Der Sarkophag des Prinzen Heinrich von Preußen
Zum 200. Todestag des Bruders Friedrichs des Großen
Von Heinrich Lange
Am 3.August 2002 jährt sich der Todestag des Prinzen Friedrich Heinrich Ludwig von Preußen (1726-1802), des Bruders Friedrichs des Großen, zum 200. Mal. Sein zinnerner Prunksarg mit dem eichenen Innensarg ruht in der Grabpyramide des Parks von Schloß Rheinsberg. Das Schloß ist vom 4. August bis zum 27. Oktober 2002 Schauplatz der Sonderausstellung „Prinz Heinrich von Preußen. Ein Europäer in Rheinsberg". 1734 hatte der Vater der beiden Brüder, König Friedrich Wilhelm I., Rheinsberg erworben und seinem ältesten Sohn Friedrich geschenkt. Der Kronprinz ließ das Schloß zu seiner Residenz ausbauen. Nachdem er 1740 als König Friedrich II. den Thron bestiegen hatte, schenkte er seinen „Musenhof" 1744 dem vierzehn Jahre jüngeren Bruder Heinrich, der hier ab 1763 nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, zu dessen Ende er als General den glänzenden Sieg bei Freiberg erfocht ebenfalls den Wissenschaften und Künsten lebte. Prinz Heinrich prägte Park und Schloß Rheinsberg ein halbes Jahrhundert durch Aus-, Um- und Erweiterungsbauten.
Als baulichen Schlußpunkt ließ Prinz Heinrich 1800 bis 1801 als seine letzte Ruhestätte die Grabpyramide durch Hofbaurat G. W. Steinert errichten. Daniel Berger hat die steil ansteigende Pyramide römischer Art mit symbolisch abgebrochener Spitze nach einer Zeichnung des Hofbaurats 1802 in Kupfer gestochen. Aus einer Mitteilung Steinerts vom 13. August 1802 aus Rheinsberg an den Kammerdirektor Stubenrauch geht hervor, daß er die vom Prinzen „eigenhändig approbirte Zeichnung seiner Ruhestätte" in Kupfer stechen lasse und diesen Stich dem Prinzen Ferdinand „unterthänigst gewidmet habe." 1 Zwei Wanderer wohl Vater und Sohn studieren die von Prinz Heinrich selbst verfaßte Grabschrift auf der den Eingang verschließenden Steinplatte. Das Elogium in französischer Sprache wendet sich denn auch direkt an den Passanten: „Wanderer! / erinnere dich, daß Vollkommenheit nicht auf Erden ist, / Wenn ich auch nicht der beste der Menschen habe sein können. / wenigstens / gehöre ich nicht zu der Zahl der Schlechten." 2 „Die Form, die der Prinz für seine Grablege wählte", so Michael Seiler im amtlichen Führer „Der Schloßpark in Rheinsberg", „ist eine Übernahme vom sogenannten Grabmal des Vergil, das Hennert 1771 am Rande des Parks oberhalb des Böberickensees als hölzernes Bauwerk errichtet hatte (bald verfallen und nach 1802 abgetragen). Im Grabmal des Vergil fanden Geist und Haltung des prinzlichen Hofes Ausdruck als eine von vielen literarischen Anregungen, die im Garten und Park inszeniert und gelebt wurden [...]."3
Prinz Heinrich hatte in seinem Testament vom 26. Februar 1802 nur einen einfachen Eichensarg und die Verschließung der Pyramide mit der Inschriftplatte bestimmt. 4 Doch Prinz Ferdinand von Preußen, der jüngste Sohn des Soldatenkönigs und neue Schloßherr, ließ einen Prunksarg aus Zinn anfertigen. Wie E. Frensdorff vom Verein für die Geschichte Berlins in dem 1902 zum hundertsten Todestag des Prinzen als Sonderausgabe der „Rheinsberger Zeitung" herausgegebenen Gedenkblatt angibt, soll Ferdinand den Sarg „zwei Jahre nach dem Ableben des Prinzen" anfertigen und „das anfangs geschlossene Grabgewölbe der besseren Lüftung wegen öffnen und durch eine Gitterthür verschließen" haben lassen. 5 Die Platte mit der Grabschrift wurde auf die Rückseite der Pyramide versetzt. So konnte man von außen einen Blick auf den kostbaren Sarkophag werfen. „Rohe Hände" hätten „dann etwa um das Jahr 1854 die Grabkammer erbrochen und den Sarkophag beraubt, worauf der Zugang zur Pyramide für immer vermauert wurde." 6 Archivalien im Geheimen Staatsarchiv Berlin zeigen, daß der Einbruch bereits 1853 festgestellt wurde. In der Revision vom 7. Mai 1853 heißt es: „Das Kissen mit der Königskrone, der Helm, das Banner, das Schwerdt und die Handschuhe waren vollzählig auf der Erde gelegen, der Deckel des Sarges stellenweise gelöst."7 Theodor Fontane hat den Prunksarg bei seinem ersten Besuch in Rheinsberg in diesem Jahre noch unversehrt gesehen. In den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg" (1862), in denen er den Ort und dessen Geschichte durch seine ausführliche Schilderung wieder ins öffentliche Bewußtsein hob, schreibt er: „Im Jahre 1853 sah ich noch deutlich den großen Zinksarg stehen, auf dem ein rostiger Helm lag. Seitdem ist ein brutaler Versuch gemacht worden, das Grab zu bestehlen; man hoffte Gold im Sarge zu finden [...]." 8 Darauf, daß der Dichter als Material des Sarges fälschlich Zink angibt, „zumal sich unter seinen französischen Vorfahren zwei Zinngießer" befanden, hat Harry Nehls hingewiesen. 9 Allerdings handelt es sich nicht um „Pierre und Pierre François Fontane" 10, sondern um seinen Ururgroßvater Pierre François Fontane (1697-1743) und Urgroßvater Pierre Barthélemy Fontane (17311773).11
„Durch unsere Abbildung des Sarkophages wird die Kenntniß desselben", so das von Hans Brendicke in den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte zitierte Gedenkblatt von 1902, „das, hübsch ausgestattet, mit vortrefflichen Abbildungen geschmückt, viel gelesen wurde" 12, „nun zum ersten Male einem größeren Kreise vermittelt. Eine genaue Beschreibung der meisterhaften Arbeit befindet sich in dem zweiten Bande eines heute sehr seltenen Buches mit dem Titel ‚Berlinische Nächte' (Berlin 1804). Dort, wo so leicht kein Schilderer der Rheinsberger Erinnerungsstätten etwas auf dieselben Bezügliches vermuthen würde, wird in der ‚93. Nacht' unter dem Kapitel: ‚Am Paradesarge des Prinzen Heinrich von Preußen' folgendes geschrieben: ‚Der Prinz Ferdinand, Bruder Friedrichs des Zweiten, hat [.. .] bei dem Zinngießer Siricks unter den Linden einen Sarkophag anfertigen lassen [. ..]. Der Zulauf, dieses Meisterstück zu sehen, war ganz außerordentlich, und das eleganteste Publikum bewunderte mit Rührung dieses Denkmal menschlicher Hinfälligkeit. [...] Die Zeichnungen sind von dem Bildhauer Herrn Selvino und der Kupferstecher Henning verkauft illuminirte Abdrücke davon, das Stück zu 8 Groschen."13
Dem „Zinngießer Siricks", dem „Bildhauer Herrn Selvino" und ihrem in dem Gedenkblatt als „Meisterstück" und „Kunstwerk" 14 bezeichneten Prunksarg, der offensichtlich seit hundert Jahren nicht mehr Gegenstand der Forschung gewesen ist, gilt es hier nachzugehen. Bereits die „Königliche privilegirte Berlinische Zeitung" vom 26. März 1803 meldete auf der Titelseite, daß „nun auch der äußere zinnerne Sarg fertig" sei, den Prinz Ferdinand „durch den Hofzinngießer Siercks" habe anfertigen lassen 15. Und drei Tage später heißt es in den „Berlinischen Nachrichten von Staatsund gelehrten Sachen": „Seit einigen Tagen ist hier unter den Linden, in der Wohnung des Hofzinngießers Siercks der zinnerne Sarg zu sehen [...]. Er ist auf Befehl und Kosten des Prinzen Ferdinand Königl. Hoheit angefertigt worden [...]. Noch vor Ablauf dieser Woche wird dies Monument nach Rheinsberg abgeführt." 16 Der Prunksarg ist demnach nicht erst „zwei Jahre" nach dem Tod des Prinzen Heinrich von dem hier zudem orthographisch richtig „Siercks" genannten Hofzinngießer angefertigt worden, sondern war bereits im März 1803 fertiggestellt. Dies bestätigt auch die Akte „Die Anfertigung des Zinnernen Sarges und eisernen Gitters um das Tombeau des Prinzen Heinrichs, Königl. Hoheit betr." im Geheimen Staatsarchiv, etwa ein Brief der Domänenkammer des Prinzen Ferdinand an das „Justiz-Amt zu Rheinsberg" vom 22. März 1803, daß „nunmehr der Zinnerne Sarg für Seine Königliche Hoheit den Höchstseeligen Prinzen Heinrich fertig ist, und in der Zeit von 8-14 Tagen dorthin transportiert werden kann" 17, die Rechnung des Zinngießers „E C: Siercks" an die Domänenkammer vom 30. März 1803 18 oder ein Brief von Brancon und Steinert aus Rheinsberg an die Domänenkammer vom 12. April 1803, in dem „dem Zinngießer Meister Siercks die richtige Ablieferung hierdurch pflichtmäßig attestieret" wird 19.
Aus einem eigenhändig unterzeichneten Brief des Zinngießermeisters an Prinz Ferdinand vom 12. Mai 1803 erfahren wir mit „Ernst Cr(istoph)" auch seine Vornamen und mit „Linden no: 28" die Hausnummer seiner „Wohnung". 20 Im Berliner Adreßbuch von 1801 ist denn auch „Sierix, Zinngießer" als Eigentümer des Hauses Nr. 28 verzeichnet. Daneben wohnten „Bauer, Sattlermeister" (Nr. 27) und „Meyer Gastwirth" (Nr. 29). 21 Abgebildet scheint das Haus Unter den Linden 28 zuerst auf dem in der Stiftung Stadtmuseum Berlin aufbewahrten „Panorama vom Königl. Schloß bis zum Brandenburger Thore [...]" von 1820.22 Es ist das dritte, schmale Gebäude nach der Einmündung der Friedrichstraße auf der Westseite der Straße Unter den Linden, zwischen den Häusern jetzt des Schneidermeisters Freitag (Nr. 27) und des Rentiers Jacob Meyer (Nr. 29). Über der Tür des Zinngießerhauses, das gerade das Pferd der vorbeifahrenden Kutsche erreicht hat, steht zudem der Name „Sierks". Wie das Berliner Adreßbuch zeigt, wohnte hier 1799 noch der „Traiteur und Restaurateur" Hamôt.
Nun ist in der Stiftung Stadtmuseum Berlin/Märkisches Museum noch das originale „Meister Buch" der Berliner Zinngießer von 1689/1718-1898 erhalten. In diesem ist in der Tat Ernst Christoph Siercks (oder Sierecks) eingetragen. Am 17. Juli 1786 meldet sich der Zinngießergeselle, „aus Anclam gebürtig", vom dortigen Gewerk zur Erlangung des Meisterrechts in Berlin und wird hier am 27. September 1786 zum „Mitmeister declariret und angenommen". 23 Im Meisterbuch sind noch zwei weitere Meister der Anklamer Zinngießerfamilie vermerkt. Da ist zunächst Alexander Carl Siercks, der in Stettin als Geselle arbeitete und in Berlin gleichfalls noch im Jahre 1786 zum „Landmeister" angenommen wurde, demnach nicht in Berlin, sondern in Anklam bei seinem Vater tätig war, wo ihm denn auch „die gewöhnliche(n) Stücke als Landt Meister in des alt Meisters Werkstadt zu verfertigen angewiese(n) worden" waren. 24 Hier wird es sich um einen Bruder von Ernst Christoph handeln. Und am 17. April 1803 just in der Zeit, da der Zinnsarg des Prinzen Heinrich von Ernst Christoph Siercks fertiggestellt und in der Grabpyramide zu Rheinsberg aufgestellt wurde, ist dann „Johann George Siercks [...] ins Stück gesetzt" und am 18. Juni 1804 „zum Mitmeister auf und angenommen worden". 25 Johann George dürfte ein Sohn des Ernst Christoph Siercks gewesen sein. Es wird sich um den Zinngießer „Siercks" handeln, den das Berliner Adreßbuch von 1801 als Eigentümer des Hintergebäudes bzw. -hauses RosmarienGasse 5 zwischen Charlottenstraße und Friedrichstraße und noch im gleichen Jahr unter „Berichtigungen der Veränderungen von Eigentümern" als „Zercks, Zinngießer" in der Friedrichstraße 166 vermerkt. 26 Im Adreßbuch von 1812 tauchen bestätigend die Vornamen der beiden Berliner Zinngießer namens Siercks auf: „Siercks, E. C.", Unter den Linden 28, und „Siercks, J. G.", jetzt in der Friedrichstraße 94.27
Bei dem Meisterbuch der Berliner Zinngießer im Märkischen Museum ist zufälligerweise die Doppelseite mit dem Eintrag zu Ernst Christoph Siercks aufgeschlagen. Hier ist nämlich auch die Erlangung des Meisterrechts durch Johann Friedrich Michaut verzeichnet, dessen Vater Jeremie Michaut 1786 den Zinnsarg Friedrichs des Großen geschaffen hat. 28 Die Familie Michaut in der Straße An der Schleuse 13 ist also als Hofzinngießer die Vorgängerin der Familie Siercks. In der Stiftung Stadtmuseum ist sogar noch die zinnerne Meistertafel der Berliner Zinngießerinnung mit den eingeschlagenen Marken von 26 Meistern der Jahre 17551814 vorhanden. 29 Die Stadtmarke des Ernst Christoph Siercks zeigt den Bär mit den Initialen „E.C.S." und dem Jahr der Meisterwerdung „1786", die Meistermarke ein Pferd mit Fahne und dem Jahr „1786", die Marken seines Sohnes Johann George Siercks den Bär bzw. einen Palmwedel mit jeweils den Initialen „I.G.S." und dem Meisterjahr „1804". 30 Die 1999 vom Verfasser im Zusammenhang mit der Suche nach dem Zinngießer des Sarges Friedrichs des Großen aufgrund der Archivalien des Berliner Zinngießergewerks geäußerte Vermutung, Ernst Christoph Siercks sei der Meister des Prunksarges des Prinzen Heinrich gewesen 31, ist durch die Archivalien im Geheimen Staatsarchiv gesichert.
Nun kommt aber noch eine überraschende Entdeckung anläßlich der in den letzten Jahren von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg erfolgten Restaurierung der Grabpyramide und des Prunksarges des Prinzen Heinrich hinzu. Wie mir Harry Nehls nach einem Besuch der Werkstatt in Potsdam mitteilte, befindet sich am Fußende des Sarges, und zwar an der Schmalseite des Deckels, unter dem jetzt verlorenen, ursprünglich aufgeschraubten Basrelief die eingravierte, etwa 15 Zentimeter lange, zweizeilige Signatur des Zinngießers mit dem Herstellungsjahr: „E: C: Siercks / Fec: 1803." Bei den Resten des von Siercks fünf Jahre zuvor gefertigten Prunksarges König Friedrich Wilhelms II., des Neffen Friedrichs des Großen, in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms konnte ich hingegen soweit eine Untersuchung des Sarges möglich war und der Erhaltungszustand eine Aussage zuläßt keine Signatur oder Zinnmarken ausfindig machen. 32 Den Zinnsarg Friedrichs des Großen hat man 1991 anläßlich der Überführung von der Burg Hohenzollern in die Gruft auf der Terrasse von Schloß Sanssouci nicht auf mögliche Zinngießermarken überprüft, wie denn auch Hans-Joachim Giersbergs Buch „Die Ruhestätte Friedrichs des Großen zu Sanssouci" (Berlin 1991) diesbezüglich keine Archivstudien zugrunde liegen.33
Folgen wir nun der meines Erachtens besten zeitgenössischen Beschreibung des Prunksarges in den genannten „Berlinischen Nachrichten von Staatsund gelehrten Sachen" vom 29.März 1803 anhand der Zeichnungen in dem Gedenkblatt von 1902: Der Sarg aus englischem Zinn stellt „eine schöne Masse von antiker Form dar, die sehr fleißig gearbeitet ist, und auf deren sauberer Politur, die vergoldeten Zierrathen eine vortrefliche Wirkung thun. Der Sarg [...] ruht auf acht großen vergoldeten Löwenklauen. An dem Untertheil befindet sich in der Mitte, zu beiden Seiten, das preußische Wappen mit dem Adler und zwei wilden Männern als Schildhaltern; rechts und links neben dem Wappen [...] der Stern des großen schwarzen Adlerordens. Am Kopf-Ende sieht man, in Basrelief, das trauernde Vaterland als eine weibliche Figur sitzend, mit einer Tafel, auf welche sie die Thaten des Verewigten zum bleibenden Andenken für die Nachwelt schreibt; vor ihr das Bildniß des Prinzen in Medaillon an Armaturen gelehnt. Am Fuß-Ende ein ähnliches Basrelief den (geflügelten, Anm. des Verf.) trauernden Genius Preußens, welcher sich mit gesenkter Fackel an die Urne des Prinzen lehnt, neben ihm ein Adler mit herunterhängendem Kopf. Das Hauptgesims, oder der Rand des Untertheils, da wo der Deckel aufliegt, ist durch ein Bündel runder Stäbe, die mit Lorbeerblättern umwunden sind, geziert. Am Deckel befindet sich, in der Mitte, in einem ovalen Felde eine französische Inschrift, nemlich an der linken Seite: Ici repose le Prince Henri de Prusse, (hier ruhet der Prinz Heinrich von Preußen). An der entgegengesetzten rechten Seite: il est mort le 3. d' Août MDCCCII. (er starb am 3. August 1802). Neben diesen Inschriften bilden [...] zur Rechten und zur Linken, zwei große mit Ringen von Lorbeerkränzen versehene antike Löwenköpfe die Handgriffe. Am Kopf-Ende des Deckels sieht man die Leyer und die Trompete als Sinnbilder der Poesie; am Fuß-Ende, in gleicher Art die Attribute der Mathematik (der ,Kriegskunst und des Ingenieurwesens' 34, der Militärwissenschaft, Anm. des Verf.) Auf der Plattform des Deckels erhebt sich, auf einem Kissen ruhend, die Königliche Krone und vor dem Kissen, der Länge nach herabliegend, die Waffenrüstung eines deutschen Ritters, das Schwerdt, die Panzer-Handschuh, das Panier, der Schild und auf diesem letztern der mit Lorbeern umwundene Helm."35
Wie die „Königliche privilegirte Berlinische Zeitung" vom 26. März 1803 mitteilt, war für die beiden Kartuschen am Deckel „Anfangs von einem bekannten hiesigen Gelehrten folgende Inschrift entworfen" worden, die jedoch wegen des beschränkten Raums nicht ausgeführt werden konnte 36:
Prinz Heinrich
schlummert hier,
der zweite Held
des siebenjährigen Krieges, den Er
siegreich bei Freiberg
endigte.
Ihn nannte
Den tadellosen Feldherrn
Sein großer Bruder
In Ihm verehrte
das Vaterland
den tapfern Retter,
in Ihm ein feindliches Land
den weisen Menschenfreund.
Von den Musen geliebt,
Ruhte nach seinen Siegen der Held
im Schooße der Natur.
Von den Musen beweint
starb Er
den dritten August MDCCCII.
Das Bildprogramm des Sarges und die gedachten Grabschriften verweisen einerseits auf die militärischen Erfolge des Prinzen Heinrich in den Kriegen Friedrichs des Großen und andererseits auf seine musischen Interessen.
Die „Berlinischen Nachrichten" von 1803 informieren auch über den Bildhauer des Ornament-, Figuren- und Reliefschmucks: „Sämtliche Verzierungen sind, nach den Zeichnungen des Bildhauers Herrn Selvino", also nach dessen Entwurfszeichnung für den Sarg, „sehr sauber und geschmackvoll gearbeitet, nemlich gegossen, schön vergoldet und an den Sarg angeschraubt. Der Künstler ist mit dieser ihm zur Ehre gereichenden Arbeit sieben Monate lang beschäftigt gewesen." 37 Hier muß es sich um den in Berlin tätigen Bildhauer Johann Anton Selvino, den Sohn von Giovanni Battista (Johann) Selvino (Berlin 1744-1789), handeln, der laut Thieme-Becker als „‚Wachsbossirer u. kunstgewerbl. Modelleur' für Silberu. Bronzewerkstätten u. Sticker'" 38 arbeitete. Seine Tätigkeit für Zinngießer kann also noch hinzugefügt werden. Aus dem Künstlerlexikon erfahren wir zudem, daß er 1793 eine halblebensgroße Gipsstatue des Prinzen Ludwig (1773-1796), des Sohnes Friedrich Wilhelms II., ehemals Hohenzollern-Museum Schloß Monbijou, schuf und 1800 auf Empfehlung Johann Gottfried Schadows aufgrund einer Reiterstatuette König Friedrich Wilhelms III. (Gips) Mitglied der Berliner Akademie wurde.39
Nun ist in der Plansammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg im Neuen Palais Potsdam noch die originale Entwurfszeichnung (Radierung) des Sarkophags erhalten. 40 Sie ist mit „J. A. Selvino del.: / J. F. Hennig fc:" bezeichnet. Der Kupferstecher, der nach den von Brendicke zitierten „Berlinischen Nächten" von 1804 „illuminirte Abdrücke" von den Zeichnungen Selvinos verkaufte, heißt also nicht Henning, sondern Hennig. Seine Vornamen und Werke vermerkt Thieme-Becker: Johann Friedrich Hennig, „Landschaftsmaler und Kupferstecher in Berlin, geb. um 1778", von dem etwa in den Berliner Akademieausstellungen von 1802 und 1806 „6 Gegenden nach der Natur, in Kupfer gestochen und mit Deckfarben übergemalt (Ansicht der Residenz Berlin, die Dörfer Stralau, Rixdorf, Britz, Tempelhof und Schöneberg)" bzw. „zwei gemalte Ansichten (Schloß und Belvedere in Charlottenburg)" gezeigt wurden.41
Ein besonderes Dokument zu dem Bildhauer, den Zinngießer Siercks „Silvinow" schreibt 42, ist sein „Ganz gehorsamstes Pro Memoria" übertitelter Brief an Prinz Ferdinand vom 17.April 1803, in dem er um Bezahlung seiner Arbeit für den Sarg bittet: „Euer Königlichen Hoheit wird es nicht unbekannt seyn, daß ich als Zeichner und Modelleur mit dem von Herrn Syriks gegoßenen Monumente am meisten beschäftigt gewesen bin, und das Publikum meinem Fleiße alle Gerechtigkeit hat wiederfahren laßen. Da ich aber über diese Arbeit einen Zeitaufwand von mehrern Monaten gehabt, und andre Gewerbe und Kundschaften dabei vernachläßiget habe, so muß es mir jetzt sehr schwer fallen, daß ich mich mit der Bezahlung meiner, von dem Herrn Schloßbaumeister schon restidirten Rechnung hingehalten, und dadurch in große Verlegenheit gesetzt sehe. Euer Königl Hoheit wurden es demnach einem Künstler, der zur Zufriedenheit aller Sachverständigen gearbeitet, und in diesen theuren Zeiten eine Familie zu ernähren hat, nicht verargen, wenn er um die verdiente Bezahlung hiemit ganz gehorsamst bittet, und sich in dieser Hoffnung mit tiefem Respect zu Füßen legt". 43 Daß Zinngießer für ihre Arbeiten an den Särgen außer Bildhauern auch Handwerker wie Tischler, Schlosser, Ziseleure, Graveure und Vergolder heranziehen mußten, zeigen die im Falle des Sarges des Prinzen Heinrich erhaltenen Abrechnungen.44
In dem eingangs genannten Brief von Brancon und Steinert an den Direktor der Dömänenkammer vom 12. April 1803 erfahren wir Näheres zum Eintreffen und zur Aufstellung des Prunksarges durch Siercks in Rheinsberg: „[...] das Zinnerne Sarg, welches S e Königliche Hoheit der Printz Ferdinand von Preußen, zur beßern und sicheren Aufbewahrung des entseelten Körpers des Printzen Heinrich von Preußen, in Berlin bey dem Zinngießer Siercks haben anfertigen lassen, ist hier in dem Königlichen Printzlichen Schloß, in dem so genannten Billard Saal richtig abgeliefert und zusammen gesetzet worden [.. .], so wurde solches unter der Leitung des Siercks den 11 ten [des] Aprils in das Tombeau gebracht, nach der geschehenen Einsetzung aber, der Deckel gehörig befestiget und vergossen, und an Ort und Stelle vorschriftsmäßig aufgestellt, so bald solches geschehen, wurde alles noch einmal genau nachgesehen, und da nichts daran Schaden genommen, so wird dem Zinngießer Meister Siercks die richtige Ablieferung hierdurch pflichtmäßig attestieret."45
Aber auch Siercks hatte, wie aus der Akte hervorgeht, mit der Bezahlung des Sarges Schwierigkeiten. Dies betraf Gewicht und Preis des Zinns. Seine Rechnung an Stubenrauch, den Direktor der Domänenkammer, datiert vom 30. März 1803: „Die Hochwohlgebohren Bestell gemäß ermangle ich nicht die Rechnung des Sarges für den höchstseeligen Prinzen Heinrich Königl Hoheit ganz gehorsahmst zu überreichen; hielte mich nicht die gefährliche Krankheit meiner Frau ab, so würde ich nicht ermangeln sie personnlich zu überbringen [...]." 46 Auch aus der Rechnungsrevision durch den königlichen Assessor und Schloßbaumeister Bock im Auftrag des Kammerdirektors vom 7. Mai 1803 gehen Gesamtund Einzelkosten hervor. Mit 4200 machen „Zinn und Arbeitslohn" den weitaus größten Teil der Gesamtsumme von 5659 Reichstalern aus. Die Arbeit der Schlosser, Tischler, Ziseleure und Graveure wird mit 600, die der Vergolder mit 406 und die „Bildhauerarbeit" mit 453 Reichstalern in Rechnung gestellt. 47 Am 9. Mai schreibt Stubenrauch, daß er Siercks „bereits ausführlich gemerkt daß ich lediglich auf den Accord, welchen der Herr [Hofmarschall Valentin] von Massow mit ihm über den Sarg des Königs Friedrich Wilhelm II geschloßen hatte, einig geworden bin" 48. Am 23. Mai 1803 wendet sich Siercks nochmals an den Kammerdirektor: „Es thut mir sehr leidt das man mir beurtheilt als machte ich unbillige Forderungen[;] verdienen muß ein jeder Arbeiter, ich will nicht sagen ich habe als Künstler gearbeitet, sondern ich habe viel, fleißig, u[nd] gut gearbeitet[;] es ist nicht allein hier in Berlin bekandt[, sondern] auch ins Auslandt mit Lob erwähnt worden, ich bitte nur erwägen Sie, der Zin[n] Gießer Michau an der Schleußen Brücke hat das Sarg für Fridrich den 2ten gemacht gantz glatt ohne alle Verzierungen nicht mal eine Leiste [...] u[nd] in zehn Tagen fertig [...], ich versichere u[nd] betheure Sie nochmal das wenn Sie mir nicht zu legen vor mir nichts übrig bleibt [...], ein jeder Mensch hat seine Feinde u[nd] dieses glaube ich ist der Fall das man mir bey Sie verläumbdet hat [...]."49
Die Angelegenheit endete schließlich mit einem Vergleich. 50 Die von Ernst Christoph Siercks unterschriebenene „Verrechnung und Vergleich mit dem Zinngießer Meister Siercks, über den für Seiner Königl: Hoheit den Höchstseeligen Prinzen Heinrich angefertigten zinnernen Sarg" 51 vom 28. Mai 1803 beginnt mit den Worten: „Da der Zinngießer Meister Siercks übernommen gehabt hat, für Seine Königliche Hoheit, den Höchstseeligen Prinzen Heinrich einen zinnernen Sarg in gleicher Maaße, wie den für den Höchstseeligen König Friedrich Wilhelm den 2 ten Majestät anzufertigen, bey der Ablieferung desselben aber sowohl über das Gewicht, als den Preis des Zinnes, verschiedene Irrungen entstanden sind; so sind diese endlich nach verschiedenen Unterhandlungen folgendermaßen verglichen worden." 52 Aus dem Vergleich geht auch hervor, daß der Zinnsarg „nach den Wagezetteln" 2740 Pfund, das sind 27 Zentner und 40 Pfund, wog. 53 Selbst der originale Schein der „E. Hoch=Edlen Rathswaage" vom 2. April 1803, auf dem das Gewicht des Sarges verzeichnet ist, liegt der Akte bei. 54 Der 1786 vom Hofzinngießermeister Jeremie Michaut an der Schleusenbrücke in Berlin gefertigte Zinnsarg Friedrichs des Großen wog hingegen nur ein Sechstel, nämlich „4 Zentner 51 Pfund" 55.
Dieser einfache, schmucklose Sarg war denn auch ursprünglich nur als Innensarg gedacht und sollte noch von einem Sarg aus Marmor aufgenommen werden, zu dem sich der König bereits den entsprechenden Block aus Carrara hatte kommen lassen.56
Mit dem Prunksarg des Prinzen Heinrich haben der Hofzinngießermeister Ernst Christoph Siercks und der Bildhauer Johann Anton Selvino 1802/03 einen der letzten Vertreter in der langen Reihe der Gattung zinnerner Prunksärge gefertigt. Die besondere kunsthistorische Bedeutung des Sarges liegt in seinem antiken Vorbildern und Stil verpflichteten Ornament-, Reliefund Figurenschmuck. Er scheint der bedeutendste Vertreter aus der Zeit des Klassizismus zu sein.
Anmerkungen
1 GStA PK, I. HA, Rep. 133, Nr. 210, Bl. 2.
2 Zitiert nach Seiler, Michael: Der Schloßpark in Rheinsberg. Amtlicher Führer Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Potsdam 1998, S. 32 (geändert: „Bösen" in „Schlechten").
3 Ebenda, S. 17 und 20.
4 GStA PK, I. HA, 2.2.1., Nr. 20735.
5 Brendicke, Hans: Die Feier des 100jährigen Todestages des Prinzen Heinrich von Preußen, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 8, 1902, S. 83-86, hier S. 85.
6 Ebenda, S. 85.
7 GStA PK, I. HA, 2.2.1., Nr. 20735.
8 Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Berlin 1862, S. 104 f. Vgl. auch ders.: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Große Brandenburger Ausgabe, hrsg. von Gotthard Erler. Teil I: Die Grafschaft Ruppin. hrsg. von Gotthard Erler und Rudolf Mingau, 2. Auflage, Berlin und Weimar 1994, S. 285 f.
9 Nehls, Harry: Hier irrte Theodor Fontane, in: Berlinische Monatsschrift 8, 1998, S. 69-72, hier S.72.
10 Ebenda, S. 72.
11 Zum Stammbaum Theodor Fontanes mit Berufsangaben vgl. Béringuier, Richard (Hrsg.): Die Stammbäume der Mitglieder der Französischen Colonie in Berlin, Berlin 1887, S. 12.
12 Brendicke 1902 (wie Anm. 5), S. 85.
13 Ebenda, S. 86 f.
14 Ebenda, S. 85.
15 GStA PK, I. HA, Rep. 133, Nr. 210, Bl. 49.
16 Ebenda, Bl. 51.
17 Ebenda, Bl. 39.
18 Ebenda, Bl. 48.
19 Ebenda, Bl. 74.
20 Ebenda, Bl. 99 f.
21 Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin, Haus 2, Potsdamer Straße: Berliner Adreßbuch (Mikrofiches), 1801, Straßenverzeichnis, S. 116, Register der Eigentümer, S. 284.
22 Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1908, S. 99, Abb. Vgl. auch: Lange, Heinrich: Der Prunksarg König Friedrich Wilhelms II. „Mahnmal gegen Krieg" oder Wiederherstellung?, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 2, 2001, S. 194-204, hier 202 f., Abb. 7.
23 Stiftung Stadtmuseum Berlin, „Meister Buch", Inv.-Nr. IV 83/789 Qa, S. 58 (b) und 59.
24 Ebenda, S. 59 (b).
25 Ebenda, S. 63 (b).
26 Staatsbibliothek Berlin (wie Anm. 21), Berliner Adreßbuch 1801, Straßenverzeichnis, S. 161, Register der Eigentümer, S. 284, Berichtigungen, S. 6. 27 Ebenda, Berliner Adreßbuch 1812, Hauseigner, S. 142, Gewerbe, S. 154, Namensregister, S. 601.
28 Zum Sarg Friedrichs des Großen vgl. Lange, Heinrich: Auf der Suche nach dem Zinngießer, der den Sarg Friedrichs des Großen schuf, in: Jahrbuch Stiftung Stadtmuseum Berlin 1997, Berlin 1999, S. 161-174, Abb. 55-62.
29 Stiftung Stadtmuseum Berlin, Meistertafel, Inv.-Nr. II 62/1709 E. Vgl. Lange 1999 (wie Anm. 28), S. 172 f., Abb. 62.
30 Meistertafel (wie Anm. 29), 3. Reihe, 3. Spalte und 6. Reihe, 2. Spalte. Zu den Marken des Ernst Christoph Siercks vgl. auch Lange 2001 (wie Anm. 22), S. 203 f., Abb. 8.
31 Lange 1999 (wie Anm. 28), S. 172.
32 Zum Sarg Friedrich Wilhelms II. vgl. Lange 2001 (wie Anm. 22), S. 194-204.
33 Archivstudien waren damals nicht möglich, weil das Buch aufgrund der Beisetzung Friedrichs des Großen in Sanssouci sehr schnell erscheinen mußte.
34 Brendicke 1902 (wie Anm. 5), S. 86.
35 GStA PK, I. HA, Rep. 133, Nr. 210, Bl. 51.
36 Ebenda, S. 50.
37 Ebenda, S. 51.
38 Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Hrsg. von Hans Vollmer, Bd. 30, Leipzig 1936, S. 484.
39 Ebenda.
40 Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Potsdam, Plansammlung, Nr. 9302.
41 Allgemeines Lexikon (wie Anm. 38), Bd. 16, Leipzig 1923, S. 403.
42 GStA PK, I. HA, Rep. 133, Nr. 210, Bl. 129.
43 Ebenda, Bl. 79.
44 Ebenda, Bl. 24, 87 und 108 ff.
45 Ebenda, Bl. 74.
46 Ebenda, Bl. 48.
47 Ebenda, Bl. 87 f., hier Bl. 87.
48 Ebenda, Bl. 90.
49 Ebenda, Bl. 103.
50 Ebenda, Bl. 123 ff.
51 Ebenda, Bl. 123 (Rs).
52 Ebenda, Bl. 123 (Vs).
53 Ebenda, Bl. 123 (Vs).
54 Ebenda, Bl. 127.
55 Laske, Friedrich: Die Trauerfeierlichkeiten für Friedrich den Großen, Berlin 1912, S. 42, Anm. 17.
56 Giersberg, Hans-Joachim: Die Ruhestätte Friedrichs des Großen zu Sanssouci, Berlin 1991, S. 49 mit Anm. 66.
Anschrift des Verfassers: Dr. Heinrich Lange, Crellestr. 21, 10827 Berlin
(Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, 98. Jahrgang, Heft 3, Juli 2002, S. 379-388)
Veranstaltungstermine
Buchvorstellung12. Dezember 2024, 19:00 Uhr
Fragiles Erbe. Schutz und Erhaltung im Anthropozän
13. Dezember 2024, 18:00 Uhr
Adventsfeier des Vereins für die Geschichte Berlins e.V., gegr. 1865