Louis Schwartzkopff zum 150. Geburtstag
Von Kurt Pierson
Schwartzkopff kam 1842 als Student nach Berlin, arbeitete danach in den Werken von August Borsig vor dem Oranienburger Tor. Einige hundert Meter nördlich kaufte er 1851 ein Grundstück an der Chausseestraße, wo er zusammen mit einem Teilhaber die "Eisenbahngießerei und Maschinenfabrik Schwartzkopff und Nitsche" gründete. Hier wurden in den Folgejahren Lokomotiven gebaut, die Fabrik expandierte in den Wedding (Acker- und Scheringstraße).
Schwartzkopff war einer der ersten Berliner Unternehmer, die sich finanziell an karikativen Projekten beteiligte, wie am Bau des Lazarus-Krankenhauses.
Schon zu Beginn des Eisenbahnzeitalters in Preußen bestand die Möglichkeit, von Berlin aus auf der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn über Frankfurt, Sommerfeld, Kohlfurt und Görlitz und von dort über die Sächsisch-Schlesische Eisenbahn nach Dresden zu gelangen - ein umständlicher Weg von 354 Kilometern. Etwas später bot die Berlin-Anhaltische Eisenbahn nach Fertigstellung ihres Streckenabschnitts Herzberg-Riesa einen wesentlich kürzeren Schienenweg über Jüterbog von nur 191 km an, der 25 Jahre hindurch den Verkehr zwischen der preußischen und der sächsischen Hauptstadt bewältigte.
Nach dem Kriege 1870/71 wurde die Forderung in der Öffentlichkeit immer dringender, die junge Reichshauptstadt auf direktem Wege mit der sächsischen Metropole zu verbinden. Es kam zur Gründung der Berlin-Dresdener Eisenbahngesellschaft, die sich bei Konzessionsverhandlungen verpflichten mußte, den Bahnkörper zwischen Berlin und Zossen so breit auszubauen, daß auf ihm ein drittes Gleis für die vom Chef des preußischen Generalstabes, Graf v. Moltke, geplante Militäreisenbahn verlegt werden konnte, die von Schöneberg über Zossen und dem Schießplatz Kummersdorf zum Truppenübungsplatz Jüterbog führen sollte.
Vor genau hundert Jahren, am 17. Juli 1875, konnte der Betrieb auf der 180 km langen Strecke Berlin-Elsterwerda-Dresden aufgenommen werden. Hierfür hatte der Fabrikbesitzer und Kommerzienrat Louis Schwartzkopff in Berlin 14 dreiachsige Personenzug-Lokomotiven geliefert und weitere zwei gleichartige an die im selben Jahr eröffnete Militäreisenbahn, die den Namen "Moltke" bzw. den des damaligen Kriegsministers "Kameke" trugen.
Dieser Louis Schwartzkopff war einer der "drei Großen" vor dem Oranienburger Tor, die in der Chausseestraße Lokomotiven bauten und er war, wie August Borsig und Friedrich Wöhlert, ebenfalls kein Berliner. Er wurde vielmehr vor nunmehr 150 Jahren in Magdeburg im väterlichen Gasthof "Zum Goldenen Schiff" geboren und hatte dort das Gymnasium sowie die Gewerbeschule besucht. Gemeinsam mit seinem Freund Wilhelm Siemens nahm er bei dessen Bruder, dem Artillerieoffizier Werner Siemens, morgens von fünf bis sieben Uhr Mathematikunterricht. Mit siebzehn Jahren ging Louis Schwartzkopff nach Berlin, um an dem von Beuth ins Leben gerufenen Gewerbeinstitut sein Studium aufzunehmen. Im Anschluß daran erfolgte seine praktische Ausbildung bei Borsig, die mit einer sechsmonatigen Tätigkeit als Lokomotivführer bei der Berlin-Hamburger Eisenbahn endete.
Inzwischen war seine Heimatstadt Magdeburg zu einem Eisenbahn-Knotenpunkt geworden. Eine der von dort ausgehenden Bahnlinien war die Magdeburg-Wittenbergische Eisenbahn, die dem aus der Geschichte bekannten freisinningen Regierungsrat Victor v. Unruh unterstand. Dieser suchte einen tüchtigen Maschinenmeister und fand ihn in Schwartzkopff, den er durch Borsig kennengelernt hatte. Der Bau einer Eisenbahnbrücke großer Spannweite bei Wittenberge über die Elbe machte im Jahre 1848 eine Studienreise nach England erforderlich, zu der v. Unruh seinen neuen Maschinenmeister, den Brückenspezialisten Benda und den Hersteller der Brückenbauteile, August Borsig, mitnahm. Drei Jahre später trat Schwartzkopff allein eine zweite Englandreise zur Londoner Weltausstellung an. Nach seiner Rückkehr verließ er den Einsenbahndienst und kaufte 1851 mit Unterstützung durch seine Familie in der Chausseestraße zu Berlin das Grundstück Nr. 20, das nach Süden zu an die Invalidenstraße und nach Osten an die Berlin-Stettiner Eisenbahn grenzte.
Schwartzkopff hatte sich einen der damals tüchtigsten Berliner Gießereimeister, Nitsche, als Teilhaber genommen, mit dem er am 3. Oktober 1852 die "Eisengießerei und Maschinenfabrik Schwartzkopff und Nitsche" gründete, den Firmennamen jedoch bald auf seinen Namen allein ändern ließ. Um die Jahreswende 1852/53 floß zum ersten Mal das glühende Eisen in die Pfannen. Aufträge lagen zur Genüge vor: Siemens & Halske überzogen gerade Rußland mit einem Netz von Telegrafenlinien und ließen die eisernen Isolatorenstützen bei Schwartzkopff gießen; die damals größte Eisenbahnwaggonfabrik in Deutschland, F.A. Pflug in der Chausseestraße 8, benötigte ständig Achslager und Puffer. Der Kunstguß, von dem Nitsche hergekommen war, bedeutete zu jener Zeit einen Schwerpunkt für jede Gießerei.
Doch gerade hier schieden sich die Geister. Schwartzkopff zahlte seinen Teilhaber aus und wandte sich vor allem dem Maschinenbau zu. Neben Dampfsägen, Holzbearbeitungsmaschinen und Kreiselpumpen wurde der Bau von Dampfhämmern und Walzmaschinen aufgenommen. Als der Absatz in diesen Bereichen nachließ, begann die Fabrik um 1860 mit der Fertigung spezieller Werkzeugmaschinen für den Heeresbedarf sowie aller Art von Eisenbahnmaterial für den Strecken- und Bahnhofsbau. In diesem Zusammenhang half Louis Schwartzkopff der Berlin-Stettiner Eisenbahn in besonders schwierigen Fällen beim Brückenbau über die Oder. Der Dank hierfür wurde ihm von der Bahnverwaltung in großherziger Weise abgestattet, als die Schwartzkopffsche Fabrik 1860 durch einen Großbrand auf dem entlang dem Bahngelände gelegenen Teil zerstört wurde. Durch einen umfangreichen Auftrag für den Bau der Vorpommerschen Eisenbahn gelang es, über die ersten Schwierigkeiten hinweg zu kommen.
Die Leistungen des Unternehmens waren höheren Ortes nicht unbemerkt geblieben. Der preußische König Wilhelm I. verlieh dem Fabrikherrn persönlich den Titel "Kommerzienrat"; der preußische Handelsminister, Graf v. Itzenplitz, ermunterte ihn zum Bau von Lokomotiven. Im Jahr 1867 verließen die ersten zwölf Güterzuglokomotiven das Werk, die für die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn bestimmt waren.
Es lag auf der Hand, daß ein sich von nun an immer mehr ausweitender Fabrikationszweig die engen Räumlichkeiten zu sprengen drohte. Louis Schwartzkopff hatte rechtzeitig ein genügend großes Gelände in der Ackerstraße erworben und auf ihm ein neues, modernes Werk errichtet, das vornehmlich dem allgemeinen Maschinenbau dienen sollte. Dieses Werk, im letzten Krieg zerstört, wurde 1952 erneuert und birgt in seinem Grundstein die Gründungsurkunde sowie Lokomotivzeichnungen und -Lieferlisten aus der alten und aus neuerer Zeit.
Die inzwischen in "Berliner Maschinenbau AG vorm. L. Schwartzkopff" umgewandelte Firma hatte das Stammwerk in der Chausseestraße durch schrittweisen Zukauf der Grundstücke 19 und 23 zu einer allen Ansprüchen genügenden Lokomotivfabrik erweitert. Louis Schwartzkopff war es vergönnt, noch zwei Jahrzehnte lang Generaldirektor des von ihm geschaffenen Werkes zu sein. Die preußische Regierung berief ihn in den Staatsrat und würdigte damit das vielseitige Wirken dieses Mannes, der bis zu seinem Tode am 7. März 1892 seinem einstigen Lehrherrn August Borsig ein dankbares Andenken bewahrt und ihm zu Ehren unter dem Fenster seines Arbeitszimmers ein Relief mit dem Porträt des "Lokomotivkönigs" hatte anbringen lassen.
Als das Stammwerk im Jahre 1900 seine Pforten schloß und fünf Jahre später der Abbruch dieser historischen Fabrik erfolgte, fiel auch das alte, abseits der Straße gelegene Verwaltungsgebäude, in dem Louis Schwartzkopff vierzig Jahre seines Lebens verbracht hatte, der Spitzhacke zum Opfer. Nur eine kleine Seitenstraße der nördlichen Berliner Industriemagistrale erinnert noch an den letzten Lokomotivbauer vor dem Oranienburger Tor.
Aus: "Mitteilungen" 3/1975
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Fragiles Erbe. Schutz und Erhaltung im Anthropozän
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