Die Berliner Gutsbesitzer - Teil A
Büttner-Spiekermann
(siehe auch Die Berliner Gutsbesitzer - Teil B - Bötzow)

Von Otto Behrendt

Wer vor hundert Jahren vor das Schönhauser und das Prenzlauer Tor kam, fand dort außer den Weinbergsstücken fast nur Ackerfelder vor, die sich bis nach den Grenzen der Pankower und Weißenseer Feldmarken, nördlich der jetzigen Bornholmer und Wisbyer Straße, erstreckten. Die größte Ackerwirtschaft Berlins besaß hier Wilhelm Gotthold Büttner und später dessen Schwiegersohn Dr. Ferdinand Spiekermann.

Der Gutshof des Büttner lag nahe dem Schönhauser Tor und umfaßte das Häuserviereck Alte Schönhauser Straße 3 /4, Linienstraße 222 bis 228 und Rückerstraße 5 bis 3. Dem Büttner wurden 1822 bei der Zusammenlegung der bisher im Gemenge liegenden, handtuchartigen Berliner Ackerstücke 303 Morgen in sieben Hufennummern und außerdem als Abfindung seiner Hütungsberechtigung auf der ganzen Berliner Ackerflur noch rund 94 Morgen Ackerfläche zugewiesen.

Dieser große Grundbesitz, etwa 400 Morgen Land, lag rechts der Schönhauser Allee von der jetzigen Metzer Straße 43 nach Norden bis zur Grenze von Pankow und Weißensee. Die zur Zeit noch vorhandene eine Rute breite Lücke zwischen Metzer Straße 42 und 43, die sich bis zum Wörther Platz hinzieht, ist der alte Büttnersche Feldweg und bezeichnet östlich die Grenze mit den damaligen Bötzowländereien, die zum großen Teile rechts und links von der Weißenburger Straße lagen.

Die Büttnersche Grenze zog sich in gerader Richtung bis zur jetzigen Danziger Straße hin, dem Kommunikationsweg, wie er damals hieß. Sie lief an der Danziger Straße bis zur Ecke der Prenzlauer Allee, an dieser weiter nach Norden, sprang dann gegenüber der jetzigen Kuglerstraße 70 Ruten (264 m) weit auf die östliche Seite der Prenzlauer Allee über und ging darauf in stumpfem Winkel bis zur Weißenseer Grenze.
Westlich zog sich die Grenze des Ackers an der Lychener Straße entlang (die Bretterwand des freireligiösen Friedhofs daselbst zeigt noch heute die Grenze mit dem früheren Vorwerksacker), ging dann nördlich bis an die Pankower Feldmark und im Süden an der Schönhauser Allee entlang bis zur Metzer Straße.[1]

Schon 1806 hatte Büttner sieben Hufen in drei Feldern nebst kurzen Stücken und zwei Weinbergsstücken, eins vor dem Landsberger Tor (im jetzigen Friedrichshain) und eins vor dem Bernauer Tor, das jetzt das Neue Königstor ist. Fünf Wiesen lagen bei Boxhagen (Lichtenberg), bei Stralau und Rummelsburg, sowie 18 Kavelländer und vier Wiesenplätze vor dem Frankfurter Tor, südlich der Frankfurter Allee bis zur Boxhagener Straße, rechter Hand des damaligen "Schlößchens" (Neue Welt).
Eine große und eine kleine Wiese befanden sich im Tiergarten unter der Jurisdiktion des Amtes Mühlenhof, die später gegen 22 Morgen Judenwiesen in der Nähe der jetzigen Gotzkowskybrücke, Jagow- und Levetzowstraße eingetauscht wurden.

Damals ließ Büttner seine Schafherden Unter den Linden entlang treiben, und es hieß von seiner Hütung in Berlin, "sie reiche, so weit der Himmel blaut".
Dem Büttner gehörten außerdem in Moabit 516 Morgen (550 Magdeburger Morgen) Heideland, dessen Grenze vom jetzigen Bahnhof Beusselstraße, die Birken-, Bandel- und Turmstraße, östlich bis zur Lehrter Straße (dem alten Wege zur Trift), zur Torstraße nördlich der Bahn, an der Föhrer Straße, dann auf der Berliner Weichbildgrenze entlang bis zur Beusselstraße zurück verlief.[2]

Auf diesem Gelände waren 81 Morgen Torfstiche (Fennen), so daß Kreuzfenn, wo sich jetzt etwa der Stephanplatz, die Salzwedeler und die Stendaler Straße befinden. Im Jahre 1814 werden noch 86 Morgen als Wiesenland bezeichnet. Alles übrige war in drei Felder geteilt.

1821 kam es zu einer Klage mit dem Staat wegen dieser "Büttnerschen Feldmark", wobei dem Fiskus die Hälfte überlassen werden mußte, das ist der von Kasernen besetzte Teil östlich der Rathenower Straße. Das ganze Land wurde damals auf 387 000 Taler abgeschätzt, für jene Zeit wohl eine große Summe.

Dies umfangreiche Gelände hatte Büttner im Jahre 1803 bei der Parzellierung der ehemaligen Stadtheide und des Wedding für seine Hütungsberechtigung auf dem Wedding erhalten. Außerdem stand ihm die Hütung auf der gesamten Berliner Feldmark zu. Auf dieser allein durfte er 1 200 Schafe halten.

Über die Berliner Schäfer-Gerechtigkeit übte noch 1717 der Landesherr Friedrich Wilhelm I. das Hoheitsrecht aus. Auch gehörten 7 Hufen, 18 Kavelländer, Wiesen und Weinberge dazu, eine ungewöhnliche Menge, welche die Vermutung wohl rechtfertigt, daß wir hier die bei der Stadtwerdung Berlins mit dem Stadtschulzenamt verbundenen Gerechtigkeiten und Ländereien vor uns haben.

Bestätigt wird sie durch die Bemerkung im Codex Brandenburgensis: "Unter den Gerechtsamen im Dorf, die mit dem Schulzenamt verbunden zu seyn pflegten, findet man das Recht, die Brachfelder der Bauern mit der Schafherde zu benutzen."[3]

Büttner war in den Besitz der Schäferei-Gerechtigkeit durch Heirat der Witwe des August Kraaz gelangt.
Der Vater dieses Ackerbürgers, der Unterpächter (Arendator) von Lichtenberg Martin Kraaz, hatte sie und die Wirtschaft in der Bernowschen Straße (Neue Königstraße) im Jahre 1735 in Zwangsversteigerung für 10 500 Taler erstanden. Vorher gehörte sie dem 1727 verstorbenen George Schönfeld und war dann durch Zwangsversteigerung an den Vormund der Schönfeldschen Erben, Westermann, gekommen, der sie bis 1735 behielt.

George Ernst Schönfeld, Bürger, Gerichtsschöppe und Stadtverordneter in Berlin, Erbherr in Weißensee, hatte sie 1717 von dem "Kgl. Preuß. wohlbestallten Amtmann" des Nieder-Schönhauser Amtes Bartholomäus Thielen gekauft. Am 26. Januar gab der König Friedrich Wilhelm durch eigenhändige Unterschrift[4] die Genehmigung, daß "die von dem Amtmann Thielen seine Schäfferey-Gerechtigkeit" an George Ernst Schönfeld verkauft werden durfte.

Als Martin Kraaz später die Schäferei nebst den sieben Hufen usw. übernahm, wurde die Grundbuchschuld (Hypothek) an die Thieleschen Erben ausgezahlt. Als solche sind genannt: Katharina Thile, Gotthelf Thile, Dorothea Tileken und Peter Tileken, Bürgermeister in Teltow.[5]

1608 hatten die Erben des 1599 verstorbenen Berliner Bürgermeisters Peter Thielen die "Schäfferey-Gerechtigkeit" und ebenso die Meyerei an der Bernowschen Straße an David Reez, Ratskämmerer und späteren Bürgermeister von Berlin, nach welchem die Reezengasse, das Stück der jetzigen Parochialstraße zwischen Spandauer Straße und Jüdenstraße, benannt wurde, erb- und eigentümlich übertragen.
Schon 1391 waren die Rechte des Schultheißen von Berlin durch Thile von Brügge an die Stadt verkauft worden.[6] Dabei verblieb aber dem obersten Lehnsherrn stets das Bestätigungsrecht.
Martin Kraaz erwarb noch:
1 Hufe im Lichtenbergischen neben einer Kgl. Vorwerkshufe,
1 Hufe im Pankowischen bei Tonnenbinder,
2 Hufen im Lichtenbergischen,
1 Hospitalhufe vom Heiligen Geist und dem St. Georgen-Hospital im Lichtenbergischen bei Krüger.
Nur von der Hufe der beiden lutherischen Hospitäler wurde in der Folgezeit Hufengeld bezahlt und zwar 19 Groschen 3 Pfennig und Meßkorn, eine Abgabe an die Kirche (annona missalis), jährlich 1 Scheffel Roggen und 1 Pfennig.[7] Am 12. November 1806 wurden noch für die Hufe 3 Taler 20 Groschen Meßkorn und Sandgeld an die Propstei entrichtet.[8]
Als Martin Kraaz 1762 gestorben war, kam es zwischen den Hinterbliebenen zu einem Erbvergleich, nach welchem Christian Friedrich Kraaz die Schäferei-Gerechtigkeit, die 7 Hufen, Kaveln, Weinberge, wiesen und die Hospitalhufe übernahm.

Von den anderen obengenannten vier Hufen erhielt eine die Eckertin, eine die Kienitzin, eine die Oberförsterin Bartikow, eine Karl Friedrich Kraaz, der Unterpächter des Königlichen Vorwerks vor dem Schönhauser Tor.
Christian Kraaz erbaute 1767 das massive Wohnhaus in der Alten Schönhauser Straße und bewirtschaftete nach dem Tode seines Bruders Carl 1771 auch noch das Königliche Vorwerk für die Witwe desselben.
Als er 1805 starb, blieb seine Witwe in ungestörtem Besitze des Gutes, doch war es bereits durch Kaufvertrag vom Jahre 1799 dem Sohne August Friedrich Kraaz für 28 000 Taler zugesichert.

Die Witwe des August Kraaz heiratete im Jahre 1812 den Kompagnie-Chirurgus (Wundarzt) Wilhelm Gotthold Büttner, der in ihrem Hause wohnte. Nach ihrem Tode wurden ihre beiden Kinder aus erster Ehe: Dorothea Wilhelmine Auguste Kraaz, verheiratete Lehnschulzin Schmidt in Lankwitz, und Friedrich Wilhelm Ludwig Kraaz, Amtmann in Annenwalde bei Templin, durch Geld entschädigt. Büttner behielt das Gut in Berlin.
1823 verkaufte er seine Weinbergstücke an den Mühlenmeister Passow, von dem sie dessen Schwiegersohn Bötzow übernahm.

Die jüdische Gemeinde kaufte 1826 von Büttner das Land an der Schönhauser Allee zwischen der Metzer und der Wörther Straße, auf dem sich noch heute der jüdische Friedhof und die Auerbach-Reichenheimsche Altersversorgungsanstalt befinden.

Wilhelm Büttner starb 1848. Sein Grab ist auf dem alten Sophienkirchhofe an der Mauer in der Ackerstraße. 1853 folgte ihm seine Witwe.

Aus der zweiten Ehe des Büttner stammten zwei Töchter: Marie und Agnes. Erstere verheiratete sich mit Franz Bötzow, Alte Schönhauser Straße, später mit Geheimrat Gurlt. Agnes heiratete den Arzt Dr. Spiekermann. Dieser behielt seine segensreiche Berufstätigkeit bei und überließ die Verwaltung des Gutes dem Stiefbruder seiner Frau, dem unverheirateten Friedrich Kraaz, mit dem er in bester Freundschaft lebte.

1854 waren vor das einfache, einstöckige Gutshaus in der Alten Schönhauser Straße die schönen Kugelakazien gesetzt worden, die den älteren Berlinern wohl erinnerlich sind. Ein Bild des alten Gutshofes befindet sich im Besitze des Herrn Paul Spiekermann, des Bruders des verstorbenen Rittergutsbesitzers R. Spiekermann, in Schlachtensee bei Berlin, Friedrich Wilhelm-Straße 4.

Dreißig Jahre später wich das alte Haus dem jetzigen fünfstöckigen Mietshause, und allmählich wurde das ganze große Grundstück mit Häusern besetzt.

Im Jahre 1874 kaufte Dr. Spiekermann das Rittergut Rangsdorf bei Zossen, das 1880 sein Sohn, der Herr Hauptmann a.D. Richard Spiekermann, übernahm, der wohltätig und freigebig dort wirkte und am 9.4.21 daselbst starb. Sein Sohn Richard bewirtschaftet das Erbgut weiter.
Das Andenken des allseitig hochgeschätzten Dr. Spiekermann aber blieb bei den Berlinern in Ehren, da er in seiner beruflichen Tätigkeit ein treuer Freund, ein unermüdlicher Berater und ein uneigennütziger Helfer der Armen war.
Die Gemeinde Pankow ehrte ihn dadurch, daß sie einer Straße auf ihrem Gelände seinen Namen gab.

Anmerkungen
1 Mencelius: Plan der Berliner Hufen 1822, Litt. M. Nr. 50.
2 Lampe: Plan von den Umgebungen Berlins vom rechten Spreeufer am Unterbaum bis zur Berliner Feldmark vor dem Rosenthaler Tohr, besonders in Beziehung auf die Parzellierung der ehemaligen Cämmereiheide und des Wedding 1827. (Kartensammlung der Staatlichen Bibliothek).
3 Rieder: Codex Brandenburgensis II. Teil S. 206.
4 Akten des Herrn Hauptmann a.D. R. Spiekermann, Rittergut Rangsdorf bei Berlin.
5 Ebenda.
6 Raumer: Codex dipl. Br. cont. I. Teil S. 13.
7 Riedel: Die Mark Brandenburg im Jahre 1250.
8 Akten des Herrn Hauptmann a.D. R. Spiekermann, Rittergut Rangsdorf bei Berlin.

Aus: "Mitteilungen" 38, 1921, S. 33-35.

Berichtigungen:
In den "Mitteilungen" 1921, Nr. 9, S. 35 lies: Die Altersversorgungsanstalt der jüdischen Gemeinde hat nichts zu tun mit deren von Moritz Reichenheim begründeten anderswo gelegenen Waisenhause, und das auf dem Friedhofe schräg gegenüberliegende Auerbachsche Waisenhaus für jüdische Kinder untersteht nicht der jüdischen Gemeinde. Ebendort ist zu lesen S. 35: Herr Richard Spiekermann wird die Bewirtschaftung des Rittergutes Rangsdorf bei Berlin erst nach dem Tode der Mutter, Frau Hauptmann Spiekermann, übernehmen.
(Fortsetzung folgt)

Aus: "Mitteilungen" 38, 1921, S. 38.

Redaktion: Gerhild H. M. Komander 11/2003