(K)ein Meister der Zeichenkunst
Von Gerhild H. M. Komander

Die Plankammer im Schloß Charlottenburg bewahrt eine Reihe von Zeichnungen und Radierungen des Berliner Künstlers Christian Bernhard Rode auf, die zu einem Teil ehemals der Kunstsammlung des Rathauses in Schöneberg angehörten.[1] Rode war der bekannteste und beliebteste Historienmaler in Berlin in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, gleichzeitig heftig umstritten - vor allem von Kollegen.
Er lebte und arbeitete mehr als fünfzig Jahre in seiner Geburtsstadt Berlin, sicherlich zur Freude seiner zahlreichen Auftraggeber, und doch scheint es heute, trotz der Bemühungen einer Handvoll Unermüdlicher[2], zwischen Antoine Pesne (1683 - 1757)[3] und Karl Blechen (1798 - 1840)[4] keinen nennenswerten Berliner Maler gegeben zu haben.

Christian Bernhard Rode wurde 1725 in Berlin geboren, lernte nach einer anfänglichen Ausbildung bei dem Maler Müller vier Jahre bei dem Hofmaler Antoine Pesne und verbrachte Studienaufenthalte in Paris, Rom und Venedig. 1755 oder 1756 kehrte er zurück nach Berlin. Aus diesen frühen Jahren sind wenig Arbeiten des Künstlers bekannt.

Rode mußte aufgrund des väterlichen Erbes nicht unter existentiellem Druck arbeiten, konnte sich stattdessen frei bewegen hinsichtlich der Themen seiner Werke, deren Techniken und Formate, und leistete sich großzügige Geschenke vor allem an ländliche Kirchen, so daß der große Teil brandenburgischer Altarbilder von seiner Hand stammte.
Die bekanntesten Altarbilder stellen wohl die drei der Berliner Marienkirche dar. Bereits Anfang der fünfziger Jahre begann Rode als Autodidakt, Radierungen anzufertigen, zum Teil als Vorbereitung seiner Gemälde, viel häufiger aber als Reproduktion seines malerischen Werkes. Er verband damit weniger wirtschaftliches Interesse, indem die Graphiken die Gemälde einem großen Kundenkreis zugänglich machten, sondern verfolgte auch ein didaktisches Ziel, da die historischen und moralischen Themen, ein ungewöhnlich breites Spektrum umspannend, bewußt auf die Erziehung der Bürger im Zeitalter der Aufklärung gerichtet waren.

1783 wurde Rode zum Akademiedirektor berufen, enttäuschte aber die Hoffnungen seiner Kollegen, so daß man ihm Chodowiecki als Vizedirektor zur Seite stellte. Rode hatte die Erwartung, mehr königliche Unterstützung für den Lehrbetrieb zu erwirken, trotz mehrfacher Eingabe beim König nicht erfüllen können. Er starb 1797, betrauert von den Freunden der Berliner Aufklärung, in seiner Heimatstadt.

Bernhard Rodes friederizianische Historien dürften einem breiten Publikum bekannt sein.[5] Sie wurden auch in der großen Jubiläumsschau der Akademie der Künste ausgestellt.[6] Doch wer kennt das übrige, ungewöhnlich umfangreiche malerische und graphische Werk Rodes?[7] Da Rode - mal wieder - etwas zu kurz kam, jetzt in der Akademieausstellung, werden an dieser Stelle anhand des Charlottenburger Bestandes seine Zeichnungen in einer kleinen Auswahl vorgestellt.[8] Auch darin liegt ein Bezug zum großen Jubiläum: Rode war derart unzufrieden mit den Leistungen des Akademiedirektors Blaise Nicolas Le Sueur,[9] daß er kurzerhand in seinem Haus einen eigenen Zeichensaal einrichtete, den übrigens auch Daniel Chodowiecki regelmäßig besuchte.

Die Themen der Werke Rodes, entnommen dem Alten und dem neuen Testament, der griechischen und römischen Mythologie und Dichtkunst, sowie der mittelalterlichen und neueren deutschen und brandenburgischen Geschichte und der zeitgenössischen Dichtung, setzten bei seinem Publikum einen hohen Bildungsgrad voraus.

Seine Eigenart, besondere oder ungewöhnliche historische und literarische Themen bildlich umzusetzen macht ihn zum bedeutendsten Berliner Historienmaler des 18. Jahrhunderts. Die enge Zusammenarbeit mit dichtenden und philosophierenden Zeitgenossen, mit denen er persönlich bekannt oder befreundet war, floß inhaltlich in alle Bereiche seines künstlerischen Schaffens ein. Gellerts Fabeln, Ramlers Satiren und Gedichte, Geßners Idyllen und auch die königlichen "Mémoires pour servir ... l'histoire de la maison de Brandebourg" waren Gegenstand seiner Zeichnungen, Radierungen, Gemälde.[10]
Die Charlottenburger Sammlung umfaßt 23 Zeichnungen Rodes.[11] Die oft undatierten Blätter können nur im Zusammenhang mit Gemälden und Radierungen gleichen Themas zeitlich eingeordnet werden, sofern ein solcher besteht. Rode wählte verschiedene Techniken, die alle in dem hier vorgestellten Konvolut vertreten sind: Kreide-, Röteln-, Feder-, Pinselzeichnung, meist untereinander kombiniert, teilweise laviert oder mit schwarzem Stift, vermutlich Bleistift, vorskizziert.
Einen leichten, knappen Stil führt Rode in seiner Zeichnung "Bacchus läßt Amorn Wein keltern" vor. Die heiter dahingeworfenen Rötelstriche, in hellbrauner Tusche laviert, lassen den Gedanken an eine spontane Bildidee Rodes aufkommen, deren sofortige Umsetzung der Darstellung einen anmutigen Naturalismus verleiht. Im Schein der brennenden Fackel des Knaben hockt Bacchus, etwas unbeholfen, in einem Weinkeller vor Amor, der, anmutig in der Haltung, ein wenig furchtsam in der Gestik, dem Treiben des römischen Weingottes zuschaut. Dieses Blatt zeigt keinerlei weitere Vorzeichnung, zum Beispiel in schwarzem Stift, wie viele der Zeichnungen Rodes. Ein Tafelbild gleichen Themas, das 1774 entstand, befand sich in der privaten Sammlung des Grafen Redern in Königsbrück in der Oberlausitz.

Einige Zeichnungen zeigen Ausschnitte aus nicht identifizierbaren historischen Schlachten. Die Rötelzeichnung in Querformat, mit lebhaften Pinselstrichen rotbraun laviert, stellt eine Variation zu "Albrecht Achilles ersteigt zuerst die Mauern von Greiffenberg", einem Thema aus der brandenburgischen Geschichte, dar, das Rode den "Mémoires pour servir ... l'histoire de la maison de Brandebourg" Friedrichs II. entnahm. Da die so benannte Radierung 1783 datiert ist, wäre ein ähnlicher Entstehungszeitraum auch für die Graphik als gültig anzunehmen.[12] Kompositorisch unterscheidet sich die Zeichnung von der Radierung durch eine nahezu gegensätzliche Sicht auf das Geschehen, in dem der Burggraf Albrecht Achilles noch in der Position des durch feindliche Übermacht Bedrohten erscheint - rechts im Bilde -, während sein Kontrahent im Mittelpunkt steht. Die Zeichnung ist als Studie zur der großformatigen Radierung zu sehen, die zum einen sachgemäß seitenverkehrt erscheint, zum anderen auf die Mittelfigur verzichtet, und das ganze Geschehen zentriert.

Die spöttische Erzählung "Kleopatra entlarvt den Betrug des Antonius beim Angeln" stellte Rode in mehreren Varianten und in verschiedenen Techniken dar. In Rötel, Feder und Pinsel, die Farbe in mehreren Tönen von Rot bis Braun abwandelnd, lenkt Rode in der Zeichnung das Augenmerk auf den betretenen, schmollenden Antonius, der Kleopatra betrog, indem er sich während eines Wettstreites im Angeln Fische an den Haken binden ließ, um sie zu besiegen. Sie jedoch, den Betrug entdeckend, befahl, ihm einen gebratenen Fisch an den Haken zu stecken, und steht nun triumphierend hinter ihm.
Die literarische Vorlage, eine Anekdote Plutarchs, reizte Rode zu zwei radierten Fassungen des Themas und zu einem Gemälde, das gemeinsam mit fünf anderen Bildern Rodes im Reichspräsidentenpalais, ehemals Sackensches Palais, hing.[13]
"Apoll und Marsyas", eine Pinselzeichnung in brauner Tusche auf hellem Papier mit einer Vorzeichnung in schwarzem Stift,[14] über die Anna Rosenthal leicht verärgert schrieb: "Diese Zeichnung ist ein Zeugnis der von Rode mit großem Eifer an der Akademie betriebenen Aktstudien, von denen man sonst kaum einen Nutzen entdecken kann. Allerdings bemerkt man auch hier die geringe Erfindungsgabe, die bei Rode schon beinahe Absicht war; erschien ihm einmal eine Gestalt gelungen, so kopierte er sie wieder und wieder."[15]

Der Ärger über die - meist -flüchtige Zeichnung und die ständige Wiederholung von Figuren - selbst in einem Bilde - zieht sich wie ein roter Faden durch die Sekundärliteratur zu Rode. Dem ist nichts entgegenzuhalten. Er konnte, aber er wollte nicht, denn ihm ging es - fast nur - um die Verbildlichung der von ihm für interessant befundenen Inhalte. Ihn trieb die Flut von ideellen Einfällen, so daß für korrekte Zeichnung, für die Erfindung ständig neuer Gesichter etwa nicht viel Zeit blieb. So jedenfalls ehrte ihn sein Freund Karl Wilhelm Ramler in der Gedächtnisrede.

Die feinsinnige Formulierung Helmut Börsch-Supans, Christian Bernhard Rode als "eine Birke im märkischen Sand" zu sehen, "die den Boden bereitete für künftige Malergenerationen" trifft nur allzusehr die Bedeutung dieses umfangreichen Oeuvres.[16 ]Die Handzeichnungen Rodes weisen vielleicht sogar darüber hinaus, wie der Charlottenburger Bestand andeutet.[17]
Anmerkungen:
1 Vgl. dazu: Anna Rosenthal, Die Handzeichnungen Bernhard Rodes im Rathaus Schönberg, in: Der Kunstwanderer, 9, 1927/28, 227-279.
2 Vgl. die Literaturangaben in den folgenden Anmerkungen: Börsch-Supan, Büttner, Jacobs, Michaelis.
3 1683 Paris - 1757 Berlin. Nach Aufenthalten in Italien, u.a. in Rom, 1710 Übersiedlung nach Berlin, hier seit 1711 erster Hofmaler König Friedrichs I. Rode vollendete sein Deckengemälde "Raub der Helena" im Marmorsaal des Neuen Palais in Potsdam.
4 1798 Cottbus - 1840 Berlin. Seit 1831 Professor für Landschaftsmalerei an der Berliner Akademie. Gehört zu den bedeutendsten Malern der deutschen Romantik.
5 Ausführlich behandelt bei: Helmut Börsch-Supan, Vaterländische Kunst zu Beginn der Regierungszeit Friedrich Wilhelms III., in: Aurora, Jahrbuch der Eichendorff-Gesellschaft, Band 39, 1979, S. 79-100. Ebenso: Frank Büttner, Bernhard Rodes Geschichtsdarstellungen, in: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Band 42, Berlin 1988, Heft 1, S. 33-47.
6 Vgl. dazu: Rainer Michaelis, Bilder für eine preußische Identität, in: Die Kunst hat nie ein Mensch allein besessen. Katalog zur Ausstellung zum 300-jährigen Bestehen der Akademie der Künste und der Hochschule der Künste, hg. von der Akademie der Künste und der Hochschule der Künste, Berlin 1996, S. 150-153, 155-156, 158-159.
7 Die bisher einzige Monographie über Rodes malerisches Werk und eine vollständige Biographie gibt Anna Rosenthal: Bernhard Rode, ein Berliner Maler des 18. Jahrhunderts, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Jahrgang 44, Bd. 1927, Heft 3, S. 81-104. Das druckgraphischen Werk behandelt, nach Themen geordnet, erstmals: Frank Büttner (und andere): Kunst im Dienste der Aufklärung. Radierungen von Bernhard Rode 1725 - 1797; mit einem Gesamtverzeichnis aller Radierungen des Künstlers im Besitz der Graphischen Sammlung der Kunsthalle zu Kiel, Ausstellung 17.12.1986 - 18.1.1987, Kiel 1986. Ein Werkverzeichnis der Druckgraphik erstellte Renate Jacobs: Das graphische Werk Bernhard Rodes (1725 - 1797), Münster 1990.
8 Es werden ausschließlich diejenigen Werke berücksichtigt, die Rode in den "besseren" Jahren, sprich: nach dem Tod Friedrichs II. schuf. Der gesamte Zeitraum zwischen 1713 und 1786 und die Kunst der Akademiemitglieder vor 1786 findet wenig Beachtung. Ein eigenes Kapitel dazu gibt es nicht.
9 1716 Paris - 1783 Berlin. In Paris vermutlich Schüler von Jean-Baptiste van Loo. 1751 Lehrer an der Akademie der Künste, 1756 - 1783 Direktor der Akademie. Arbeitete künstlerisch vorwiegend als Zeichner, entwarf Kartons für die Gobelinmanufaktur de Vigne und erhielt laut Friedrich Nicolai den Auftrag zum Entwurf für die Wand- und Deckenmalereien im Chinesischen Haus im Park von Sanssouci.
10 Darunter befinden sich auch Buchillustrationen, deren Anteil am Gesamtwerk jedoch im Gegensatz zu denjenigen Chodowieckis oder Johann Wilhelm Meils gering ausfällt.
11 Die Sammlung enthält des weiteren 46 Radierungen auf 38 Blättern.
12 Die Zeichnung signiert unten rechts: "B. Rode". Inventarnummer PK 5387. Die Radierung: Nagler-Verzeichnis Nr. 148, in: Georg Kasper Angler, Neues Allgemeines Künstler-Lexikon, Bd. 13, München 1843, Neudruck Wien 1924, S. 22-34. Vgl.: Komander, in: Büttner (und andere), Kunst im Dienste der Aufklärung, Kiel 1986, S. 50.
13 Vgl. Anna Rosenthal, Die Handzeichnungen Bernhard Rodes, S. 278. Ebenso: Renate Jacobs, Das graphische Werk Bernhard Rodes S. 296.
14 Signiert unten rechts: "B. Rode". Inventarnummer PK 5392.
15 Anna Rosenthal, Die Handzeichnungen Bernhard Rodes, S. 277-279.
16 In einem Vortrag, gehalten 1994 in Britz, Berlin.
17 Weitere Zeichnungen befinden sich u. a. im Besitz des Kupferstichkabinetts Berlin SMB PK und im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.

Literatur aus den Publikationen des Vereins für die Geschichte Berlins:
Anna Rosenthal: Bernhard Rode. Ein Berliner Maler des 18. Jahrhunderts, in: MVGB 44, 1927, H. 3, S. 81-104.

Aus: "Mitteilungen" 2/1997

Bildunterschriften

1. "Bacchus läßt Amorn Wein keltern", Christian Bernhard Rode.

2. "Albrecht Achilles ersteigt zuerst die Mauern von Greiffenberg", Christian Bernhard Rode.

3. "Kleopatra entlarvt den Betrug des Antonius beim Angeln", Christian Bernhard Rode.

4. "Apoll und Marsyas", Christian Bernhard Rode.