Kurzbiographie - Caroline Bardua 1781 - 1864

1781,11.11
Marie Caroline wurde als Tochter des Kammerdieners beim Erbprinzen Alexius Friedrich von Anhalt-Bernburg, Johann Adam Bardua, und seiner Frau Anna Sophie Sabina, geb. Kirchner, in Ballenstedt geboren. Caroline erhielt Unterricht im Klavierspiel, Gesang und bei Hofmaler Burkhardt im Zeichnen und Malen.

1805-1807
Besuch des Herzoglichen Freien Zeicheninstituts in Weimar. Lehrer war J. H. Meyer. Leben im Kreis von Goethe, Johanna Schopenhauer, J. D. Falk, St. Schütze. Erste Porträts, u.a. Goethe und Familie, Johanna Schopenhauer mit Tochter Adele.

1808-1811
Schülerin bei Gerhard v. Kügelgen in Dresden. Freundschaftliche Beziehungen zu A. Seydelmann, Therese aus dem Winkel, C. D. Friedrich, Fr. A. Koethe, Familie Volkmann.

1810-1812, 1814
Erfolgreiche Teilnahme an den Kunstausstellungen in Dresden.

1811-1813
Selbstständige Porträtmalerin in Ballenstedt, Coswig, Halberstadt.

1814-1815
Durch Förderung von A. Kirchner (Onkel) und Dr. W. Körte Aufbau eines Ateliers in Halberstadt. Viele Porträtaufträge.

1815-1817
Erfolgreiche Arbeit als Porträtmalerin in Halle.

1817-1819
Arbeitsaufenthalte in Leipzig, Magdeburg, Ballenstedt, Halle.

1819-1852
Übersiedlung mit Mutter (bis 1825), Bruder Ludwig (bis 1827) und Schwester Wilhelmine nach Berlin. Reger geselliger Verkehr mit bedeutenden Familien, mit Rahel v. Vamhagen, H. Herz, mit Künstlern und Dichtem. Porträtaufträge aus diesen Kreisen.

1822-1846
Erfolgreiche Teilnahme an den Berliner Akademieausstellungen.

1827-1828
Sommeraufenthalte mit Arbeitssuche: Heidelberg und Krefeld.

1827 und 1829
Besuch bei Goethe in Weimar. 1829 Reise nach Paris.

1829-1832
Leben und Schaffen in Frankfurt a.M. Vielfältiges geselliges Leben, Aufträge für "Tableaux vivants", zahlreiche Bildnisse. Kontakt zu Philipp Veit, Treffen mit Louise Seidler.

1832-1852
Vielfältige Porträtaufträge in Berlin; Historienbilder für Kunstausstellungen. Freundschaft mit Bettina v. Amim, Familie v. Savigny. Aktiv im Kaffeter-Klub unverheirateter Damen.

1839
Jahresgehalt von 100 Talern von der Akademie der Künste Berlin.

1848-1852
Sommeraufenthalte in Ballenstedt und Alexisbad.

1852
Übersiedlung nach Ballenstedt. Zahlreiche Porträtaufträge. Inszenierung von Theater-u. Musikaufführungen durch die Schwestern Bardua.

1857
Verleihung der Medaille für Kunst und Wissenschaft.

1864,2.6.
Tod von Marie Caroline Bardua in Ballenstedt.

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Aus: Kleine Galerie Caroline Bardua 1781-1864, Dr. Bärbel Kovalevski, 2008

 

Der weitere Text ist aus Bär von Berlin, Jahrbuch 1984, VfdGB, Margarit Bröhan

Margit Bröhan
Die Malerin Caroline Bardua in Berlin - Teil 1 bis 3

Am 6. Februar 1819gegen 11Uhr fuhr, von Halle kommend, durch das Potsdamer Tor eine große Reisechaise nach Berlin hinein; letzte Station hatte man in Potsdam im Gasthaus "Stadt Berlin" gemacht, jetzt näherte sich das Ende der Reise. Der Wagen passierte die Leipziger Straße, bog links in die Friedrichstraße ein, und nochmals links Ecke Taubenstraße hielt er an. Aus dem Innern kletterten nach einer Weile zwei Damen, es waren die siebenunddreißig Jahre alte Malerin Caroline Bardua und ihre um siebzehn Jahre jüngere Schwester Wilhelmine. Nie zuvor waren die Schwestern Bardua in Berlin gewesen, bis sich Caroline entschlossen hatte, ihr Glück als Malerin in der preußischen Hauptstadt zu suchen. Viele Jahre später erinnerte sich Wilhelmine an diese ersten Minuten ihrer Ankunft in BerIin.

"Am Fenster des Hauses saß eine Dame in feinem Morgenhäubchen und sah durch die Brille über ihre Zeitung hinweg nach den Caroline Bardua, Kreidezeichnung von Anton Graff, um 1810 Reisenden und ihrem großen Paket. Wie unaussprechlich glücklich kam ihnen die Dame vor, die in so gesicherter Ruhe dem bitteren Anfang zweier Pilgerinnen in der Fremde zusehen und ihre Zeitung lesen konnte!"[1] Diese kurze Beobachtung, die nebenbei auch einen Blick auf das biedermeierlich Geruhsame der alten Friedrichstadt gewährt, beleuchtet knapp die Lebenssituation der beiden unverheirateten, auf ihre eigenen Fähigkeiten und Tüchtigkeit angewiesenen Schwestern, ihrer Sehnsucht nach sicherer, behaglicher Bürgerlichkeit und gleichzeitige Bereitschaft zu unerschrockener Selbstbehauptung und materieller Eigenständigkeit.

Caroline Bardua hat durch ihren Beruf für sich und ihre Schwester und zeitweilig auch für die Mutter und den jüngeren Bruder die äußere Existenz gewährleistet. Wilhelmine Barduas Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen haben das Leben der Schwestern begleitet, sie wurden publiziert und sind noch heute eine klinst-und kulturgeschichtlich reiche Quelle gerade auch für das Leben in Berlin bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Das künstlerische Werk Carolines ist vergessen, zwar besitzen bedeutende Museen in Ost und West Werke der Bardua, aber nur selten wird eines reproduziert, und eine zusammenhängende Darstellung oder gar systematische Dokumentation gibt es nicht. Deshalb soll hier Gelegenheit genommen werden, eine Auswahl von Arbeiten der Malerin Caroline Bardua vorzustellen.

Die Vernachlässigung ihres künstlerischen Werks mag auch damit zusammenhängen, daß es sich hier um eine Künstlerin handelt, die, wie weibliche Kreativität überhaupt, nur allzu leicht übersehen wird; bezeichnend für diese Nichtachtung war, daß Caroline Bardua bei der großen Caspar David-Friedrich-Retrospektive nicht vertreten war, obwohl sie zum engeren Kreis um Friedrich gehörte und ihn mehrfach porträtiert hat.[2]

Caroline Bardua war als Malerin, als sie 1819nach Berlin kam, unbekannt, innerhalb kürzester Zeit errang sie sich künstlerischen Respekt und gesellschaftliches Ansehen, sie wurde eine beliebte Bildnismalerin, die eine ansehnliche Reihe führender Persönlichkeiten aus Bürgertum und Adel porträtierte, an den Ausstellungen der Akademie jahrzehntelang teilnahm und durchaus auch in der zeitgenössischen Kunstkritik beachtet wurde. Von Berlin aus unternahm sie immer in Begleitung ihrer Schwester ausgedehnte Arbeitsreisen, dennoch blieb über Jahrzehnte Berlin für Caroline Bardua das Zentrum ihres Künstlerlebens und ihrer sozialen Bindungen, die Stadt, in der die junge Malerin, ohne den Rückhalt einer bedeutenden Familie, ohne Vermögen, unverheiratet und von wenig anziehendem Äußeren, sich einen anspruchs vollen Freundeskreis schuf und wo ihre bescheidene Wohnung "beinahe so etwas wie einen Salon" darstellte.

Caroline Bardua wurde am 11.November 1781 in Ballenstedt im östlichen Vorland des Harzes geboren. Ballenstedt war die Residenz des Herzogs von Bernburg; ein mächtiges, heute nur schwer zugängliches Schloß, ein Theaterbau und ein herrlicher, weiter, von Lenne geschaffener Park zeugen von der einstigen herzoglichen Hofhaltung in dem immer noch romantisch liebenswerten Städtchen. Der Vater Carolines, Johann Adam Bardua (1739-1818) war lange Zeit Kammerdiener des Erbprinzen Alexius, seine Familie hatte nahe am Schloß, am Eingang der barocken Allee in einem ansehnlichen Haus gewohnt und dort ein äußerlich schlichtes, doch musisch reges Leben geführt.

Die Barduas, von denen es Nachfahren bis heute gibt, sind hugenottischen Ursprungs[3]; als verfolgte Protestanten übersiedelte diese Winzer-und Bauern Aus dem ursprünglichen Namen Portoy wurde Partua, Barthua, Pardua und schließlich Bardua; noch Goethe muß von der französischen Herkunft gewußt haben; er schrieb Pardois. Caroline war die älteste von vier überlebenden Geschwistern, der Bruder Ernst (geb. 1784) wurde Justizrat in Coswig, der jüngere Bruder Ludwig (geb. 1795) Kammergerichtsrat in Berlin. Carolines musikalische und bildnerische Talente waren willkommene Gaben zur geselligen Unterhaltung in der Familie, bis familie aus der Gegend von Metz ins pfälzische Mußbach. Aus dem ursprünglichen Namen Portoy wurde Partua, Barthua, Pardua und schließlich Bardua; noch Goethe muß von der französischen Herkunft gewußt haben; er schrieb Pardois.

Caroline war die älteste von vier überlebenden Geschwistern, der Bruder Ernst (geb. 1784) wurde Justizrat in Coswig, der jüngere Bruder Ludwig (geb. 1795) Kammergerichtsrat in Berlin. Carolines musikalische und bildnerische Talente waren willkommene Gaben zur geselligen Unterhaltung in der Familie, biseher zufällig Wilhelm Körte, ein Neffe Gleims, auf das Mädchen aufmerksam wurde und eine Ausbildung im Zeichnen und Malen an der Weimarer Kunstakademie anregte. Mit seinem Empfehlungsschreiben an Goethe in der Tasche trat Caroline Bardua im Herbst 1805 die Reise nach Weimar an.

Goethe nahm die vierundzwanzigjährige Malschillerin wohlwollend in den Kreis seiner Hausfreunde auf. Der Kunstpapst Weimars, Goethes "Intimus in Kunstfragen" und gleichzeitig sein engster Vertrauter, Heinrich Meyer, gab Anleitung für ihre Mal-und Zeichenstudien. Goethe selbst hat ihre frühen Versuche ernsthaft beobachtet. "Ich habe Demoiselle Bardua bey mir zu Tische gesehen und eine recht angenehme Bekanntschaft gemacht. Es fehlt ihr nicht an mannigfaltigem Talent, nur fragt es sich, ob sie von den Spazierfahrten des Dilletantismus, auf denen sie bisher wandelte, auf die Heerstraße der Kunst gelangen werde und ob sie dort als eifriger Pilgrim direct nach dem großen Ziel fortschreiten mag. "[4]

Im Hause Goethes gehörte Caroline bald zu den selbstverständlichen Gästen; bei abendlichen Gesellschaften mußte sie manches Mal vorsingen oder auf dem Klavier phantasieren, bei dramatischen Leseproben durfte sie zugegen bleiben. Freundschaften zu anderen Mitgliedern des Goethekreises wurden, besonders in den Not jahren der französischen Besetzung, geknüpft; in Johanna Schopenhauer gewann Caroline eine mütterliche Freundin. Als bleibenden Beweis für Goethes tätige Förderung können zwei Porträtgemälde aus den Jahren 1806und 1807gelten, für die Goethe der noch in den Anfangen ihrer späteren Porträtkunst steckenden Bardua Modell saß. Auch die übrigen Mitglieder der Familie Goethes durfte Caroline porträtieren. Wir kennen ihre Bildnisse von Goethes Frau Christiane, das seines Sohnes August und das seines Schwagers Christian August Vulpius.

Als Goethe im September 1810 in Dresden Carolines Kopie der Madonna della Sedia sah, bestimmte er ihr Bild zur Verlosung in Weimar, wo es dann am 26. März 1811im Hause Johanna Schopenhauers festlich versteigert wurde. In späteren Jahren hat Caroline Goethe noch zweimal wiedergesehen, zuletzt im Juni 1829.Im Zweifel darüber, ob sie eine geplante Reise nach Paris wagen solle, suchte sie bei Goethe Rat; er ermutigte sie mit den Worten: "Ich gebe Euch zu dem Vorhaben meinen vollen Segen, ich gehöre nicht zu denen, die dem Menschen so leicht den Mut nehmen. "[5]

Caroline Barduas Ausbildung im Zeichnen und Malen scheint in Weimar unter der Leitung von Heinrich Meyer wenig systematisch verlaufen zu sein. "Seiner Leitung folgend, malte Caroline frisch weg nach der Natur alles, was ihr vorkam, und indem der liebe alte Meister ihr dabei zur Seite stand, pflegte er in seiner treuherzigen Schweizersprache zu sagen: und wenn sie ein Tintenfaß nach der Natur male, so sei das mehr Gewinn, als alles, was sie nach Vorlagen kopiere. "[6] Dennoch hat Caroline in dieser ersten Ausbildungszeit erfolgversprechende Arbeiten vorgelegt, und sie hat in Weimar zahlreiche Bildnisse berühmter Personen malen dürfen, darunter Johanna Schopenhauer mit ihrer Tochter Adele, ein Jugendporträt Arthur Schopenhauers, Caroline Herder mit ihren Töchtern, dazu Kopien wichtiger Gemälde, die ihr ersten materiellen Gewinn einbrachten. Ganze Kisten voller Gemälde schickte die Malschülerin von Weimar nach Ballenstedt. Ein Brief ihres Vaters an den Gelehrten und Reformpädagogen Johannes Fa1k in Weimar, in dessen Familie Caro1ine aufgenommen worden war, veranschaulicht ihre Weimarer Situation ebenso, wie er die unsichere Lage einer Bürgerstochter auf dem Wege zum Künstlerinnenberuf zeigt. "Das unparteiische Zeugnis welches Ew. wohlgeboren in der geehrten Zuschrift vom 17.Juli meiner Tochter in Absicht ihres Fleißes und Fortschritten in der MaWerey, wie auch ihres übrigen Verhaltens wegen, gütigst beylegen, hat mir und den meinigen gewiß viel Freude gemacht und verpflichtet uns Ihnen zu verbindlichstem Dank... Ew. wohlgeboren empfingen sie freundschaftlich, prüften ihren Verstand und Liebe zu den Künsten, unterstützten sie mit gutem Rath, und gaben ihr Gelegenheit zu den vorteilhaftesten Bekanntschaften. . . Sie muß jede Conversation die sich anspinnen will, und woraus man, obgleich nur dem Schein nach auf Liebeleyen schliessen könnte, mit allem Ernst zu vermeiden suchen, sonst kommt sie anstatt auf den Parnaß gantz unvermuthet mit Extra-Post zu den ihrigen am Hartz zurück."[7]

Im Mai 1807 verließ Caroline Weimar, um auf Anraten ihres Lehrers ihre Studien in Dresden weiterzuführen. Dieses Mal konnte sie ein Empfehlungsschreiben Goethes vorweisen: "Caroline Bardua wird sich durch ihre Talente, so wie durch ihre Persönlichkeit selbst empfehlen. Wollten jedoch meine Freunde in Dresden ihr noch in besonderer Rücksicht einige Gefälligkeiten erzeigen, würde mir dieser Beweis einer fortdauernden Neigung höchst erfreulich seyn."[8]

Während ihres Dresdner Aufenthalts, der als ihre eigentliche Studienzeit gelten kann, traf Caroline Bardua auf fähigste Bildnismaler der Zeit. Gerhard von Kügelgen hatte sich mit seiner Familie seit 1805 hier niedergelassen, der hochbetagte Anton Graff arbeitete noch immer. Er schenkte Caroline ein Selbstbildnis und zeichnete sie -, auch Graffs Schwiegersohn, der von Goethe hochgeschätzte Carl Ludwig Kaaz, weilte in Dresden. Caroline wurde Schülerin Gerhard Kügelgens, der, wie Louise Seidler, die ab 1811ebenfalls bei Kügelgen lernte, erzählt, nur ausnahmsweise unterrichtete. "Nur aus Gefälligkeit unterrichtete er -teilweise in seinem Atelier und teilweise in der Galerie -mich und ein anderes junges Mädchen, Karoline Bardua, eine tüchtige Porträtmalerin, deren Verstand und Treuherzigkeit ihre Häßlichkeit ausglich."[9]

Caroline nahm ihre Arbeit ernst und machte bald erhebliche Fortschritte. Nach Weimar schreibt sie: "Nun so wissen Sie denn, daß ich unter der Leitung meines jetzigen Lehrers ganz entsetzlich fleissig bin, und es mir recht herzlich sauer werden lassen muß, ehe ich ihm einmal die Zufriedenheit abgewinnen könnte, daß er ungefähr auch so sorgfältig ist sehen Sie dort. Doch läßt er's an Aufmunterung nicht fehlen, und ich habe in diesen sechs Monaten meines Aufenthalts so viel profitiert, daß ich einsehe, daß ich noch gar nichts kann, zu diesem bußfertigen Bekenntnis bin ich hier gekommen, das macht mich aber keineswegs müde, sondern feuert mich nur immer mehr zum Streben der herrlichen Kunst an . . ."[10]

Caroline wurde in die Hausgemeinschaft der Familie Kügelgen aufgenommen; eine sehr anschauliche Charakterisierung der jungen Künstlerin gibt Wilhelm von Kügelgen in seinen Jugenderinnerungen: "Sie hatte sich zum Zwecke ihres Studiums längere Zeit in Dresden und zwar in unserem Hause aufgehalten, wo sie sich der größten Wertschätzung erfreute. Selbst meine Mutter, die sonst für weibliche Genies sehr wenig Sympathien hatte, machte hier doch eine Ausnahme. In der Tat war Caroline auch eine von den Naturen, die in keinerlei Klassenbegriff aufgehen; man konnte sie mit hergebrachtem Maßstab nicht bemessen. Sie war etwas für sich und etwas Ganzes, was Jedermann gern respektiert. Gutmütig, lebhaft, keck, ideenreich und hoch begeistert für Menschen und Dinge, kehrte sie sich im persönlichen Verkehr zwar nicht allzu streng an hergebrachte Formen und Redensarten, aber es lag nichts Anstössiges in dieser Freiheit, weil die geniale Frische und höchst achtbare Solidität ihres Wesens jede Überschreitung ausglich.

Für die Kunst hatte Caroline Bardua entschieden Beruf. An Ausdauer, Fleiß und Konzeptionsfähigkeit übertraf sie ihr Geschlecht und zeichnete sich aufs vorteilhafteste von allen übrigen Schülerinnen meines Vaters aus, der sich ihrer daher auch mit besonderem Interesse angenommen hatte und sich ihrer Erfolge herzlich freute, so lange er lebte."

Bald erhielt Caroline selbst erste Porträtaufträge und Bestellungen von Kopien berühmter Gemälde aus Dresdner Besitz sowie von Bildnissen, die ihr Meister gemalt hatte. Als Carl Friedrich Zelter 1810bei seinem Aufenthalt in Dresden Kügelgens Goetheporträt sah, bestellte er für sich eine Kopie bei Caroline Bardua; als das Bild in Berlin gezeigt wurde, schrieb Bettina Brentano empfindlich an Goethe: "Zelter hat Dein Bild überkommen, hat es wider sein graubraunes Konterfei gestützt, wenn ers hat, mag ichs nicht mehr, er sagt, ich sei eifersüchtig, ich bins nicht, ich will aber nicht, was andere auch haben können. "[12] Diese Bildniskopie war die erste Probe ihres Könnens, mit der Caroline Bardua Fühler nach Berlin ausstreckte.

In diesenDresdner Jahren, die mit Unterbrechungen bis 1813dauerten, reifte Caroline Barduas Malkunst. Welch erhebliche Fortschritte ihre Arbeit gemacht hatte, verdeutlicht ein Vergleich ihres Goetheporträts von 1806 mit ihrem Porträt von Caspar David Friedrich von 1810; das eine ist das Werk einer Anfängerin, dem man die Ehrfurcht für das Modell mehr als die Bewältigung der künstlerischen Aufgabe anmerkt, das andere, es hat lange als Selbstporträt Friedrichs gegolten, zeigt sowohl im technischen Können wie im eindrucksvollen Erfassen der Persönlichkeit die Entwicklung ihrer Porträtkunst. Es war das erste Bild, das Caroline Bardua 1810 auf der Akademieausstellung in Dresden zeigte.[13] Caroline hatte Friedrich 1808 in Dresden kennengelernt und sich mit ihm befreundet; als dieser im Sommer 1811zusammen mit dem Bildhauer Kühne eine Harztour unternahm, kehrten sie bei der Freundin Caroline Bardua in Ballenstedt ein. Kurz vor seinem Tode hat Caroline Friedrich noch einmal porträtiert , das Bild vermittelt den Anblick des Künstlers in seiner letzten Lebensphase, schon ganz Überschattet von Weltferne und Melancholie.

Die Bildnisse, die Caroline Bardua von C. D. Friedrich gemalt hat, markieren die Pole seines Lebens. Während das frühe ihn ganz auf der Höhe seiner Künstlerlaufbahn als forschenden Denker und eigenwilligen Charakter wiedergibt, dokumentiert das späte Bildnis die schwermütige Selbst verfangenheit des kranken alten Menschen. Caroline Bardua hat noch ein drittes Friedrich-Porträt für dessen Familie als Kopie nach einem Ölbild von J. C. Baehr von 1836 gemalt. Es ist ein Pastell und zeigt höchst eindrucksvoll den zweiundsechzigjährigen durch einen Schlaganfall teilweise gelähmten Maler. Nach einem Vermerk der Schwiegertochter Friedrichs auf der Rückseite des Bildes ist es "schöner wie das Original" .[14]

Die Ausbildung ihres Talents und die Notwendigkeit, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, waren nicht wirklich befriedigend zu vereinbaren. Einen freien Studienaufenthalt, womöglich in Italien, wie bei den meisten ihrer Kollegen üblich, konnte Caroline Bardua sich nicht erlauben. Als Porträtistin wurde sie rasch beliebt, und auch große Kompositionen meist religiöser Themen konnte sie verkaufen, so daß die Bardua eine der wenigen gänzlich von ihrer Berufstätigkeit lebenden Malerinnen war. Coswig, Halberstadt und immer wieder Ballenstedt brachten zahlreiche Aufträge und guten Verdienst.

"Sie hatte in Halberstadt ein hübsches Sümmchen gespart, das in Aktien des Alexisbades angelegt war.. ."[15] 1815ging Caroline, nun schon zusammen mit ihrer Schwester, nach Halle. Gleich in den ersten Tagen machte sie die Bekanntschaft des Niemeyerschen Hauses. August Hermann Niemeyer, Professor der Theologie und Direktor der Franckeschen Stiftung, war einer der angesehensten Gelehrten in Halle, und als Caroline im Sommer 1816 von der Direktion der Stiftung den Auftrag erhielt, Niemeyer und den Theologen Georg Christian Knapp im Bildnis darzustellen, schuf sie zwei imponierende Gelehrtenporträts, die, obwohl als Komposition ein wenig steif und konventionell, die physiognomischen und mentalen Unterschiede beider Theologen unterstreichen; es sind Porträts, die über das Repräsentative hinaus die menschlichen Züge aufscheinen lassen.

Es war stets das Schicksal Carolines, nach erfolgreicher Tätigkeit und obwohl sie in der Gesellschaft beinah jeden Ortes schnell heimisch wurde, dann doch weiterziehen zu müssen; Magdeburg und Leipzig wurden noch passiert, dann, nachdem 1818 der Vater in Ballenstedt gestorben war, konnte Caroline den engeren Kreis ihrer Heimat verlassen; sie wollte die Zukunft in Berlin wagen.*

Teil 2

Als Caroline Bardua 1819 nach Berlin kam, war die Stadt am Beginn eines großen Umbaus. Noch prägten barocke Fassaden neben biedermeierlich bescheidenen Häusern das Stadtbild, doch Schinkels klassizistische Planungen fanden erste Verwirklichung. Die Neue Wache war seit wenigen Monaten fertig, das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt stand als gewaltige Baustelle im Rohbau, der Entwurf der Neuen Schloßbrücke lag noch auf Schinkels Zeichentisch, von den später dominierenden Bauten -das Neue Museum, die Friedrichwerdersche Kirche, die Bauakademie -war noch nichts zu sehen. Auch als die Barduas das Potsdamer Tor passierten, war dieser meistbenutzte Stadtein-und -ausgang noch nicht von den schlichten Schinkelschen Torhäuschen flankiert gewesen. Berlin zählte erst ca. 200000 Einwohner, und das tägliche Leben spielte sich im vergleichsweise kleinstädtischen Maßstab ab: Man kannte seine Nachbarn, war neugierig auf Neuankömmlinge, und, zumal unterstützt durch die Sitte der formellen Antrittsbesuche, war es leicht, sich mit den bürgerlichen Kreisen bekanntzumachen.

Die Barduas mieteten ihre Wohnungen in der Friedrichstadt, zunächst in der Taubenstraße; aber schon wenige Monate später zog man in die Jägerstraße, die mit ihren gepflegten Bürgerhäusern als Stätte repräsentativer Vornehmheit galt. Hinter dem Haus lag ein Gärtchen mit Rosen und Jasminbüschen, ein stilles grünes Fleckchen mitten in der Stadt. Wenige Jahre leben sie dann in der Kronenstraße, und schließlich mieteten sie die eine Hälfte der oberen Etage des Hauses in der Französischen Straße 28 (hier hatte auch E. T. A. Hoffmann gewohnt); dies war die Wohnung, die, als sie später zum Anziehungspunkt eines großen Freundeskreises wurde, "beinahe ein Salon" war. Caroline Bardua gewann in Berlin rasch das Zutrauen einflußreicher Familien; sie wurde ein für allemal zu den Mittwochsoireen  im Hause des Staatsrats und Arztes Chr. W. Hufeland eingeladen; im Hause Mendelssohn verkehrten die Schwestern freundschaftlich ebenso wie mit der Familie des Bankiers Davis Schickler. Jeden Montag lud der spätere Kabinettsrat des Königs, der Mathematiker A. L. Crelle, die Berliner Musikwelt zu sich ein. Die Berliner. Literaturszene lernten die Barduas durch den einflußreichen Kriminalrat Eduard Hitzig kennen, sie befreundeten sich mit Dichtem wie Ernst von Houwald, Contessa, Friedrich de la Motte Fouque ,Ernst Raupach, Adelbert von Camisso.

Zu Theater-und Konzertabenden, Ausflügen und Festen lud man Caroline und Wilhelmine ein, und ihre eigene bescheidene Wohnung war häufig Treffpunkt anregender Gesellschaft, einmal war Grillparzer zu Gast, auch mit Varnhagens, die nur wenig entfernt wohnten, entstand ein reger Umgang, "Rahel kam oft zu einem Morgenbesuch ins Atelier."  [16]"Den eigentlichen Magnet aber bildete Caroline mit ihrer genialen Heiterkeit und ihrer Gabe, die Dinge rasch in ihrer Wurzel zu erkennen und ihr ungeschminktes Urteil ohne Umschweif auszusprechen. " [17] Wilhelmine nennt' in ihren Erinnerungen diese ersten Jahre in Berlin die erfolgreichsten in Carolines Künstlerlaufbahn. Die zahlreichen Porträtaufträge ermöglichen bald ein sorgenfreies und großzügiges Leben, man kann einen Flügel kaufen, sogar Staatsschuldscheine erwerben. Caroline Bardua begann ab 1820 regelmäßig auf der Ausstellung der Berliner Akademie ihre Bilder zu zeigen. [18] Der überwiegende Teil ihrer Arbeiten sind Bildnisse, was sich aus der Tatsache erklärt, daß ihre künstlerische Tätigkeit zugleich Broterwerb war, d. h., sie war auf bezahlte Aufträge angewiesen, die für Porträts weit leichter zu erhalten waren als für freie Kompositionen "nach eigen.erErfindung", wie es im Akademiekatalog heißt. Im übrigen lebten auch die meisten ihrer berühmten Kollegen von Portätaufträgen; manche litten wie Gerhard von Kügelgen unter der notwendigen Bevorzugung dieser Bildgattung, da das höhere künstlerische Ansehen und Können in der Historien-und Landschaftsmalerei bewiesen werden mußte. Caroline Bardua hat versucht, über die Beschränkung des Bildnis malens hinauszugelangen, indem sie Kompositionen meist religiöser Themen in anspruchsvollen Formaten schuf: "Die heilige Cäcilie", "Madonna mit dem Regenbogen" "Tobias" usw. Es sind Darstellungen, denen eine starke Sentimentalität innewohnt, die einer so lebenszugewandten und praktischen Frau, wie es nach allen Schilderungen die Bardua gewesen ist, eigentlich fremd sein müßten. Hier mag sich der Einfluß des überaus frommen, zum Schwärmerturn neigenden Lehrers Kügelgen, aber auch der in Halle erlebte Pietismus bemerkbar machen. Allerdings entsprach die Themenwahl und -behandlung eben auch einer zeitgenössischen Geschmacksrichtung, die von den aus Rom zurückkehrenden deutschen Malern gepflegt wurde. Im übrigen benutzte Caroline ihr Kompositionstalent in einer, obwohl sehr verbreiteten, dennoch nicht überlieferten Kunstgattung; sie erdachte zu festlichen Anlässen lebende Bilder. Es war das Stellen der "tableaux vivants", bis zum Ende des 19.Jahrhunderts eine Form künstlerischer Unterhaltung von Rahel als "Verirrung der Kunst" verdammt -, mit der besonders in den zahlreichen Residenzen Maler beauftragt wurden. Carolines allegorische "tableaux" müssen begeistert haben, immer wieder wurde sie darum gebeten, und es ist bedauerlich, daß der Plan einer Veröffentlichung ihrer Entwürfe für diese Gesellschaftskunst nicht realisiert wurde.

Die Chronistin Wilhelmine Bardua führte die Beliebtheit ihrer Schwester als Porträtmalerin am Anfang der zwanziger Jahre in Berlin auf die Abwesenheit der wichtigsten Maler zurück. Diese etwas pejorative Erklärung kann nicht recht befriedigen, immerhin war Wilhelm Wach ab 1819 wieder in Berlin; Wilhelm Schadow war im Sommer desselben Jahres zurückgekehrt; Wilhelm Hensel reiste erst 1823 nach Italien und war zuvor und danach einer der meistgefragten Porträtisten; Karl Begas, nach zeitgenössischem Urteil Raczynskis der erste deutsche Bildnismaler, gab 1821eine Probe seiner Kunst und arbeitete ab 1824 ganz in Berlin. Es waren also zu dem Zeitpunkt, als Caroline nach Berlin kam, berühmte Bildnismaler in der Stadt. Allerdings gab es eine außerordentliche Nachfrage nach Porträtmalern, denn nicht nur bestellte traditionell der Adel, sondern zunehmend verlangte auch das zu Wohlhabenheit und Selbstbewußtsein gekommene Bürgertum repräsentative Bildnisse, und man kann an der steigenden Zahl von Porträts auf den Akademieausstellungen die Beliebtheit der Gattung ablesen. Sie wurde übrigens in der zeitgenössischen Kritik stets stiefmütterlich behandelt. Der Aufschwung der Bildnismalerei brachte für die Maler durch das Herstellen von Kopien einträgliche Arbeit, denn wie etwa heute beim Foto war es verbreitet, Bildniskopien aus Freundschaftsbezeugung oder Familiensinn zu verschenken. Häufiger als in ihren Kompositionen religiöser Szenen gelang es Caroline Bardua, überzeugende Bildnisse zu schaffen, denen der sentimentalische Zug nicht anhaftete. Oft setzt sie ihr Modell vor eine weite idealische Landschaft, in deren Hintergrund über einen Flußlauf eine Brücke führt, in ruhiger Haltung und mit sinnend in die Ferne gerichtetem Blick. Eines ihrer schönsten Porträts ist das von Carl Maria von Weber. Im Juni 1821wurde unter der Leitung des Komponisten im inzwischen fertiggestellten Schinkelschen Schauspielhaus der "Freischütz" aufgeführt; es war ein überwältigender Erfolg für Carl Maria von Weber, seine Melodien waren über Nacht in Berlin populär geworden und er selber ein überaus gefeierter Künstler. "Weber kam auch zu Caroline und ließ sich von ihr malen -das gab wieder interessante Sitzungen. Er war ein schmächtiger Mann, hinkte ein wenig, hatte schmale Schultern, einen langen Hals, große Augen mit breiten Augendeckeln -diese Augen mochten wohl die Veranlassung geben, daß viele Leute behaupteten, er sehe Carolinen ähnlich. "  [19] Carolines Porträt des Komponisten ist von allen ihren Bildern das bekannteste geblieben, es wird gelegentlich reproduziert und ist im Musikinstrumentenmuseum in Berlin ständig ausgestellt. Carolines künstlerischer Ehrgeiz ließ sie immer wieder über das Einzelporträt hinaus die! doppelte Aufgabe von Bildnis und Komposition im Gruppenporträt wagen. Als sie 1821 Gelegenheit hatte, Prinzessin Marianne von Preußen, Schwägerin des Königs Friedrich Wilhelm III. und seit dem Tod der Königin Luise die erste Repräsentantin des Berliner Hofes, zu bitten, ihr Bildnis malen zu dürfen, wurde ihr gleich ein ganzes Familienporträt gewährt. Caroline machte sich an die Komposition des Elternpaares, umgeben von seinen drei Kindern. Dieses Bild, es ist seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen, wurde 1822 unter dem Titel "Gemälde Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen Wilhelm von Preussen" in der Akademie ausgestellt, und zwar gleichzeitig mit einem Gemälde, das Wilhelm Schadow ebenfalls von der Familie des Prinzen gemalt hatte. Der so herausgeforderte Vergleich war für Caroline Bardua nicht sehr ermutigend, es machten sich in der direkten Konfrontation ihr Mangel an strenger Ausbildung und das Fehlen einer wirklich gründlichen Studienzeit neben dem sorgfältig geschulten, vor kurzem erst aus Rom zurückgekehrten Schadow bemerkbar. Ausführlich berichteten die Zeitungen über die Kunstausstellung der Akademie in Berlin; Caroline Bardua hatte sich bereits einen Namen gemacht, den die Kritiker nicht übergehen konnten. "Unter die bekanntesten der hiesigen Maler gehören außer den vielen schon Genannten noch zwei denn wer könnte von Allem reden, ohne einen Quartanten über eine so reichhaltige Gemäldesammlung zu schreiben ich meine Caroline Bardua und Wilhelm Hensel, beide aus Dresden persönlich bekannt. Caroline Bardua gehört zu den frequentiertesten unter den hiesigen Künstlern, und das Publikum liebt die anspruchslose Malerin wohl hauptsächlich wegen ihrer Gabe, eine auffallende Ähnlichkeit in ihre Porträts zu bringen. Übrigens aber wird sie sich noch mehr bemühen müssen, die naturgemäße Harmonie der Farben besser herzustellen, da, wie sie jetzt malt, ihre Bilder ein gewisses Wachs-Kolorit zeigen, das der gutmütigen Künstlerin wohl vorzüglich den herabsehenden Spott einiger Männer vom Metier zuzieht, wenn nicht auch der Umstand mit anzuschlagen ist, daß eben die Bardua -viel zu tun hat!! -Ihre beiden kleinen fürstlichen Porträts sind mit ansprechender Sorgsamkeit gemalt, dagegen ihr großes Familienbild der Prinzessin Wilhelm mit allen Vorzügen auch alle ihre Fehler zeigt, und welches die Künstlerin hier gewiß zurückgehalten hätte, wenn sie eben gewußt hätte, das Schadow denselben Gegenstand behandelte und ausstellte." [20] Als Caroline Bardua 1834 die Töchter des Dichters Ernst von Houwald malte, zu dessen engerem Freundeskreis sie gehörte, gelang ihr die weniger ehrgeizige Aufgabe besser. Die fünf Schwestern bilden eine geschlossene, wohlausgewogene Gruppe, deren zusammenfassende Basis von einem auf ruhigem See schwimmenden Kahn gebildet wird, im Hintergrund
eine romantische Uferlandschaft. Es ist ein Sinnbild biedermeierlich beschaulicher Geschwisterliebe, leidenschaftslos und die Personen ein wenig verklärend. Auch in der sich mehr und mehr durchsetzenden lithographischen Technik des Steindrucks hat Caroline gearbeitet; erhalten ist ihr Blatt, das sie nach einem zuvor gemalten Bildnis David Friedländers gearbeitet hat Friedländer, Schüler und Freund Moses Mendelssohns und sein Nachfolger als geistiges Oberhaupt der deutschen Juden im Kampf um ihre Emanzipation, sitzt vor einer freien, weiten Landschaft. Hoch wölbt sich der Himmel hinter seinem Haupt, und mit klaren, forschenden Augen blickt der siebzigjährige gelehrte Mann in die Ferne. Die Lithographie zeigt den unerschrockenen, energischen Ausdruck eines bis ins hohe Alter intellektuell lebendigen, mit maßgeblichen Geistern der Zeit in fruchtbarem Austausch stehenden Juden. Noch lange nach Friedländers Tod war Carolines Steindruck als Erinnerung an diesen führenden Kopf der deutschen Aufklärung begehrt.Gegen Ende der zwanziger Jahre unternahm Caroline immer ausgedehntere Arbeitsreisen nach Süden und Westen; Koblenz, Mainz, Heidelberg, Wiesbaden, Köln, sogar Paris, besonders Krefeld waren, je nach Umfang der Porträtbestellungen, kurze oder längere Stationen ihres Reise-und zugleich Arbeitslebens. Ihr langer Aufenthalt in Frankfurt am Main war einer der erfolgreichsten überhaupt. Dabei war den beiden unverheirateten Frauen gerade bei ihrer Ankunft in Frankfurt bitter die Mühsal ihres Pilgerlebens bewußt geworden. "Ach, es ist ein herzbeklemmender Augenblick: das Ankommen in einer fremden Stadt, von der man etwas erwartet, auf die man Hoffnungen baut! Die Häuser sehen einen so kalt und vornehm an keines gibt Antwort auf die Frage: wird es uns hier gut ergehen? Caroline freilich macht sich keine Sorgen sie findet immer sogleich ihre Welt wieder, wenn sie nur erst ihre Staffelei aufgestellt und den Farbentisch bereitet.

Nun heißt es wieder Besuche machen, und dann wollen wir sehen, wie es gelingen wird, uns hier eine einstweilige Heimat zu schaffen.." [21] Auch in Frankfurt gelang es den Schwestern in kürzester Zeit, mit eingesessenen Familien in Beziehung zu treten; die Namen von Adlerflycht, Brentano, Gotard, Guaita, Günderode, Rothschild tauchen in Wilhelmines Aufzeichnungen auf. Caroline und Wilhelmine Bardua wurden in ein elegantes Gesellschaftsleben gezogen, denn am Sitz des Deutschen Bundes lebte ein recht vergnügungssüchtiges Diplomatenvölkchen, und ein phantasiebegabter, unternehmungslustiger Geist war immer höchst willkommen. Doch auch die Frankfurter Künstlerwelt akzeptierte Caroline; im Kreise ihrer Malerkollegen war sie anerkannt, verkehrte häufig mit Philipp Veit, dem soeben ernannten Direktor des Städelschen Kunstinstituts ; mit der seit der gemeinsamen Ausbildung in Dresden befreundeten Louise Seidler traf sie oft zusammen. Vor allem wurde Caroline mit Aufträgen reichlich verwöhnt, sodaß Louise Seidler behauptete, Caroline wäre in Frankfurt zu immensem Reichtum gelangt Folgenreich für ihr Leben in Berlin wurde die in Frankfurt geknüpfte Verbindung mit der Familie Brentano. Bei den Frankfurter Brentanos hatten die Schwestern beim gemeinsamen abendlichen Musizieren Franz von Savigny kennengelernt, er war der Sohn des Berliner Juristen und späteren Ministers Friedrich Carl von Savigny und dessen Frau Kunigunde,einer geborenen Brentano und Schwester Bettina von Arnims. Als die Barduas im Winter 1832/33 nach Berlin zurückkehrten, dauerte es nur kurze Zeit, bis sie zu größeren Soireen im Hause Savigny eingeladen wurden. Es hat sich zwischen Caroline Bardua und den etwa gleichaltrigen Savignys eine bemerkenswert innige lebenslange Freundschaft entwickelt, die auch deren erwachsene Kinder einbezog. Die gemeinsame Freude an musikalischen, literarischen, bildnerischen Aktivitäten, der heitere Umgangston, die freundschaftliche Anteilnahme haben die von ihrer äußeren Situation doch recht unterschiedlichen Menschen zueinander gezogen. Die Familie Savigny wohnte am Pariser Platz 3, nur eine kurze Fußstrecke entfernt von der Wohnung der Barduas in der Französischen Straße 28. Am Sonntagmorgen machte Kunigunde regelmäßig Visite bei Caroline, und zu den häuslichen Gesellschaften war man gegenseitig ein für allemal eingeladen. Selbst seinen 61. Geburtstag feierte Savigny bei den Barduas. Wehmütig erinnert Caroline im Alter die Freundin an die traulichen Stunden: "... ich seh'im Geist Sie, teure Frau, an Ihrem Gartenfenster sitzen, ganz wie sonst! Bei Ihrer Arbeit und blankem, blitzendem Teezeug! Da sitzen wir und es plaudert sich so traulich und prächtig mit Ihnen, wie sonst, ja und ich möchte Sie so recht an mein Herz drücken, wie sonst. . ." [22] Im Hause Savigny begegneten die Schwestern im Februar 1833 zum ersten Male Bettina von Arnim, und ganz wie es der spontanen Art Bettinas entsprach, entwickelte sich ein lebhafter Umgang mit den Barduas, besonders zu Caroline fühlte sich die nur wenig mehr als drei Jahre jüngere Bettina hingezogen. Beide Frauen, im vorgerückten Alter um die fünfzig, hatten ihr Leben in sehr eigenständiger ,unabhängiger Weise gestaltet, beide schätzten sie vorurteilslos die Äußerlichkeiten gering gegenüber den Gütern des Geistes, der Kunst, des Gemüts, beide arbeiteten sie schöpferisch und hatten immer wieder Kraft, gegen die widrigsten Umstände ihre persönliche Lebensform durchzusetzen. Diese innere Disposition mußte gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung bewirken.

Die "berühmte" Bettina kam zu den Barduas, um aus ihren Manuskripten vorzulesen, gab ihre jüngste, höchst eigenwillige Tochter Gisel in deren Obhut und nahm selber, was sie sonst kaum tat, an der Geselligkeit in der kleinen Wohnung teil. Ihre älteste Tochter Maxe, die als junges Mädchen bei den Barduas eine zweite Heimat fand, schrieb: "Unsere Mutter kannte die Schwestern schon seit Jahren und schätzte sie so hoch, daß sie, der sonst alles Besuchernachen ein Greuel war, oft stundenlang bei den Barduas in ihrer kleinen traulichen Wohnung in der Französischen Straße saß." [23] Bettinas vertrauensvolle Hinwendung schon kurze Zeit nach ihrer ersten Begegnung bezeugt die Stellvertretung Carolines beim Abschluß eines Mietvertrages für die Winterwohnung der Arnims 1834. Caroline schreibt nach Wiepersdorf am 18.August: "Ich habe also nach Ihrem Wunsche alles abgemacht, obwohl es mir lieber gewesen wäre, wenn Sie hier selbst gewesen wären. Er brachte den Contrakt und ich unterschrieb, er liegt in Ihrem Pulte. . ." [24] Bettinas Urteil über Carolines künstlerische Arbeit kennen wir nicht, daß sie ihre Bildniskunst schätzte, geht daraus hervor, daß sie ihre drei Töchter von Caroline Bardua porträtieren ließ . Maximiliane von Arnim diente Caroline darüber hinaus als Modell für eine Najade, ein Blumenmädchen, eine Madonna und eine Iphigenie. [25] Wie Caroline Bettinas literarische und künstlerische Arbeit schätzte, geht aus einem Brief vom Februar 1847hervor, in dem sie Bettinas Tätigkeit lobt, "die mich alte Kunstschwester entzückt hat" [26], und nach ihrem Tode schreibt Caroline voller Anhänglichkeit: "... oft lese ich und erfrische mich an der geliebten Bettinas Schriften. " [27]Dagegen äußert die jüngere Wilhelmine oft wohlwollende Skepsis bei der Lektüre der Schriften Bettinas.

In den dreißiger und vierziger Jahren blühte Carolines künstlerisches Schaffen; auf den Ausstellungen der Akademie zeigte sie ihre Werke, darunter das bis heute unbekannt gebliebene Bildnis Paganinis, "nach der Natur gemalt", und das spätere Friedrich-Porträt; ab 1839 gewährte ihr die Akademie mit königlicher Genehmigung ein kleines Jahresgehalt. Ihre hochangesehenen Kollegen Rauch, Drake, der alte Gottfried Schadow, der Bildhauer Friedrich Tieck achteten sie und waren ihre Gäste, viele Wochen genießt sie das Landleben im Kreise der Familie des Dichters Ernst von Houwald. Auf dem Sommersitz des Geheimrats Graefe, dessen Tochter Ottilie Schülerin und lebenslange Freundin wurde, in der nach Schinkelschen Plänen erbauten Villa "Finkenherd" im Tiergarten, verbrachten die Schwestern viele Monate. Zu einem besonderen Höhepunkt ihres Lebens und zugleich eine Marginalie in der Kulturgeschichte Berlins wurde eine Unternehmung, die in den vierziger Jahren unter aktiver und führender Mitwirkung Caroline Barduas ins Leben gerufen wurde, die Vereinigung einer Anzahl junger Damen zu einem anspruchsvollen literarisch-künstlerischen Zirkel, dem Kaffeter. Vereinigungen von Männern in literarischen Clubs, wo Ernst und Spiel in freundschaftlicher Runde vorgetragen wurden, gab es in Berlin seit langem, und auch zahlreiche Lesecafes, oftmals mit politischem Akzent, existierten und waren überwiegend der Männerwelt überlassen. Regelmäßige Zusammenkünfte von Frauen gab es dagegen nicht. Mögen die Treffen der Kaffeter, von heute gesehen, mit ihren spielerisch harmlosen Darbietungen unbedeutend und künstlerisch folgenlos wirken, so sollte doch nicht außer acht gelassen werden, daß hier von gebildeten, begabten jungen Mädchen, denen ja eine berufliche Betätigung gänzlich verwehrt war, der Versuch unternommen wurde, sich diszipliniert und regelmäßig in Schrift und Wort zu üben und, wenn auch in einer eingeschränkten Öffentlichkeit, vorzutragen. Leider sind die von Wilhelmine Bardua geführten Protokolle, die als Kaffeterzeitung zu fünf dicken Foliobänden angewachsen waren, nicht mehr auffindbar. Wie Johannes Werner aus der Kenntnis der Originale berichtete, enthielten sie neben Unbedeutendem gute,ja hervorragende schriftstellerische und künstlerische Beiträge, die das hohe Niveau dieses Dilletantenkreises beweisen. Einige Zeichnungen und Dokumente der Kaffeter bewahrt heute das Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt.

Teil 3

Über die Gründung des Kaffeters berichtet Maxe von Arnim in ihren Memoiren: Während eines Besuchs der Barduas bei Bettina hörten sie aus einem Brief Johanna Mathieux' von deren Mitwirkung am Bonner "Maikäferbund". Dabei handelte es sich um die wöchentliche Versammlung von überwiegend Studenten und jungen Wissenschaftlern, die jeweils eigene literarische Beiträge zur Diskussion stellten, sich aber auch mit scherzhaftem Gesang und Spiel die Zeit vertrieben. Die Töchter Bettinas und die Schwestern Bardua waren sofort einig, nach diesem Vorbild in Berlin einen weiblichen Zirkel zu bilden. "Am 30. März 1843 fand dann die erste Sitzung bei Ottilie v. Graefe (,Sir Odillon'), der Tochter des Chirurgen und Schwester des berühmten Augenarztes, in der Behrenstraße statt. Erschienen waren außer den Barduas und uns Marie Lichtenstein (,Marius'), die Tochter des Zoologen, und die beiden Töchter Pauline und Anna des Generals von Wolzogen. Es wurde beschlossen: Möglichst allwöchentlich im Winterhalbjahr soll eine Sitzung abwechselnd bei den Mitgliedern zur Kaffeestunde stattfinden. Die Mitglieder sind verpflichtet, zu jeder Sitzung einen Beitrag eigener Erfindung einzureichen: Gedichte, Novellen, Memoiren, Zeichnungen, Malerei oder Komposition. Diese Beiträge werden in den Sitzungen verlesen und beurteilt und dann in einem Heft zu einer Nummer der Kaffeterzeitung' vereinigt.

Bardua-1Abbildung links: Titelblattzeichnung für die Kaffeterzeitung von C. Bardua

 

Das Amt als Redakteur übernahm ,Minus Bardua', die trotz ihrer fünfundvierzig Jahre überhaupt immer die Unruhe im Uhrwerk des Kaffeters gewesen ist. Sie verfaßte auch in feierlich-komischem Tone das Protokoll über den Verlauf jeder Sitzung, das der betreffenden Nummer beigeheftet wurde. Unser ,Altmeister Bardolino', die schon über sechzig Jahre alte, aber noch immer frische und heitere Caroline Bardua, die als guter Geist über dem Ganzen schwebte, versprach, für den Umschlag jeder Nummer der in Folio erscheinenden Zeitung eine Zeichnung, die später sogenannte ,Kaffeterdecke', zu liefern. Mich arme Trauerweide wählten sie zum ,Präsident Maiblümchen', denn jedes Mitglied bekam sofort einen Kaffeternamen. " [28]

Caroline Bardua nahm einen Ehrenplatz im Kaffeter ein. Bei den großen Kaffeterereignissen, wie der Ausstattung eines Festes für den König im Hause.Savigny, mußte "Altmeister Bardolinos" unermüdliche Erfindergabe helfen und mit ihren beliebten lebenden Bildern das Fest schmücken. Der Kaffeter war in den vierziger Jahren in Berlin zu einiger Bekanntheit und einigem Ansehen gelangt. Gegründet als strenger Mädchenverein, dem nur Unverheiratete angehören durften, gestattete man dann doch wenigen Männern mitzumachen. "Ungefährliche Herren" wie Herman Grimm, Emanuel Geibel, Gebhardt von Alvensleben wurden Mitglieder; dem verehrten Märchendichter Hans Christian Andersen wurde die Ehrenmitgliedschaft verliehen, er gehörte als "Anderlein" zum Kaffeter. Andersen, der während seines Aufenthalts 1846 in Berlin viel umschwärmt und umworben wurde, nahm sich Zeit für eine Porträtsitzung bei Caroline Bardua. "Andersen hat Wort gehalten. Er kam gestern morgen um 1;10 Uhr und blieb anderthalb Stunden. In dieser kurzen Zeit hat Caroline seinen Kopf in Öl geworfen -und wie frappant! Die Arnim, die noch nichts von unserer Begegnung wußte, hat ihn heute sofort erkannt."[29] Im Tagebuch des dänischen Dichters heißt es:"... drei Malern habe ich gesessen und einer alten Malerin, die mich in Öl malte, und die mir über mein Äußeres soviel Schönes sagte, daß ich mich wohl sehen lassen kann! Ich muß ja wunderbar aussehen! An so etwas habe ich nun früher nicht gedacht, das höre ich erst in meinen alten Tagen. "[30]

Leider ist Carolines Andersen-Porträt verschollen, auch eine Abbildung nirgends auffindbar. Gelehrte und Künstler, Minister und Hofdamen, Prinzen und Prinzessinnen baten darum, bei den Kaffetersitzungen Gast sein zu dürfen. Verheiratete Damen konnten nicht Mitglieder werden, aber als Kaffetermütter oder Patronessen nahmen Damen der Berliner Gesellschaft wie Frau von Savigny, Frau von Bardeleben, Frau von Olfers am Treiben teil. Bettina von Arnim wurde als "Fürstin Dodona" verehrt und hat für die Kaffeterzeitung, die ja doch einen ernsthaften Versuch zu künstlerischer Arbeit darstellte, Beiträge geliefert. Mit dem Aufbruch der politisch-gesellschaftlichen Spannungen 1848 war auch das Ende dieses liebenswürdigen Zusammenschlusses gekommen. "Am 14.März hatte der Kaffeter noch die Kühnheit, sich bei Barduas in der Französischen Straße zusammenzufinden. Aber ein lähmender Druck lag wie ein Bleigewicht auf dem sonst so fröhlichen Kreise, kein Scherz wollte aufkommen, alle hörten mehr auf den Krawall auf der Straße als auf die Geistesprodukte, die verlesen wurden. Olfers' Diener erschien schon vor 6 Uhr, um seine Damen abzuholen, weil der Schloßplatz später nicht mehr zu passieren wäre. Es war die Todesstunde unseres geliebten Kaffeters."[31] Für Caroline Bardua wie für alle, die dazugehört hatten, blieb der Kaffeter ein Glanzpunkt ihres Lebens; wenn man auch weit auseinanderkam, so zerfiel doch nicht das feste Freundschafts-band unter den Frauen. "Welch ein Zauber hat doch für uns alle die Erinnerung dieses allerliebsten Vereins, ob er woW noch einmal ein wenig erblüht?"[32]

Im Laufe der vierziger Jahre wurden die Bindungen der Barduas an ihren Heimatort Ballenstedt enger geknüpft, lange Aufenthalte dort wechselten mit Berlin ab, so daß sie schließlich an beiden Orten zu Hause waren. Am Ballenstedter Hof wurde Caroline wegen ihres heiteren Temperaments und ihrer Gabe, Gesellschaften kultiviert zu beleben, mehr und mehr unentbehrlich, hinzu kam ihr beruhigender Einfluß auf den gemütskranken Herzog. Das immer hektischer werdende aufstrebende Berlin und die gleichmäßig unveränderlichen Lebensgewohnheiten in Ballenstedt bildeten die Pole ihres Lebens, bis das Revolutionsjahr eine eigentliche Zäsur setzte. Zu politischen und sozialen Fragen sind Äußerungen Carolines kaum erhalten, dennoch kann aus dem wenigen eine nicht zu verwundernde Übereinstimmung mit der herrschenden Ordnung erkannt werden. Für eine selbständige Künstlerin, die erfolgreich und angesehen ihren Platz im Bestehenden gefunden hatte, die sich auch materiell hatte sichern können -Caroline konnte auf Zinsen aus ihrem erarbeiteten Kapitel zurückgreifen -, der Verehrung, ja Liebe von Töchtern und Söhnen führender Familien entgegengebracht wurde und die Freundschaften bis in die Hofkreise pflegte, konnte eine gewaltsame Veränderung nicht wünschenswert erscheinen.

Anders als Rahel Varnhagen, die die Gleichheitsparolen der Julirevolution begrüßt hatte, hing Caroline Bardua loyal am Bestehenden. "Politik ist und bleibt mir langweilig und ich muß zu meiner Schande bekennen, daß ich gar nichts davon wissen mag und zu erfahren mich bemühe; wenn unser König Kaiser wird, so wollts mich recht von Herzen freuen, einen besseren werden sie wohl nicht finden, wenn dann die Freiheitsschreier nur so viel Biebel-Spruch im Herzen haben, als da steht, gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist, so wirds wohl gehen, aber Frau Ilsebill will immer noch was anderes. Ich wollte, sie die wilden Schreier säßen mit einemal auch in solch einem Geschirr"[33] schreibt Caroline an Savignys, schließlich war Friedrich Karl von Savigny als preußischer Justizminister ein hoher Repräsentant des Staates. Die Alternative des ruhigeren Ballenstedt wurde für die siebenundsechzigjährige Malerin verlockender. "Wenn ich von dorther etwas höre und vernehme, was die Regsamkeit des geistigen Treibens und Lebens verkündigt, so erwacht gleich die größte Sehnsucht in uns nach dem prächtigen Berlin zurückzukehren, ist aber immer noch nicht alles so sicher und friedlich zu denken, so ist mir gleich wieder so miserabel zu Muthe als damals als wir Reißaus nahmen vor der Menschheit Gebrüll und die einsame friedliche Stille hier, erscheint uns dann gar so lieb und dankenswerth. "[34]

1850und 18511ebtendie Schwestern nur wenige Monate in Berlin, und 1852ist die Entscheidung für einen endgültigen Rückzug nach Ballenstedt gefallen. Die beschauliche Residenzstadt Berlin rüstete sich mehr und mehr zur industriellen Weltstadt, die biedermeierliche Lebensweise war Vergangenheit geworden, und mit dem Neuen konnten und wollten die beiden alten Damen nicht mithalten. "Dieses Hasten und Jagen des Berliner Lebens ist zu tosend für unsere alten Kräfte, auf die Dauer würde es sie verzehren. Selbst hier im Tiergarten wird jetzt das unablässige Rollen der Wagen oft unerträglich."[35] Letzte Besuche gelten dem Neuen Museum, dem Zoologischen Garten, der Krolloper, ein wehmütiger Spaziergang durch den geliebten Tiergarten. Im Hause Savigny herrschte Trauer um den verstorbenen Sohn Franz, auch bei Bettina und ihrer Tochter Maxe war Kummer eingezogen, Raheliebte schon lange nicht mehr, und Varnhagen trafen sie mit weißem Haar ein letztes Mal.

In Ballenstedt bezogen die Schwestern Bardua im Hartrottschen Hause nahe am Schloß eine behagliche Wohnung, eine Gedenktafel erinnert heute die wenigen Touristen an die einstigen Bewohnerinnen. Auch hier blühte in kurzer Zeit ein an Musik, Theaterspiel und allerhand Treiben reiches Gesellschaftsleben auf, bevorzugt wurden sie an den Hof geladen, begleiteten das herzogliche Paar ins nahegelegene Alexisbad und empfingen Besuche ihrer Berliner Freunde. Als sie 1856 noch einmal für zwei Wochen in Berlin sind, sehnen sie sich in ihr stilles Daheim zurück.

Bardua-2

Die Schwestern Bardua, Bleistiftzeichnung von C. Bardua

Caroline Bardua konnte, immer umsorgt von Wilhelmine, in Ballenstedt ein friedliches Alter genießen. Sie "fabuliert mit Blei und Farben", auch Porträtbestellungen werden ausgeführt, Briefe an die alten Freunde wandern hin und her, aus Weimar schickt die "alte liebe Kunstgenossin" Louise Seidler Andenken gemeinsamer Erlebnisse [36], Herman und Gisel Grimm senden ihre ersten Publikationen, die alten "Kaffeologen" grüßen "alter schöner Zeiten gedenkend". Am 2. Juni 1864 ist Caroline Bardua in Ballenstedt gestorben. Ein Jahr später starb auch Wilhelmine, bis zum Schluß hatte sie Zeugnis über den Lebensweg der Schwestern abgelegt. Das künstlerische Werk Caroline Barduas, so unterschiedlich und manches Mal umstritten es auch sein mag, wartet bis heute auf Beachtung und Würdigung.

 

Anmerkungen

[1] Johannes Werner: Die Schwestern Bardua, Leipzig 1929, S.65. Diese nach Wilhelmine Barduas Aufzeichnungen gestaltete Lebensbeschreibung ist die wesentliche Quelle meines Aufsatzes.
[2] Gisela Breitling: Die Spuren des Schiffs in den Wellen, Berlin 1980, S.209.
[3] Pfarrer Jung: Auf den Spuren einer alten Hugenotten-Familie in Mußbach, Neustadt a. W. (1939).
[4] Johannes Werner, S.16.
[5] Johannes Werner, S. 123.
[6] Johannes Werner, S. 16.
[7] Brief J. A. Barduas an J. Falk vom 25. August 1806, H. i. 0., Nat. Forschungs-und Gedenkstätten, Weimar, Falk II 1, 4A.
[8] Johannes Werner, S.29.
[9] Hermann Uhde (Hrsg.): Erinnerungen der Malerin Louise Seidler, Berlin 1922, S. 55. 10 Brief Caroline Barduas an Falk vom 5. Februar 1808, H.i.O., Nat. Forschungs-und Gedenkstätten, Weimar, Falk II 2 BI.
[11] Wilhelm von Kügelgen: Jugenderinnerungen eines alten Mannes, 1802-1820, Leipzig 1924, S.1l5.
[12] Bettina von Arnim, Werke und Briefe, hrsg. von Joachim Müller, Frechen/Köln 1961, S. 87.
[13] Marianne Prause (Bearb.): Die Kataloge der Dresdner Akademie-Ausstellungen 1800-1850, Berlin 1975.
[14] Helmut Börsch-Supan (Bearb.): Der Schinkel-Pavillon, 3, Berlin 1982, S. 58.
[15] Johannes Wemer, S.48.
[16] Johannes Wemer, S. 81.
[17] Johannes Wemer, S.77.
[18] Helmut Börsch-Supan (Bearb.): Die Kataloge der Berliner Akademie-Ausstellungen 1786-1850, Berlin 1971.
[19] Johannes Wemer, S.81.
[20] Zeitung für die elegante Welt, Nr. 240, 7. Dezember 1822; Kgl. privilegierte Berlinische Zeitung von Staats-und gelehrten Sachen, 24. Oktober 1822.
[21] Johannes Wemer, S. 134/135.
[22] Brief Caroline Barduas an Kunigunde von Savigny, Universitätsbibliothek Marburg, MS 725/91. [23] Johannes Wemer: Maxe von Amim, Leipzig 1937, S. 60.
[24] Brief Caroline Barduas an Bettina von Arnim, o. D., wahrscheinlich handelt es sich hier um das von Maxe v. Arnim (S. 45) erwähnte "interimistische Logis", das die Arnims HerbstIWinter 1834 Unter den Linden bezogen.
[25] Johannes Wemer: Maxe von Amim, S. 60.
[26]26 Brief Caroline Barduas an Kunigunde von Savigny vom 8. Februar 1847, Universitätsbibliothek Marburg, MS 725/82.
[27]27 Brief Caroline Barduas an Kunigunde von Savigny, o. D., Universitätsbibliothek Marburg, MS 725/89.
[28] Johannes Wemer: Maxe von Amim, S. 103 f.
[29] Johannes Wemer: S.203.
[30] Mitteilung des Hans-Christian-Andersen-Museums in Odense.
[31] Johannes Wemer: Maxe von Arnim, S.169.
[32] Brief Caroline Barduas an Kunigunde von Savigny vom 19. Dezember 1849, Universitätsbibliothek Marburg, MS 725/83.
[33] Wie vor.
[34] Wie vor.
[35] Johannes Wemer, S. 268.
[36] Brief Caroline Barduas an Louise Seidler vom 22. März 1853, Universitätsbibliothek Bonn, Autographensammlung.

Nachweis von Werken, die hier nicht abgebildet werden,
Bilder von Caroline Bardua befinden sich in Privatbesitz und in folgenden Museen:
Berlin (West): Berlin-Museum, SMPK Nationalgalerie, Kupferstichkabinett,
Schloß Charlottenburg; Berlin (Ost): National-Galerie ; Dessau: Staatliche Galerie ; Düsseldorf: Goethe-Museum; Falkenstein-Pansfelde: Jagdmuseum; Frankfurt a. M.: Freies
Deutsches Hochstift; Halle: Archiv der Franckeschen Stiftungen; Krefeld: Kaiser-Wilhelm-Museum, Museum Burg Linn; Obbach: Sammlung Georg Schäfer; Quedlinburg:Heimatmuseum; Weimar: Nationale Forschungs-und Gedenkstätten, Wemigerode: Feudalmuseum Schloß Wemigerode.