Andreas Schlüter
13. Juli 1659 Danzig - 19. Mai 1714 St. Petersburg
Grabstätte: nicht mehr vorhanden
Tätigkeit: Bildhauer, Architekt
Lebens- und Wirkungsorte: Danzig, Warschau, Berlin, Potsdam, St. Petersburg
Gedenkorte in Berlin: Dom, Zeughaus, Schloss Charlottenburg, Nikolaikirche, Gemäldegalerie SM PK
Gedenkorte außerhalb Berlins: St. Petersburg
Lebenslauf und Werk*
Das Schicksal Schlüters ist bemerkenswert.
Er zählt in der europäischen Kunstgeschichte zu den Hauptmeistern barocker Skulptur und Architektur. Doch sein Werk besitzt keinerlei Popularität. Es ist fast vergessen, weil wenig davon blieb. Die Stätten seines Wirkens, Danzig, Warschau, Berlin, Potsdam und St. Petersburg, bewahren nur geringe Reste. Über seinen Lebensweg, sein privates Leben müssen uns die seltenen Nachrichten genügen.
Andreas Schlüter wurde am 13. Juli 1659 Danzig als Sohn des Bildhauers Wilhelm Schlüter und dessen Frau Regina geboren. Er starb am 19. Mai 1714 in St. Petersburg. Sein Grab existiert nicht mehr. Er erhielt seine Ausbildung in Danzig bei dem Bildhauer Sapovius und heiratete zwischen 1682 und 1685 Anna Elisabeth Spangenberg. Aus der Ehe gingen drei Söhne und zwei Töchter hervor. Weitere Nachrichten gibt es aus der Danziger Zeit kaum.
Die ersten nachweisbaren Werke Schlüters fanden sich in Warschau. Dort war er seit 1681 unter Tilman van Gameren als Bildhauer an der Ausstattung der Sommerresidenz des polnischen Königs Johann III. Sobieski in Wilanow und des Palais' Krasinski tätig.
Johann Sobieski, der seinen Ruhm als Feldherr 1683 durch die Entsetzung Wiens von den Türken begründet hatte, war in vielfacher Hinsicht das Vorbild eines barocken Herrschers für den Kurfürsten Friedrich. Warschau zählte zu den glanzvollen Residenzen in Europa.
Schlüter als Hofbildhauer Friedrichs IIIgeschichteberlins/persoenlichkeiten/persoenlichkeitenot/I.
1694 wurde Schlüter zum Hofbildhauer Friedrichs IIIgeschichteberlins/persoenlichkeiten/persoenlichkeitenot/I. berufen.
Vermutlich gleich nach seiner Ankunft in Berlin erhielt er am 25. Juli 1694 ein Lehramt an der künftigen Akademie der Künste. Er war beratend an der Gründung der Akademie der bildenden Künste und mechanischen Wissenschaften beteiligt und seit 1699 einer ihrer Rektoren.
Über die Akademiezeit Schlüters schrieben Abraham Humbert und Joachim Martin Falbe in ihren 1768 in Leipzig erschienenen "Nachrichten von verschiedenen Künstlern, welche von der Zeit Friedrich Wilhelms des Großen [des Großen Kurfürsten] und denen ihm folgenden Königen, in Berlin gelebt und gearbeitet haben, theils noch leben":
"So wie nun Schlüter voll von Erfindungen, und dabey sehr dienstfertig war: so half er auch gerne allen Künstlern mit seinen Zeichnungen, es mochte zum Tapetenwirken oder zu Stühlen, oder zur Goldtschmiedt- oder Tischler- oder ausgelegter Arbeit seyn; und dadurch brachte er diese Stadt sehr in Aufnehmen, wie denn auch sogar die Carossen eine bessere Gestalt und Form durch ihn erlangten, so daß sie von vielen Auswärtigen gesucht wurden."
1695 schickte ihn Kurfürst Friedrich III.(I.) nach Frankreich und die Niederlande, 1696 nach Italien, um Abgüsse für die Akademie zu erwerben.
Im April 1700 kaufte Schlüter ein Wohnhaus in der Neumannsgasse, die von der Breiten Straße bis zur Brüderstraße führt, das er bis 1712 bewohnte.
In dieser Zeit baute er ein Gartenhaus für den Hausvogt Lonicer vor dem Köpenicker Tor, das er selbst erwarb und 1712/13 bewohnte. Den Hof nannte Karl Friedrich Schinkel ein Meisterwerk, "unseres nicht hoch genug zu schätzenden Schlüters, auf den das nördliche Deutschland stolzer sein kann als Italien auf den Michel Angelo".
In wechselnden Positionen für den Kurfürsten tätig war Schlüter auch verantwortlich für die Schlösser Bornim, Caputh, Glienicke und Fahrland, die für Friedrich IIIgeschichteberlins/persoenlichkeiten/persoenlichkeitenot/I. entstanden. Neben seiner jeweiligen Hauptarbeit hatte er in dieser Zeit Gutachten abzugeben, erhielt zusätzlich 5000 Taler und stand bald auf der Höhe seines Schaffens als Architekt und Bildhauer.
Vor der Ankunft Andreas Schlüters in Berlin hatte es natürlich zahlreiche Bildhauer in den Residenzen des brandenburgischen Kurfürsten gegeben, aber auch sie zählen nicht zu den populären Künstlern und sind in der Regel nur Fachleuten vertraut.
Dabei war der Regierungswechsel von Kurfürst Friedrich Wilhelm zu seinem Sohn Friedrich IIIgeschichteberlins/persoenlichkeiten/persoenlichkeitenot/I. kein Bruch, in keiner Hinsicht. In den letzten Lebensjahren des Großen Kurfürsten war die höfischen Pracht in Berlin und Potsdam erheblich gesteigert worden. Friedrich Wilhelm wollte die Größe seines Staates auch im Aufwand des Hofes spiegeln. Als etwa der Besuch Wilhelms III. von Oranien 1680 in Berlin erwartet wurde, wurde die gesamte Dienerschaft neu eingekleidet mit gold- und silberbesetzten Uniformen. Gesandtschaften aus aller Welt wurden festlich bewirtet und beschenkt: darunter Russen und Tataren.
Schlüters bildhauerisches Werk
Die ersten Arbeiten, die Schlüter als brandenburgischer Hofbildhauer vollbrachte, entstanden 1694 im Großen Saal des Potsdamer Stadtschlosses. Hier wurde er zum Leiter des Innenausbaus ernannt. Viel von den schlüterschen Dekorationen ging bei dem Umbau des Schlosses unter Friedrich II. verloren.
Seit 1696 war Schlüter als Bildhauer am Zeughaus tätig, dem ersten "modernen" Bau in Berlin seiner Zeit. Ein derartiges Gebäude hatte schon Kurfürst Friedrich Wilhelm geplant, um seinen Waffenruhm zu demonstrieren. Es wurde nach dem Vorbild des französischen Barock von Johann Arnold Nering begonnen und von - von Jean de Bodt beendet. 1698-99 hatte Schlüter die Bauleitung inne. Für den Innenhof schuf er die Bildnisse sterbender Krieger, die er 1698 vollendete.
Das Standbild Friedrichs III. (I.) schuf Schlüter 1697. Die kleine und zierliche Figur des Fürsten sollte inmitten der sterbenden Krieger im Innenhof des Zeughauses als Sieger imponieren. Schlüter stellte ihn ohne Schmeichelei und Verzerrung in selbstbewusster Haltung dar. Den Sockel fügte Johann Gottfried Schadow 1802 hinzu. Eine Kopie des Denkmals befindet sich heute vor dem Neuen Flügel des Schlosses Charlottenburg.
In der Nikolaikirche hat sich das Grabmal des Berliner Hofgoldschmiedes Männlich und seiner Familie, das Schlüter 1700 schuf, erhalten. Es war ein privater Auftrag. Wahrscheinlich waren beide Künstler miteinander befreundet, denn im Umkreis Schlüters waren viele Goldschmiede, denen er auch Modellentwürfe lieferte. Wie Hubert versichert, soll er in dieser Hinsicht sehr großzügig gewesen sein.
Eindrücklich vermittelt der Bildhauer das Ereignis, das dem Bau des Grabmals voran ging: Der Tod reißt ein fliehendes Kind an sich. Wie im mittelalterlichen Totentanz wird hier die Herrschaft des Todes verdeutlicht. Der Sohn starb den Eltern als Kind. Das Bildnismedaillon des Ehepaares Männlich, das ebenfalls hier bestattet wurde, ging verloren.
Seit 1696 befasste sich Schlüter mit dem Auftrag, ein Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, zu schaffen. 1703 wurde das Werk auf der Langen Brücke (Rathausbrücke) aufgestellt. Die Sockelfiguren folgten erst 1708. Der Erzgießer Johann Jacobi war der wichtigste Mann bei diesem Unternehmen.
Erst in der Renaissance war die römische Tradition der Reiterstandbilder wiederbelebt worden. Die Arbeit von Andreas Schlüter und Johann Jacobi, für die eigens das Gießhaus beim Zeughaus neu errichtet wurde, blieb bis zur Errichtung des Reiterstandbildes Friedrichs II. von Rauch Unter den Linden das einzige in Brandenburg-Preußen.
1701/03 schuf Schlüter eine neue Kanzel für die Marienkirche zu Berlin. Sie steht heute am falschen Platz. Ursprünglich befand sie sich fast in der Mitte des Mittelschiffs, am zweiten Pfeiler der Nordreihe. Als Auftrag einer Berliner Bürgerin wurde sie am 4. Juni 1703 eingeweiht. Schlüter hatte das Werk teilweise mitfinanziert. Die alte Kanzel der Kirche wurde nach Belzig gegeben.
Die dekorative Fülle verdeckt die konstruktive Kühnheit: vier Säulen der Kanzel ersetzen den unteren Teil des Schiffspfeilers. Der Kanzelkorb wurde mit Alabaster verkleidet und ursprünglich nach Süden gerichtet. Dem barocken Illuisionismus entspricht es, dass die Engel den Korb zu tragen scheinen.
Man hat die Kanzel der Marienkirche mit einem Werk des römischen Bildhauers Bernini verglichen, der Cathedra in St. Peter. Aber die Berliner Kanzel ist inhaltlich trotz ihrer überschwenglichen Formen ganz und gar lutherisch. Die Reliefs am Kanzelkorb zeigen unter anderem Johannes den Täufer bei der Predigt! Er erscheint den realen Zuhörern der zeitgenössischen Prediger als Dankender - für ihr Zuhören.
Zu den bekannteren Werken Andreas Schlüters zählen die Prunksarkophage des ersten Königspaares aus vergoldetem Zinn.
1705 starb die Königin Sophie Charlotte und ihr Gemahl Friedrich I. bestellte ihren Sarkophag bei Schlüter. Er entstand zwischen dem 1. Februar und 25. Mai 1705. Schlüter entwarf zwei weibliche Gestalten, die das Bildnis der Königin berühren. Die linke Gestalt gleitet wie im Schlaf fast am Sarkophag herab. Ein hannoversches Pferd und ein preußischer Adler tragen den Sarg an den Seiten. Weitere Details spielen an auf Wissenschaften, Künste und Tugenden, auf Unsterblichkeit und Vergänglichkeit. Die großartigste Figur, der Tod, trägt Sophie Charlottes Namen in das Buch der Ewigkeit ein. So ist die ikonographische Einheit von Unsterblichkeit und Vergänglichkeit vollkommen wiedergegeben.
1708 entwarf Schlüter den Sarkophag für den 1708 verstorbenen Prinzen Ludwig. Der Knabe, erstgeborener Sohn Friedrich Wilhelms I. und Sophie Dorotheas, erhebt sich von seinem Lager, die eine Hand erhoben, in der er das Kreuz hält. Totenköpfe an den Tragegriffen mahnen an die irdische Vergänglichkeit. Diese Lebensnähe in der künstlerischen Gestaltung wurde erst Genrationen später von Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch wieder erreicht.
Der Sarkophag König Friedrichs I. gilt als Schlüters letztes Werk in Berlin. Er wurde 1713 vollendet. Wie am Sarkophag des Vaters werden hier wichtige historische Ereignisse dokumentiert. Weibliche Figuren symbolisieren Brandenburg und Preußen: Sie halten das Bildnis des Königs. Am Fuß des Sarkophages sitzt die Trauer mit einem Kinde. Sie soll die Zuschauer daran erinnern, dass selbst die großen Monarchen dem Tod unterworfen sind.
Das bildhauerische Schaffen des Andreas Schlüter brachte den katholisch geprägten, italienischen Hochbarock in das protestantische Berlin. Aus dem Wirken Schlüters hätte sich eine ganze "Schule" entwickeln können, wie die Arbeiten seines Schülers Johann Georg Glume und seiner Söhne zeigt. Doch der Sohn des ersten Königs in Preußen, Friedrich Wilhelm I., hatte keinen Sinn für das barocke Pathos - auch schlüterscher Prägung - und unterbrach die künstlerische Entwicklung seines Landes. Schlüter wurde 1713 entlassen.
Andreas Schlüter als Architekt
Mit Schlüter wurde erstmals ein bildender Künstler zur architektonischen Ausgestaltung der Berliner Residenz eingesetzt. 1698 hatte er die Nachfolge von Martin Grünberg als Bauleiter des Zeughauses übernommen. Durch schlechte Bauausführung und mangelnde Aufsicht stürzten am 5. August 1699 die Gewölbe ein, und die Bauleitung ging an Jean de Bodt.
Aufgrund eines Modells übertrug ihm Friedrich IIIgeschichteberlins/persoenlichkeiten/persoenlichkeitenot/I. 1699 die Leitung zu Umbau- und Erweiterungsarbeiten des Berliner Schlosses. Am 2. November 1699 erhielt Schlüter seine Ernennung zum Schlossbaudirektor und am 11. Dezember 1700 den Auftrag, die neue Innengestaltung dafür zu entwerfen.
Ausgehend von der klassischen Strömung des römischen Hochbarock setzte sich mit Andreas Schlüter diese Richtung der Architektur in Brandenburg gegen die niederländische Bauweise durch.
Wie am Königsschloss Versailles verfolgt die Architektur des Berliner Schlosses architektonisch die strenge, eben klassische Variante des Barock. Aber Schlüter bereichert die Fassade mit Skulpturen und behält dennoch Tektonik bei. Die Kolossalordnung wird zu dynamischer Wirkung gebracht.
Natürlich konnte Schlüter die große Aufgabe nicht allein lösen. Er rief seinen Danziger Lehrer Sapovius und andere Danziger Meister zum Schlossbau nach Berlin. Bis zur Krönung Friedrichs III. (I.) 1701 baute Schlüter die neue Fassade am Schlossplatz mit dem monumentalem Portal, beseitigte Nerings Kaufbuden, baute das Treppenhaus auf der Spreeseite, die Hofgalerien und den Schweizer Saal.
Der neue König konnte in seine Residenz einziehen!
Edwin Redslob nannte das große Treppenhaus des Schlosses 1954 "durch die Dramatik seiner Skulpturen (...) das gewaltigste Treppenhaus des deutschen Barocks." Die Gestaltungsweise des Bildhauers ergibt von jedem Blickpunkt einen neuen Eindruck durch wechselnde perspektivische Überschneidungen, sowohl innen wie außen.
Paul Jacob Marperger schreibt in seiner "Historie und Leben der berühmtesten Europäischen Baumeister", die 1711 in Hamburg erschien über das Haupttreppenhaus, es sei nach den vornehmsten Regeln der Architektur dermaßen künstlich, dass jedermann es bewundert wie sonst so leicht keinen Palast.
In den Prachträumen konnte Schlüter aus dem Vollen schöpfen. Als barocker Künstler hatte er immer das Ganze im Blick. Ein Farbklang in Weiß und Gold, Relief und vollplastische Figuren im umlaufenden Gebälk, dazu die Malereien der Brüder Terwesten, Gericke und anderer sowie mächtige Allegorien auf die vier Erdteile auf den Türbögen, so gestaltete Der Bildhauer und Architekt den Thronsaal des Königs.
Man hat Schlüter auch als "Michelangelo des Nordens" bezeichnet. Sicher hat er das Werk seines Kollegen aus der Spätrenaissance gekannt und auch Anleihen bei ihm gemacht.
Bilder des Berliner Schlosses, innen und außen, bietet in eindringlicher Art der Film "Andreas Schlüter", mit Heinrich George in der Hauptrolle, den die Urania Berlin immer wieder in ihr Programm aufnimmt.
Johann Friedrich Fechhelm malte um 1785 eine Ansicht der Langen Brücke mit der alten Post, die zugleich einen Blick auf ein weiteres Werk Schlüters zeigt: Das 1702-04 erbaute Palais Wartenberg, an der Burg- Ecke Königstraße, das später, mit dem Nachbarhaus vereinigt, bis 1815 für die Verwaltung des Generalpostamtes genutzt und deshalb deshalb "Alte Post" genannt wurde. Es wurde 1889 abgerissen.
Fast ein Drama ist die Geschichte eines weiteren Baus, mit dem der König Schlüter beauftragte: der Münzturm. Mehrere Entwürfe haben sich erhalten, der Bau nicht. Als Wahrzeichen der königlichen Residenz sollte er 95 Meter hoch in den Himmel ragen.
Zugunsten einer leichteren Erscheinung änderte Schlüter die Entwürfe Nerings, teilte den Bau in drei Geschosse und löste die Turmgeschosse fast vollständig in Säulen auf. Die offenen Glockengeschosse, die auch in den Niederlanden bekannt waren, wurden zu einer Berliner Tradition, bis hin zum neuen Turmaufsatz der Marienkirche Ende des 18. Jahrhunderts.
1702 begannen die Arbeiten, doch schon 1704 stellte man Risse im Mauerwerk fest. Schlüter ergriff Gegenmaßnahmen, ließ den Schaft ummanteln, die Proportionen ändern, seitliche Stützen anbringen und schließlich die Spitze in eine Säulenrotunde auflösen, damit sich der Schwerpunkt verlagerte und eine harmonischere Wirkung erzielt würde.
Doch wurde 1706 ein Überhang von 70 Zentimetern festgestellt. Die Stabilisierungsversuche blieben erfolglos. Noch in der Nacht zum 25. Juni ließ er die oberen Teile des Turmes abbrechen, ohne die königliche Entscheidung abzuwarten. Er wollte dem Einsturz zuvorkommen. Friedrich I. setzte einen Untersuchungsausschuss ein, der Schlüter Versagen in der Statik vorwarf.
Paul Jacob Marperger urteilte in seiner "Historie und Leben der berühmtesten Europäischen Baumeister", Hamburg 1711, objektiv: Der ausgeführte Entwurf wäre eines von den schönsten Kunststücken der Welt geworden, aber ein ausreichendes Fundament "an diesem bodenlosen und incorrigiblen Ort" hätte immense Kosten verursacht.
Ab 1708 wurde Schlüter nicht mehr als Angehöriger des Hofbauamtes geführt.
Sein hohes Ansehen und die Toleranz Friedrichs I. bewahrten ihn vor Repressalien und Ausweisung. Aufträge vom Hof erhielt er nicht mehr, aber sein Gehalt wurde ihm weiter bezahlt.
Er rechnete nicht mehr mit einem langem Aufenthalt in Berlin und verhandelte mit dem Hausvogt Lonicer über die Rückgabe des Gartens, die nicht zustande kam. 1712 zog er von seiner Stadtwohnung in das Gartenhaus.
Als 1708 auch am Berliner Schloß Bauschäden auftraten, schrieb Friedrich I. an seine Schwiegermutter Sophie von Hannover: "Dass mein Capel wieder abgebrochen wird, solches muss geschehen, weil die balken verfaulet seindt, und hat solches gemacht der Schlüter, der schelm, der den turm so verdorben gebauet."
Schlüter bekam private Aufträge.
1707 wünschte zum Beispiel Alexander zu Dohna-Schlobitten, der Erzieher des Kronprinzen, Entwürfe für Deckendekorationen zum Schloß Schlobitten in Preußen.
1708 entschuldigte sich Schlüter mit Krankheit. Es ist unbekannt, ob er dem Grafen Entwürfe sandte. Die Ausführung jedenfalls erfolgte nach Zeichnungen von Johann Caspar Hindersin.
1711/12 baute Schlüter für den Geheimen Rat und Staatsminister Ernst Bogislav von Kameke ein Landhaus in der Dorotheenstraße 21, das Haus Kameke, dessen Grundstück sich bis an das Ufer der Spree erstreckte. Anregungen entnahm Schlüter vielleicht österreichischen Landhäusern, in der Konzeption war das Gebäude einmalig. Zwischen zwei strengen Flügeln schwingt der zentrale Baukörper in der Fassade vor und zurück, wie es an Fassaden von Francesco Borromini in Rom zu sehen ist. Das später mehrfach erweiterte Haus wurde 1943 zerstört.
Das Ende in St. Petersburg
1713 entließ der neue König Friedrich Wilhelm I. Andreas Schlüter aus dem Hofdienst. Vergeblich bemühte er sich um eine Anstellung in Kassel.
Im Juli 1713 wurde er als Architekt, Bildhauer und Lehrer an die Akademie nach St. Petersburg berufen. Der Zar zeigt großes Interesse an ihm und gab ihm eine Fülle von Aufträgen. Die Ausführung der Bauten erlebte Schlüter wohl nicht mehr, vielleicht noch den des Parks von Oranienbaum. Das Corps de logis des Großen Palais und die Orangerie in Peterhof, die er für den Zaren entwarf, und wenig anderes sind noch erhalten.
Als Schlüter in Petersburg ankam, war seine Gesundheit ruiniert. Ende Mai 1714 starb er. Der genaue Todestag ist unsicher. Ein Gesuch der Witwe um Pension zur Versorgung der Kinder wurde sowohl von Friedrich Wilhelm I. als auch von Zar und Zarin abgelehnt.
In Berlin setzte die zwanzigjährige Tätigkeit Andreas Schlüters Maßstäbe. Auch in St. Petersburg war seine Arbeit in kurzer Zeit von stilbildender Wirkung. Aber nach seinem Tod geriet er in Berlin schnell in Vergessenheit.
Der Berliner Maler Christian Bernhard Rode radierte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als Schlüter fast vergessen war, eine ganze Folge Blätter nach den Bildnissen der Krieger im Hof des Zeughauses. Die Varietät der Physiognomie faszinierte ihn.
Sein Freund Friedrich Nicolai würdigt Schlüter 1786 ausführlicher als jeden anderen Künstler, hebt sein Genie hervor und betont die Schwierigkeiten des Hofkünstlers mit den wechselhaften Wünschen des Königs und die Fülle der Aufträge.
In die europäische Kunstgeschichte ging Andreas Schlüter als Doppelbegabung, als Bildhauer und Architekt ein. Dabei sind die baukonstruktiven Mängel unumstritten, aber ebenso seine überdurchschnittliche schöpferische Begabung. Am Berliner Schloss bewies er trotz mancher Mängel überragende technische Leistungen.
Die Berliner Bildhauerschule schließlich entdeckte Schlüter für ihr Metier wieder, als es darum ging, Friedrich II. ein Denkmal zu setzen. Der Bildhauer August Kiss stellte zu diesem Zweck ein Modell des Schlüterschen Reiterdenkmals her. An diesem Werk orientierte sich noch Gustav Blaeser, als er das Reiterdenkmal Friedrich Wilhelms IV. an der Kölner Rheinbrücke entwarf.
Das erste dynastische Denkmal nach Schlüters Reiterdenkmal in Brandenburg war das Standbild Friedrich Wilhelms III. im Tiergarten von Johann Friedrich Drake, 1849 enthüllt.
Literatur:
Heinz Ladendorf: Andreas Schlüter. Baumeister und Bildhauer des preussischen Barock, neu hg. von Helmut Börsch-Supan, Leipzig: E. A. Seemann Verlag 1997. -
Rezension von Gerhild H. M. Komander, in: MVGB 95, 1999, 4, S. 590.
Isolde Dautel: Andreas Schlüter und das Zeughaus in Berlin, Petersberg 1999.
Guido Hinterkeuser: Das Berliner Schloss - der Umbau durch Andreas Schlüter, Berlin 2003.
Literatur aus den Publikationen des Vereins für die Geschichte Berlins:
Das Gebäude in der Klosterstraße 32-35 und zwei neue Hohenzollernstandbilder im Schlütersaale daselbst, in: MVGB 26, 1909, 12, S. 249-253.
Felix Hasselberg: Von Schlüter bis Menzel [Autographen], in: ZVGB 54, 1937, 3, S. 66-74.
Helmut Börsch-Supan: Andreas Schlüter. Baumeister und Bildhauer des preußischen Barock, in: Der Bär. Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins, Bd. 50, Berlin 2001, S. 7-26.
Heinrich Lange: Das Ende des Königsberger Schlosses, in: MVGb 98, 2002, S. 298-310 und 358.
* Dieser Text ist die redigierte Fassung eines Vortrags, gehalten 2003 an der Urania Potsdam.
Gerhild H. M. Komander 12/2004
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Die Baugenossenschaft „Freie Scholle“
16. Oktober 2024, 19:00 Uhr
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30. Oktober 2024, 15:00 Uhr
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