Louise Henriette Prinzessin von Nassau-Oranien Kurfürstin von Brandenburg

27. November 1627 s' Gravenhage (Den Haag) - 16. Juni 1667 Cölln
Grabstätte: Dom zu Berlin

Tätigkeit: Landesherrin der Mark Brandenburg
Lebens- und Wirkungsorte: Niederlande, Brandenburg-Preußen

Gedenkorte in Berlin: Dom
Gedenkorte außerhalb Berlins: Oranienburg

"Wir haben verloren, was wir auf dieser Welt nicht werden wieder finden."
Zum 375. Geburtstag
Von Gerhild H. M. Komander

Louise Henriette stammte aus gutem Hause: Am 27. November 1627 wurde sie als Prinzessin von Nassau-Oranien in Den Haag (s' Gravenhage) geboren. Ihr verdankt die Stadt Oranienburg im Norden Berlins ihren Namen, ebenso die populäre Oranienburger Straße in der Mitte der deutschen Hauptstadt. Sie war die älteste Tochter des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien (1584-1647), Statthalter der Vereinigten Niederlande, und dessen Frau Amalie von Solms-Braunfels (1602-1675), die als Hofdame von Elisabeth Stuart, Kurfürstin von der Pfalz und Königin von Böhmen, ihrer Fürstin ins niederländische Exil gefolgt war.

Mit 19 Jahren heiratete Louise Henriette Friedrich Wilhelm Kurfürst von Brandenburg, bekannt als der Große Kurfürst.
Für beide Ehepartner war diese Verbindung nicht die erste Wahl. Louise Henriette hatte sich ihren Cousin, Henri Charles de Trémouille, als Gatten gewünscht. Die Eltern hatten eine Heirat mit dem englischen Thronfolger Karl (II.) favorisiert, um die bestehende familiäre Bindung mit den Stuarts zu stärken, von diesem Plan aber aufgrund der politischen Entwicklung in England Abstand genommen.

Friedrich Wilhelm seinerseits hatte sich Jahre lang um seine Cousine Christina von Schweden bemüht. Ihn trieb nicht zuletzt der Gedanke an die brandenburgisch-schwedische Rivalität um Pommern dazu. Der Ruf Christinas als "Heroine" schreckte ihn keinesfalls, war er doch von Kindheit an von starken und energischen Frauen umgeben. Frauen dieser Art fanden sich auch in seiner pfälzischen Verwandtschaft, die sich zweifach durch Heirat mit dem schwedischen Königshaus verbunden hatte und ihren Einfluss geltend machte.

Als die definitive Absage aus Stockholm eintraf, zögerte Friedrich Wilhelm nicht lange, sich nach einer neuen Kandidatin umzusehen. Aus dem pfälzischen "Lager" kam der Hinweis auf die älteste Tochter des oranischen Prinzen. Mit dieser Verbindung ließe sich das Ringen um Pommern vielleicht auf anderem Weg zu seinen Gunsten entscheiden: Louise Henriette entstammte einer reichen, angesehenen Familie und einem wohlhabenden und fortschrittlichen Land, auf das sich die Augen Europas richteten. Friedrich Wilhelm hatte die Heimat Louise Henriettes als Kurprinz während eines langjährigen Aufenthaltes kennengelernt und wusste um die herausragende Stellung der Oranier.

Louises Vater, ihr Onkel Moritz und ihr Großvater Wilhelm I. gingen als gefeierte Helden aus den Kämpfen der um Unabhängigkeit von Habsburg ringenden nördlichen Niederlande hervor. Mit dem Westfälischen Frieden 1648 erfüllte sich der Traum von der niederländischen Souveränität. In diesem "Goldenen Zeitalter" der Niederlande verlebte Louise Henriette ihre Jugend. Doch obwohl Den Haag Sammelpunkt der großen, glänzenden Welt war, verlief das Leben der oranischen Prinzessin abseits vom höfischen Leben. Die Erziehung im calvinistischen Elternhaus war auf demütige Frömmigkeit und das Erlernen praktischer Fähigkeiten hin ausgerichtet. Beides sollte ihr als Kurfürstin nützlicher sein, als sie bis zu ihrer Ankunft in Brandenburg ahnen konnte.

Am statthalterlichen Hof war die traurige Verfassung des Kurfürstentums, das während des Dreißigjährigen Krieges verwüstet worden war, wohl bekannt, ebenso die peinigende Finanznot des Landesherrn. Und doch griff man den Gedanken einer dynastischen Verbindung zwischen den Häusern Nassau-Oranien und Hohenzollern sofort auf. Warum? Die Heirat mit einem Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches würde das Ansehen der gesamten Familie vermehren und - nebenbei - die Heiratschancen der jüngeren Töchter erhöhen.

Für die Brautmutter Amalie von Solms, die ihren Gatten Friedrich Heinrich während dessen Abwesenheit ebenbürtig am statthalterlichen Hof vertrat, bedeutete ein Schwiegersohn in dieser Position einen starken Rückhalt für die Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Dieser Aspekt wurde umso wichtiger, je mehr sich abzeichnete, dass die körperlichen Kräfte Friedrich Heinrichs abnahmen. Schwer krank erlebte er die Hochzeit seiner ältesten Tochter am 7. Dezember 1646 in Den Haag und verstarb wenige Monate nach den Feierlichkeiten.

Bildnisse Louise Henriettes zeigen eine zarte, zerbrechliche Gestalt: ein ernster, klarer Blick aus großen Augen, volle Lippen ohne Lächeln, dazu eine kleine, zierliche Figur. Der schönen Ebenmäßigkeit des Gesichtes, von dunklen Locken umrahmt, entspricht die gerade, stolze Haltung der Oranierin. Stets trägt sie schlicht gestaltete Kleidern mit wenig, doch kostbarem Schmuck, mehr an der französischen als der niederländischen Mode orientiert.

Diese zarte Person war von großer Willenskraft. Louise Henriette unternahm in den knapp 21 Jahren, in denen sie Kurfürstin von Brandenburg war, zahlreiche beschwerliche Reisen zwischen Den Haag, Königsberg (Kaliningrad), Berlin und Kleve, folgte ihrem Mann auf den Feldzügen des Nordischen Krieges (1655-1660) nach Warschau und bis nach Jütland hinauf, begleitete ihn zur Jagd und auf langen Ausritten durch ihre brandenburgischen Besitzungen. Sie erlitt mehrere Fehlgeburten und gebar sechs Kinder, von denen drei Söhne die Mutter überlebten: Kurprinz Karl Aemil (1655-1674), Friedrich (1657-1713) und Ludwig (1666-1687). Nur ein einziges Kind blieb dem Vater: Friedrich, der spätere erste König in Preußen.

Die junge Kurfürstin nahm die ihr zugewiesene Aufgabe nicht nur an, sondern erfüllte sie vorbildlich und zukunftsweisend für das ganze Land, wie kaum eine der ihr nachfolgenden Fürstinnen auf dem Hohenzollern-Thron es vermochte (als Ausnahme seien ihre unmittelbare Nachfolgerin, die Kurfürstin Dorothea aus dem Hause Schleswig-Holstein-Glücksburg, zweite Gemahlin des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, und Kaiserin Augusta genannt).

Schon mit der Einwilligung in die Heirat mit einem von ihr zunächst abgelehnten Mann hatte Louise Henriette gezeigt, dass sie die höfischen Gepflogenheiten akzeptierte (andere Frauen haben sich ja durchaus verweigert, wie die beiden älteren Töchter der Elisabeth Stuart, Elisabeth und Louise Hollandine). Dem kurfürstlichen Paar gelang es, aus der politisch begründeten Heirat eine gute Ehe zu entwickeln. Schnell fassten beide Vertrauen zueinander und Zuneigung, die sie bis zu Louise Henriettes frühem Tod verband.

Erst 1650 lernte die Kurfürstin die Doppelstadt Berlin-Cölln, die Residenz- und Hauptstadt der brandenburgischen Hohenzollern kennen, da Friedrich Wilhelm seiner Gemahlin wenigstens ein instandgesetztes Schloss als Wohnort bieten wollte. Sofort schaltete sich Louise Henriette in die Planungen zum Wiederaufbau der Residenz ein. Die bald nach ihrer Ankunft im März 1650 durch den Baumeister Johann Gregor Memhardt errichtete private Kapelle blieb bis zur Zerstörung des Berliner Schlosses erhalten, als einziger Raum des Schlosses aus ihrer Zeit und letztes Zeugnis ihres Wirkens in Berlin. Hier suchte die strenggläubige Calvinistin Trost und Kraft, um in ihrem Amt zu bestehen. Denn sie gedachte, ihre "Sache" gut zu machen. Sie pflegte enge Kontakte zu den reformierten Hofpredigern und zu Johann Crüger, dem bedeutenden Berliner Verfasser geistlicher Lieder.

Die wichtigste Bezugsperson nach dem Kurfürsten wurde für Louise Henriette Otto Freiherr von Schwerin. Erster Minister des Kurfürsten und dessen Vertrauter übernahm er zusätzlich das Amt des Hofmeisters seiner Fürstin und die Erziehung des Kurprinzen. Die gesamte Familie Schwerin lebte im kurfürstlichen Schloss, und war Louise Henriette auf Reisen, unterhielt sie einen regen Briefwechsel mit Schwerin. Nach den Kindern waren die wichtigsten Themen stets die Erörterung der politischen Ereignisse und der Fortgang der Arbeiten in Oranienburg.
Dort hatte Friedrich Wilhelm seiner Gemahlin 1650 das Amt Bötzow geschenkt.

An der Stelle der zerstörten askanischen Wasserburg ließ Louise Henriette durch Memhardt ein kleines Schloss im holländischen Stil erbauen und nannte es Oranienburg. Die Stadt schloss sich dieser Namensgebung an. Für die Ausstattung beauftragte sie - wie in Berlin - zahlreiche niederländische Künstler und Kunsthandwerker. Die Kurfürstin kaufte Dörfer und Krüge hinzu, warb niederländische Siedler - Bauern, Gärtner und Handwerker - an und etablierte Oranienburg mit Schäferei, Brauerei, Ziegelei und Molkenwirtschaft als eine Musterwirtschaft für die gesamte Mark.
Ihre zielgerichtete Wirtschaftspolitik auf diesem umfangreichen Landbesitz führte zu guten Erfolgen, so dass der Kurfürst ihr weitere Dörfer und Güter zur Bewirtschaftung übergab.

Rückblickend mag es erstaunlich erscheinen, dass sich eine Kurfürstin als Gutsherrin betätigte, tatsächlich war dies eines der üblichen Betätigungsfelder fürstlicher Frauen in Deutschland, wenn es natürlich auch weniger aktive Fürstinnen gab, wie ihre Schwägerin Luise Charlotte Herzogin von Kurland, die sich aus den ihr übertragenen Ämtern lediglich die Erträge auszahlen ließ. Seit der Königin Sophie Charlotte war dann auch in Brandenburg-Preußen nicht mehr die Rede von einem wirtschaftspolitischen Einfluss der Landesfürstin.

In Oranienburg erfüllte Louise Henriette auch ihr Gelübde, für die Geburt eines Sohnes ein Waisenhaus zu stiften. Die Statuten erarbeitete sie selbst und stattete das Haus mit Schenkungen aus, die eine gute Versorgung der Zöglinge garantierten. Das war keine Selbstverständlichkeit, wie die Armut der meisten in dieser Zeit gegründeten Waisenhäuser zeigt.

Wenige Zeugnisse, die über das Leben und Wirken der Kurfürstin Auskunft geben könnten, haben die Zeitläufte überstanden. So lässt sich insbesondere das politische Wirken Louise Henriettes heute nur schwer fassen und wird von den meisten Historikern als gering eingestuft. Belegt ist der Ausspruch
Friedrich Wilhelms, es sei ihm nie etwas misslungen, wenn er ihrem Rat gefolgt sei.

Der Kurfürst fand in ihr eine pragmatisch denkende und handelnde Beraterin. Mit großem Engagement setzte Louise Henriette sich für die Aussöhnung mit Polen ein und beeinflusste durch ihren Briefwechsel mit der polnischen Königin Luisa Maria den Koalitionswechsel Brandenburgs im Nordischen Krieg zugunsten Polens und damit die Anerkennung der Souveränität der Kurfürsten von Brandenburg über das Herzogtum Preußen. Wenigen Fürstinnen ist soviel Einflussnahme gestattet worden.

Ein seltenes, privates Dokument beschreibt die familiäre Atmosphäre am kurbrandenburgischen Hof. Obwohl sie sehr krank war, hatte Louise Henriette die Rückreise von Kleve angetreten, um ihre Familie wiederzusehen. Über ihren Tod am 16. Juni 1667 berichtet ihre Kammerfrau Anna Martitz:
Die Kurfürstin fühlte ihr nahes Ende und ließ die Prinzen holen, "von denen sie Abschied nahm und segnete sie, welches schmerzlich und erbärmlich mitanzusehen und zu hören war. Ein jeder war mit Tränen überhäuft. Prinz Friedrich schrie so erschrecklich und fiel der Frau Hofmeisterin um den Hals und bat sie aus tausend Gottes Will, sie sollte doch retten, dass seine Mama nicht stürbe. (...) Der Kurprinz bat auch sehr elendig, aber das liebe Prinzchen Ludwig lachte, wie es sah, alle Menschen so weinen. (...)." Louise Henriette bat mit ihren letzten Worten: "Kehrt mich um nach dem Kurfürsten zu und richtet mich auf. - Mein gnädigster Herr lag auf den Knien vorm Bett in großer Herzensangst und Betrübnis und hielt Ihrer Kurf. Durchl. Hand in der seinen bis sie tot war. (...) Wie man nun sah, dass die Lebenshoffnung hin war, so wollte ein jeder in Tränen zerschmelzen, mein gnädigster Herr fiel noch auf ihr Gesicht und küsste sie noch, da tat sie noch einmal die Augen auf und holte noch einmal Atem. (...) Wir haben verloren, was wir auf dieser Welt nicht werden wieder finden."

Literatur:
Toni Saring: Luise Henriette Kurfürstin von Brandenburg 1627-1667. Die Gemahlin des Großen Kurfürsten, Göttingen 1939.
Barbara Beuys: Der Große Kurfürst. Der Mann, der Preußen schuf, Reinbek 1979.

09/2003. Überarbeitet 09/2004.