Hermann Oxfort 1927 - 2003
Der Berliner Politiker
Von Klaus Finkelnburg
Der Verein für die Geschichte Berlins gedenkt seines langjährigen Vorsitzenden und Ehrenmitglieds Hermann Oxfort, der am 8. August 2003 nach langer Krankheit verstorben ist.
Hermann Oxfort wurde 1927 in Erfurt geboren, wo er aufgewachsen ist und 1947 sein Abitur machte. Da ein Studium in dieser Zeit für ihn nicht möglich war, absolvierte er eine kaufmännische Grundausbildung an der Volkshochschule, legte die Stenotypistenprüfung ab und begann eine Ausbildung als Rechtspfleger im thüringischen Justizdienst, die er 1949 - inzwischen hatte sich in Thüringen das kommunistische Regime verfestigt - aus politischen Gründen abbrechen mußte.
Er begab sich nach Berlin und nahm an der gerade gegründeten Freien Universität das Studium der Rechtswissenschaften auf, das er 1953 mit der ersten juristischen Staatsprüfung abschloß. Er war Referendar im Bereich des Kammergerichts - die Referenzzeit dauerte damals noch dreieinhalb Jahre - und legte 1957 die zweite juristische Staatsprüfung ab und wurde Rechtsanwalt, später auch Notar. Seine Kanzlei, die er in Spandau betrieb, gehörte zu den angesehenen Anwaltskanzleien der Stadt.
Schon in Thüringen war Hermann Oxfort der Liberalen Partei (LPD) beigetreten. In Berlin begann seine eigentliche politische Karriere. Er durchlief alle Stationen, die man in einer politischen Partei durchlaufen kann, bis hin zum Mitglied des Bundesvorstandes der F.D.P. Er gehörte mit einer Unterbrechung von 1963 bis 1989 dem Abgeordnetenhaus von Berlin an, das er durch seine Persönlichkeit und sein ständiges Mahnen nach Rechtsstaatlichkeit und Liberalität prägte. Er war als Stellvertreter von Klaus Schütz 1975/76 Bürgermeister von Berlin, war Senator für Justiz und übte auch als langjähriges Mitglied des Richterauswahlausschusses einen gestaltenden Einfluß auf die Berliner Justiz aus. Das Abgeordnetenhaus entsandte ihn zweimal in die Bundesversammlung, wo er an der Wahl der Bundespräsidenten Heinemann und Scheel mitwirkte. Während seiner Zeit im Senat war er für Berlin Mitglied des Bundesrates.
Wer sich an den Politiker Hermann Oxfort erinnert, denkt an einen Mann liberaler Grundsätze und rechtsstaatliche Prinzipien, der jederzeit bereit war, Verantwortung zu übernehmen und für sie einzutreten. Sein Rücktritt als Senator für Justiz nach einem spektakulären Ausbruch von Terroristinnen aus der Justizvollzugsanstalt, den er wahrlich nicht zu vertreten hatte, ist ein Beispiel für die Übernahme von politischer Verantwortung, wie es in unserem Land, auch über Berlins Grenzen hinaus, nur selten zu finden ist. Hermann Oxfort ist mit der Geschichte unserer Stadt eng verbunden. Das parlamentarische Geschehen der Jahre vor dem Fall der Mauer ist ohne ihn nicht denkbar. Er hat sich um unsere Stadt verdient gemacht.
Der Vorsitzende des Vereins für die Geschichte Berlins
Von Jürgen Wetzel
Als der langjährige Vorsitzende, Dr. Gerhard Kutzsch, 1985 für die weitere Tätigkeit an der Vereinsspitze nicht mehr zur Verfügung stand, schlug er den früheren Justizsenator und Bürgermeister von Berlin, Rechtsanwalt und Notar Hermann Oxfort, zu seinem Nachfolger vor. Zur großen Überraschung nahm Oxfort die Kandidatur an und wurde in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 12. November 1985 einstimmig zum neuen Vorsitzenden gewählt.
Stellvertretende Vorsitzende blieben Hans-Werner Klünner und Günter Wollschlaeger, Schriftführer Dr. Hans Günther Schultze-Berndt und Schatzmeisterin Ruth Koepke. Mit diesen Persönlichkeiten an der Spitze nahm die Vereinstätigkeit, der es in den letzten Jahren an Initiativen mangelte, einen neuen Aufschwung. Oxfort, durch lange Parlaments- und Regierungserfahrungen geschult, leitete fortan souverän die Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen.
Er verfügte über eine natürliche Autorität. Debatten blieben lebhaft, uferten unter seiner Leitung aber nie aus. Gekonnt fasste er die häufig auch kontroversen Auffassungen zusammen und formulierte druckreif einen Beschluss. In den Vorstandssitzungen ging es aber nicht nur um Regularien. In besonderen Sitzungen, die häufig an Sonnabenden stattfanden, standen auch aktuelle Themen wie die Errichtung eines Denkmals für Rosa Luxemburg, die Gestaltung der Straße des 17. Juni oder des Kulturforums auf der Tagesordnung. Auch zu aktuellen Themen meldete sich der Verein in öffentlichen Stellungnahmen wie zum Abriss des DDR-Außenministeriums, der Umbenennung von Straßennamen in Berlins Mitte oder zur Errichtung des Jüdischen Museums zu Wort.
Besondere Herausforderungen während seines Vereinsvorsitzes bildeten die 750-Jahrfeier Berlins, die Umzüge der Vereinsbibliothek und die Feier zum 125jährigen Bestehen des Vereins für die Geschichte Berlins.
Der Verein beteiligte sich 1987 an der großen Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, legte einen Doppelband seines Jahrbuches und das 63. Grüne Heft über „Italien in der Mark – Zur Geschichte der Glienicker Antikensammlung“ von Harry Nehls [SVGB Heft 63, 1987] vor, veröffentlichte zum erstenmal ein Faltblatt „Mit uns Geschichte erleben“, veranstaltete zahlreiche Stadtführungen in Berlins historischer Mitte und organisierte am 9. Mai eine Festveranstaltung mit einem Vortrag des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Professor Ernst Benda, über das Thema „In Berlin ist Revolution – Erinnerungen eines Berliners an 1848“.
Es schloss sich ein Empfang des Senats im Schöneberger Rathaus für alle Vereinsmitglieder und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Berlins an. Nie zuvor hatte der Verein in dieser Weise im Rampenlicht der Öffentlichkeit gestanden. Zahlreiche Vereinsbeitritte und Spenden konnten danach verbucht werden. Das war überwiegend dem Vorsitzenden zu danken, der seine Kontakte zum Senat, zur Politik, Kultur und zur Wirtschaft für den Verein nutzte.
Hermann Oxfort war es auch zu verdanken, dass 1988 die Sparkasse der Stadt Berlin durch eine großzügige Spende nach Kündigung der längst zu eng gewordenen Unterbringung der Vereinsbibliothek im Rathaus Charlottenburg Räume in ihrem Haus in der Berliner Straße 40/41 zur Verfügung stellte. Endlich hatte auch das Vagabundieren der Vorstandssitzungen ein Ende. Ein zwar kleiner, aber separater Raum neben der Vereinsbibliothek diente nun als Tagungsstätte. Die Kosten für das Mobiliar und den Umzug wurden durch eine Zuwendung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin bestritten. Mit einem „Tag der offenen Tür“ konnte den Vereinsmitgliedern die ebenso schönen wie funktionalen Bibliotheksräume vorgestellt werden.
Nach Ablauf der mit der Sparkasse vereinbarten Nutzungsfrist und nach dem Scheitern einer vom Senat zugesagten Unterbringung im Libeskindbau der Stiftung Stadtmuseum, war es wiederum Oxfort, der durch Verhandlungen mit der Generaldirektorin der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek eine neue und nun endgültige Unterbringung der Vereinsbibliothek mit Arbeits- und Sitzungsräumen im Marstall, Haus Breite Straßen 36, erreichte. Der Umzug erfolgte im September 1997.
Die Vereinigung Berlins war für Hermann Oxfort und alle Vereinsmitglieder eine besondere Herausforderung. Endlich konnte der Verein sich auf ganz Berlin ausdehnen und die historische Mitte wieder stärker in das Vereinsprogramm einbeziehen. Seit 1991 fanden auch wieder die Mitgliederversammlungen in Berlins Mitte, im Berliner Rathaus statt.
Zum ersten Mal nach der politischen Wende vereinigte die Festveranstaltung zur 125. Wiederkehr der Vereinsgründung am 16. Januar 1990 im Kammermusiksaal der Philharmonie Geschichtsinteressierte aus Ost- und West-Berlin. Nach einer beeindruckenden Rede von Hermann Oxfort und einem Grußwort des Regierenden Bürgermeisters, Walter Momper, hielt der Nestor der Berliner Politikwissenschaft, Professor Richard Löwenthal, den Festvortrag. Die musikalische Umrahmung erfolgte durch das Adolf-Zander-Oktett der Berliner Liedertafel. Ein lebhafter Austausch erfolgte während des anschließenden Empfangs.
Durch die von Oxfort eingeworbenen Spenden konnte die deutsche Übersetzung des von dem Amerikaner Daniel F. Harrington verfassten Artikels über die logistischen Probleme der Berliner Luftbrücke, der in zwei Folgen 1998 und 1999 im Vereinsjahrbuch erschien, vorgenommen und im selben Jahr das 64. Grüne Heft mit der von Ingeborg Nöldeke kommentierten Reise „Einmal Emden – Berlin und zurück im Frühjahr 1683“ des Freiherrn Dodo zu Innhausen und Knyphausen publiziert werden.
Die Vereinsmitglieder dankten am 27. Oktober 1998 Hermann Oxfort für sein langjähriges Engagement für den Verein durch die Verleihung der Fidicin-Medaille anlässlich seines 70. Geburtstages und am 24. Mai 2000 durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft. Aus gesundheitlichen Gründen hatte Oxfort 1999 nicht mehr für den Vereinsvorsitz kandidiert, blieb aber als Beisitzer im Vorstand. Am 8. August 2003 erlag er seiner schweren Krankheit.
Hermann Oxfort hat sich um den Verein für die Geschichte Berlins verdient gemacht.
Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Aus: "Mitteilungen" 2/2004
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