Ernst Litfaß, der Säulenheilige
Von Hans Brendicke

Der Geheime Kommissionsrat Ernst Litfaß, im Volksmunde bekannt unter dem Namen der "Säulenheilige", ist in Berlin 1816 geboren und liegt in einem Erbbegräbnis auf dem Friedhof der Friedrichs-Werderschen Kirche, Chausseestraße 126, vor dem Oranienburger Tor, begraben und ist nach Geburt, Wesen und Art ein "richtiger Berliner".

Er errichtete 1855 mit Genehmigung des Polizeipräsidenten v. Hinckeldey, der am 18.11.1848 sein Amt angetreten hatte, 1853 Generalpolizeidirektor wurde und am 10. März 1856 im Duell mit Herrn v. Rochow fiel, zunächst 150 Anschlagsäulen und bewirkte dadurch, daß öffentliche Bekanntmachungen nicht mehr an Straßenecken, Bäumen und an den viereckigen Holzgehäusen der Stadtbrunnen, sondern an 9 1/2 Fuß hohen, bekrönten, massiven, runden, aus Eisenblech errichteten Säulen angeschlagen wurden.

Ernst Litfaß war auch in dem Sinne ein "richtiger Berliner", als er in der von Ernst Joseph Gregorius Litfaß 1795 gegründeten Buchdruckerei seines Stiefvaters Leopold Wilhelm Krause, Adlerstraße 6, von der Pike auf gedient hat, sich als ein Selfmademan bis zum Hofbuchdrucker 1865 aufschwang und wie jeder Berliner an und für sich den Sinn für Volkswohlfahrt und Wohltätigkeit entwickelte, indem er zum Besten der verwundeten Krieger und Hinterbliebenen aus den Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71 mit seinen Strebensgenossen und treuen Lebensgefährten, dem Zirkusdirektor Ernst Renz, umfangreiche Unternehmungen, Konzerte und Feuerwerke, Korsofahrten und "Redouten" ins Leben setzte und meist mit eigenen Kosten - fast eigensinnig und selbstbewußt - durchführte. Den Druck und Anschlag von 192 Kriegsdepeschen besorgte er unentgeltlich und wurde dafür durch den Kronenorden mit den Insignien des roten Johanniterkreuzes ausgezeichnet.

Sein Leben und Wirken ist zur Feier seines 25jährigen Prinzipals- und Bürgerjubiläums 1871 von Fr. Tietz eingehend in einer Festschrift geschildert worden, von der in der Buchdruckerei Einst Litfaß' Erben (C 19, Adlerstraße 6) nach einem sehr seltenen und längst vergriffenen Exemplar ein stattlicher Neudruck hergestellt worden ist (Preis 15 M). Die Firma übermittelte unserer Vereinsbibliothek ein Exemplar und wird die reich illustrierte Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der altberühmten Berliner Druckerei von 1871 bis zur Gegenwart, durch den Unterzeichneten vorbereitet, zu gegebener Zeit veröffentlichen.

Aus: "Mitteilungen" 12/1921

Anmerkung der Redaktion: Die Adlerstraße lag inmitten des Friedrichswerders. Ihre Gebäude wurden wie die der übrigen zwischen Kurstraße und Stadtgraben/Spreekanal gelegenen Straßen 1935 abgerissen. An deren Stelle wurde das neue Gebäude der Reichsbank an der Kurstraße errichtet, das heute vom Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten genutzt wird.

Redaktion: Gerhild H. M. Komander 12/2004