. Sie holt seine Urne nach Berlin und lässt sie auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof beisetzen. Das Vermögen, das sie für ihn erworben hat, will sie nun dazu verwenden, ein Heim für alte und mittellose Bühnenkünstler zu gründen. Sie wählt für ihr menschenfreundliches Unternehmen Weimar aus, die Stadt Goethes und Schillers, wo der  Landesherr für den guten Zweck ein Grundstück (an der Tiefurter Allee) zur Verfügung stellt. So wurde am 2. Oktober 1895 das Marie-Seebach-Stift eingeweiht, das heute noch existiert und ihren Namen unsterblich gemacht hat. Als erstes und bislang einziges Altersheim für Schauspieler in Deutschland.

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Das Grab Seebachs © Erika Babatz 2014

Text: Gerold Ducke; Fotos: Erika Babatz

Auszug aus ihrem Vortrag „Friedhof der Schauspieler“, gehalten Im Rahmen der Vortragsreihe des Vereins für die Geschichte Berlins am 3. September 2014