Max Bruch
06.01.1838 Köln - 02.10.1920 Berlin
Grabstätte: St. Matthäus-Friedhof
Geburtsname: Max Karl August
Musikgeschichte im Spiegel der Berliner Friedhöfe
Von Joachim Strunkeit
"Meine Klaviermusik ist dumm und unbedeutend. Ich habe kein eigentliches Interesse an diesem Instrument. Meine Domaine scheinen das Orchester und die große Gesangsmusik zu sein. Ich glaube, hier spricht sich sehr schroff der innere Gegensatz aus, in dem ich zu der Schumann'schen Richtung stehe. Alles ging bei Schumann und seinen Jüngern vom Klavier aus".
Das sagte Max Bruch im Jahr 1870, als er im Alter von 32 Jahren bereits bedeutende Werke geschrieben hatte, und mit seiner Kantate "Frithjof" op. 23 für Sopran, Bariton, Chor und Orchester im Jahr 1864 als Komponist seinen Durchbruch gefunden hatte. Seine Chorwerke mit Orchesterbegleitung wurden oft als Bruchs eigentliche musikalische Leistung gedeutet. In der Nachfolge von Felix Mendelssohn Bartholdy und Robert Schumann blieb er Zeit seines Lebens Romantiker und geriet spätestens mit Beginn des 20. Jahrhunderts bei der nachfolgenden Musikergeneration in die Isolation. Von seinem Lebenswerk, das recht vielfältig ausgefallen ist, mit dem Schwergewicht im Bereich der Chorwerke/Oratorien, aber auch Klavierwerken und Liedern sowie 21 Orchesterwerken, die drei Sinfonien und drei Violinkonzerte beinhalten, ist letztendlich für den durchschnittlichen Musikliebhaber nur das große Violinkonzert in g-Moll op. 26 existent.
Geboren am 6. Januar 1838 in Köln, entstammte er väterlicherseits einer Familie evangelischer Geistlicher - der Vater selbst war Jurist und in späteren Jahren Polizeirat in Köln -, mütterlicherseits einer bekannten Generation von Instrumentenbauern aus dem Bergischen Land, den Almenrädern. Der ältere Bruder seiner Mutter, Carl, war ein berühmter Fagottvirtuose, Lehrer an der Musikhochschule Köln, schrieb unter anderem eine Fagottschule sowie Konzerte und Phantasien für Fagott.
Die Mutter, Oratoriensängerin und Musiklehrerin, erkannte früh die musikalische Befähigung des Sohnes und betrieb, mit Unterstützung von Professor Heinrich Breitenstein, einem Freund des Vaters, eine intensive Schulung. Vierzehnjährig (1852), anerkannt durch ein von ihm verfaßtes Streichquartett, wurde Bruchs weitere Ausbildung 1853-57 durch die Frankfurter Mozartstiftung mit 400 Gulden im Jahr gefördert. So erhielt er Unterricht bei Ferdinand Hiller (1811-1885), städtischer Kapellmeister in Köln und Komponist, und Carl Reinicke (1824-1910), Komponist, Pianist und Lehrer am dortigen Konservatorium - beide beeinflußt durch Schumann und Mendelssohn (vgl. den Aufsatz von J. Strunkeit in: "Mitteilungen" Jg. 99, 2003, S. 418 ff.), Reinicke auch durch Brahms.
Ende 1857 wechselte Max Bruch nach Leipzig, zur Fortsetzung seiner Studien bei Ferdinand David, Eduard Rietz und Moritz Hauptmann. Hauptmann, Freund von Mendelssohn und Spohr, Musiktheoretiker und Lehrer, war als später Nachfolger Bachs als Thomaskantor und Direktor der Thomasschule tätig. Eine weitere Bereicherung für den angehenden Komponisten war der Kontakt zum Musikverlag Breitkopf & Härtel.
An der Universität in Bonn ließ er sich 1859 immatrikulieren, um einige Semester in Kunst, Architektur und Philosophie zu absolvieren. Da er als Privatschüler kein Abiturzeugnis vorweisen konnte, ergaben sich Schwierigkeiten, die nicht zuletzt durch das Wohlwollen des Universitätsdirektors, dem heute sehr bekannten Mozart-Biographen Otto Jahn, ausgeräumt werden konnten. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1861 erfuhr Bruch finanzielle Unterstützung durch seinen Verwandten Alfred Krupp und war somit in der Lage, Studienreisen in Deutschland zu unternehmen.
Während seines Aufenthaltes in Berlin wohnte Bruch in der Zimmerstraße 38 und war Gast in der Singakademie, wo er Haydns "Schöpfung" hörte. In Mannheim studierte er in den Jahren 1862-64 allgemeine Musiklehre, Dirigieren und Orchestration. Hier gelangte seine erste Oper "Die Loreley" op. 16 am 14. Juni 1863 zur Uraufführung. Schwierigkeiten bei der Textfreigabe durch Emanuel Geibel konnten durch die Vermittlung Musikliebhabers und Weingutbesitzers Rudolf von Beckerath ausgeräumt werden. Seine bis zur Kantate "Frithjof" op. 23, uraufgeführt im November 1864 in Aachen, geschaffenen Werke waren ausschließlich Vokalwerke, mit denen Bruch seine Gesangskompositionen auf den Höhepunkt führte. Er konnte mit diesen Werken auch im Ausland seinen Ruf festigen und sich damit finanziell absichern.
Trotz der bereits erzielten Erfolge scheiterten Max Bruchs Bemühungen um einen Posten als Dirigenten in Aachen, Mainz und Elberfeld. Ferdinand Hiller vermittelte ihm seine erste feste Anstellung: als "Direktor des Königlichen Musikinstituts und der Abonnementskonzerte" in Koblenz. In dieser Zeit begann er die Komposition seines berühmten Violinkonzertes Nr. 1, g-Moll op. 26.
Ein zeitlich aufwendiges Unterfangen, wurden doch zur Beratung Musiker wie Ferdinand David, Hermann Levi und Joseph Joachim (vgl. den Aufsatz von J. Strunkeit in: "Mitteilungen" Jg. 99, 2003, S. 553) eingebunden. Letztgenannter, dem das Konzert gewidmet wurde, redigierte es und spielte den Solopart bei der Aufführung der Endfassung am 7. Januar 1868 in Bremen. Max Bruch verkaufte das Werk - zu seinem späteren Ärger - für nur 250 Taler an den Verleger August Cranz und ging damit weiterer Tantiemen verlustig. Cranz selbst verkaufte es später mit entsprechendem Gewinn.
Die Originalpartitur gedachte Bruch im Jahr seiner Pensionierung (1911) zur Aufbesserung seiner Finanzen zu verkaufen. Doch liefen die Verhandlungen, unter anderem mit dem Geiger Eugène Ysaye, erfolglos. Auf Umwegen soll die Partitur in den Vereinigten Staaten von Amerika in die Hände von Mary Flagler gelangt sein und von dieser im Jahr 1968 der Piermont Morgan Library in New York gestiftet worden sein.
Von Koblenz wechselte Max Bruch bereits 1867 für die drei Folgejahre in die Dienste des Fürsten Schwarzburg-Sondershausen nach Sondershausen in Thüringen. Einem weiteren Durchgangsposten in seiner beruflichen Laufbahn, da er sich aufgrund seines schwierigen Charakters und seiner inneren Rastlosigkeit oftmals nur zeitlich begrenzt etablieren konnte. Aber die Freundschaft mit dem Geiger Joseph Joachim und enge Kontakte zu dem berühmten Bachbiographen Philipp Spitta ließen Bruch in dieser Zeit neue schöpferische Akzente setzen. Mit dem bereits erwähnten Violinkonzert Nr. 1, getragen von jugendlichem Schwung und schlichter Melodiengestaltung, hatte er sich Zugang zur internationalen Weltliteratur der Musik verschafft.
Beflügelt von der Uraufführung von Johannes Brahms' "Deutschem Requiem" am 10. April 1868 in Bremen - er hatte als Gast teilgenommen -, brachte er nunmehr im gleichen Jahr, am 26. Juli, seine Sinfonie Nr. 1 Es-Dur op. 28 in Sondershausen zur Uraufführung. Im Nachgang dazu schreibt er am 22. Dezember 1868 an Brahms:
"Gleichzeitig mit diesen Zeilen, verehrter Freund, wird die Partitur meiner Sinfonie bei Ihnen eintreffen. ich habe mir erlaubt, sie Ihnen ohne vorige Anfrage zu widmen, und hoffe, Sie werden sie deshalb nicht weniger freundlich aufnehmen. Indem ich mein Werk mit ihrem Namen schmücke, lieber Brahms, wünsche ich Ihnen vor allem zu beweisen, wie hoch ich Ihre Begabung und Ihre Leistungen zu schätzen weiß, - wie sehr ich als mitstrebender Kunstgenosse mich Ihrer wahrhaft bedeutenden und sich noch stets steigernden Produktionskraft erfreue und begeistere". Brahms antwortet am 25. Dezember 1868:
"Es mag kaum Ihre Absicht gewesen sein, lieber Bruch, mich am Christabend zu überraschen. Ich ging im Hause vor, fast verdrießlich, beschämt über so manches Unverdiente Freundliche, da finde ich Ihren Brief, der mir denn das liebste Festgeschenk, ein ganz ernsthaftes, verkündet, und denke und empfinde nichts als lebhafteste Freude und herzliches Dankgefühl. Auf Noten muß ich zwar noch warten, aber einstweilen helfen sich Gedächtnis und Phantasie und blasen mir, so gut es geht, Trompeten und Pauken in Es, zugeeignete und eigene Melodien vor".[1]
Bruchs erste Sinfonie wurde innerhalb kürzester Zeit in vielen deutschen Städten aufgeführt, so daß er sich zur Komposition einer zweiten entschloß. Diese, in f-moll op. 36, Joseph Joachim zugeeignet, gelangte am 4. September 1870 in Berlin zur Uraufführung. War die erste Sinfonie noch vom Hauch jugendlicher Frische gekennzeichnet, ist die zweite geprägt von ernsten Gedanken, einer düsteren, trüben Stimmung, besonders im ersten Satz Allegro passionato. Zu dieser Zeit finden wir Bruch bereits in Berlin, wo er als freischaffender Künstler von 1870 bis 1873 tätig war.
Durch den Musikverleger Simrock einem breiten Publikum zugeführt, begann er mit der zweiten Oper, "Hermione", die im Sommer 1871 vollendet und am 21. März 1872 in Berlin aufgeführt wurde. Das auf Shakespeares "Wintermärchen" fußende Libretto war schwach, der Erfolg der Oper enttäuschend. Da zudem die Proben für die Premiere sehr problembehaftet waren, wurde Bruch in seiner negativen Meinung über Berlin als Wohnsitz für einen Komponisten bestärkt. So beschloß er, der in der Königin-Augusta-Straße 52 Quartier genommen hatte, einen Wohnortswechsel in das ruhig gelegene Rheinland. Die sich anschließenden Jahre bis 1878 verbrachte er in Rom, wo er 1877 sein Violinkonzert Nr. 2 d-Moll op. 44, gewidmet dem Geiger Pablo Sarasate, vollendete. Aufgeführt wurde das Werk im Herbst des Jahres im Kristallpalast in London. Aus unerklärbaren Gründen entzweite sich Bruch in dieser Zeit mit Rudolf von Beckerath und Johannes Brahms.
In Berlin wurde das Chorwesen dieser Zeit geprägt durch den Cäcilienverein, der erstmals 1872 das "Deutsche Requiem" von Brahms aufführte und 1874 mit der Aufführung des Oratoriums "Odysseus" Max Bruch einen hohen Bekanntheitsgrad verschaffte. Während die Singakademie neuen Werken gegenüber zurückhaltend war, nahm der Sternsche Gesangsverein, seit 1875 unter der Leitung von Julius Stockhausen, mit der Wiedergabe der Chorwerke von Bach, Beethoven und Brahms eine hervorragende Stellung ein. Überraschend traf Bruch im Herbst 1878 die Nachfolge von Stockhausen an und brachte bereits 1879 sein "Lied von der Erde" zur Erstaufführung.
Während dieser Berliner Zeit schrieb Bruch ferner die "Schottische Phantasie" op. 46 und "Kol Nidrei" op. 47. In den Jahren von 1880 bis 1883 stand er bereits der Philharmonic Society in Liverpool vor, wo er fast ausschließlich als Dirigent tätig war. Am 3. Januar 1881 heiratete Bruch die 1854 in Berlin geborene Sängerin Clara Tuczek, der er einige seiner Liedkompositionen widmete. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Genannt seien der Sohn Max-Felix, der sich später auch der Musik zuwandte, und die Tochter Margarethe, eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Schöneberg, Beckerstraße 4, ansässige Schriftstellerin. Im Jahr 1882 wurde der Wunsch an Bruch herangetragen, eine Sinfonie mit Uraufführungsrechten für die Symphony Society in New York zu schreiben. Die Aufführung seiner dafür geschaffenen Sinfonie Nr. 3 in Es-Dur op. 51 erfolgte am 17. Dezember 1882 und weitere Male während Bruchs Aufenthalt in den Vereinigten Staaten. Das Werk wurde in den Folgejahren verändert und die endgültige Fassung erst im Dezember 1886 unter der Leitung von Joseph Joachim mit den Berliner Philharmonikern vorgetragen.
Mitte 1883 aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrt, fiel alsbald der Entschluß, den Dienst in Liverpool aufzugeben und nach Breslau zu wechseln. Im September stand Max Bruch bereits dem dortigen Orchesterverein vor, ausgestattet mit einem Jahressalär von 7 000 Mark. In den sieben Jahren seiner Breslauer Tätigkeit widmete er sich der Aufführung klassischer Werke: der Romantiker von Weber bis Brahms und sogar denen der Neudeutschen: Richard Wagner, Franz Liszt und Richard Strauß. Seine Bemühungen galten auch der Frage, wie der Urheberrechtsschutz für musikalische Werke gelöst werden könnte. Er komponierte in Breslau das "Adagio appassionato" op. 57 und den Anfang seines Violinkonzertes Nr. 3 in d-Moll op. 58, fertiggestellt zur Jahreswende 1890/91, gewidmet Joseph Joachim. Joachim, der seit 1868 Direktor der Königlichen Hochschule für Musik war, begleitete die Generalprobe des vollendeten Werkes in der Hochschule am 21. Mai 1891.
Zuvor schon wurde das Ende der Breslauer Zeit Bruchs durch gegensätzliche politische Anschauungen - Max Bruch war ein Anhänger Bismarcks - eingeläutet. So zog er am 9. September 1890, ohne Aussicht auf eine Anstellung, mit der Familie nach Berlin-Friedenau, in die Albestraße 3, wo er dreißig Jahre - bis zu seinem Tode - leben sollte. Durch die Vermittlung von Joseph Joachim und Philipp Spitta wurde Max Bruch nach dem Ausscheiden von Heinrich von Herzogenberg aus der Meisterschule die Direktion der Meisterklasse für Musik angeboten, die er am 1. April 1892 als Professor übernahm.
Eine große Ehrung widerfuhr ihm im Dezember 1892 durch die Berufung der Cambridge University Musical Society zum Dr. mus. honoris causa. Der plötzliche Tod von Philipp Spitta im April des Jahres erschütterte ihn dann tief, hatte er doch einen der wenigen Freunde verloren. Gemeinsam mit Joachim und Herzogenberg förderte Bruch die Errichtung eines Denkmals für Spitta, ausgeführt durch Adolf von Hildebrandt. Johannes Brahms, um eine Spende gebeten, überwies umgehend 500 Mark, eine großzügige Geste, die zur Versöhnung zwischen Bruch und Brahms führte.
Bruch schrieb an den Verleger Simrock: "so warm und tief empfunden - man sieht doch wieder einmal, wie sehr dieser höchst eigenartige Mensch, wenn es darauf ankommt, das Herz auf dem rechten Fleck hat." (Duplizität der Ereignisse: Nach Brahms Tod am 3. April 1897 wurde im Auftrag des Meininger Herzogs Georg und seiner Gemahlin Freifrau von Heldburg, beides hochherzige Förderer Brahmscher Kunst, von demselben Künstler ein Brahmsdenkmal in Form einer überlebensgroßen Büste geschaffen und am 7. Oktober 1899 eingeweiht.)
Die nachwachsende Künstlergeneration der sogenannten Modernisten, Richard Strauß, Hugo Wolf, Max Reger und Hans Pfitzner, stieß bei Max Bruch auf Unverständnis und völlige Ablehnung. In einem (nicht näher bezeichneten) Brief brachte er das mit den Worten zum Ausdruck: "Die bedeutenden Leute, mit denen man gelebt hat, gehen Einer nach dem Anderen dahin. Was im 20. Jahrhundert aus der Kunst werden soll, das wissen die Götter." Nach der Uraufführung seines letzten großen Chorwerkes "Gustav Adolf" op. 73 widmete er sich in den folgenden zehn Jahren überwiegend der Lehrtätigkeit, zeitweilig dem Dirigieren und der Komposition kleinerer Vokalwerke.
Anläßlich der Gedächtnisfeier für den am 15. August 1907 verstorbenen Joseph Joachim hielt Max Bruch die Gedenkrede. Wenig später, am 4. Oktober, trat er inoffiziell die Nachfolge Joachims an, bis das Kultusministerium im Herbst 1909 offiziell den Musikschriftsteller Hermann Kretschmar zu dessen Nachfolger ernannte. Damit einhergehende organisatorische Veränderungen ließen Bruch für die Zukunft nichts Befriedigendes erwarten und so stimmte er bei Gewährleistung einer ungekürzten Pension - jedoch unter Beibehaltung der Meisterklasse für Komposition - dem Ausscheiden aus dem Hochschuldienst zu. Zählte er doch seinen Sohn Max und in den Jahren 1906 bis 1907 Eduard Künneke zu seinen Schülern.
Das letzte Vorlesungssemester hielt Bruch 1910/11 ab, um dann endgültig am 1. April 1911 im Alter von 73 Jahren in den Ruhestand zu treten. Der frühe Tod eines Akademiekollegen, des Cellisten Robert Hausmann, dem er seinerzeit sein Werk "Kol Nidrei" gewidmet hatte, gab den endgültigen Anstoß dazu. Er verabschiedete sich mit der kammermusikalischen Komposition "Acht Stücke" op. 83.
Im Kriegsjahr 1914, Bruch vollendete sein 76. Lebensjahr, beschloß er, auch die letzten Lebensjahre in Berlin zu verbringen. Es ging jetzt einzig und allein noch darum, das finanzielle Auskommen zu sichern, das mit Kriegsbeginn durch den Fortfall des größten Teils der Tantiemen aus dem Ausland in Frage gestellt wurde. Zu seinem achtzigsten Geburtstag, gefeiert im Haus in der Albestraße, das heute eine Gedenktafel in Erinnerung an Max Bruch ziert, verlieh ihm der Bürgermeister von Friedenau die Ehrenbürgerwürde, der Kultusminister im Auftrag des Kaisers den Kronenorden zweiter Klasse und die Berliner Universität den Ehrendoktor der Philosophie und der Theologie.[2]
Seit Sommer 1918 litt Bruch verstärkt an Asthma und Herzbeschwerden. Seine Frau Clara, an Krebs erkrankt, verstarb nach einer Operation in der Charité am 26. August 1918. Max Bruch verfiel im Frühjahr 1920 in eine Art Dämmerzustand und entschlief sanft in den Morgenstunden des 2. Oktober. Seine Beisetzung erfolgte einige Tage später auf dem St. Matthäus-Friedhof in der Großgörschenstraße.
Das Adagio seines Violinkonzertes Nr. 1 in g-Moll erklang während der Trauerfeier. Seinen Grabstein zieren die Worte: MUSIK IST DIE SPRACHE GOTTES. Umgeben ist er auf dem Gottesacker von gut zweihundert Berliner Persönlichkeiten, darunter der Bildhauer August Bredow, der Generaldirektor der Staatsbibliothek Adolf von Harnack, der Pathologe und Politiker Rudolf Virchow, die Architekten Johann Heinrich Schmieden und Alfred Messel, die Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm und - last but not least - der Eisenbahnkönig Bethel Henry Strousberg.
Die "Vossische Zeitung" schrieb am 2.10.1920: "Der vielfache Wechsel in Bruchs äußeren Lebensverhältnissen ist z. T. auf die Unbeugsamkeit seiner Überzeugung, die keine andersgeartete neben sich duldete und so zu äußerster Intoleranz ausartete, zurückzuführen." Die "Deutsche Allgemeine Zeitung" schrieb unter demselben Datum: "Von Bruchs Werken werden seine Chöre und Violinkonzerte noch lange leben. Sein Name wird in der Musikgeschichte weiterleben als einer der stärksten Vertreter der großen nachklassischen Vorzeit."
Und was meinte Bruch selbst zu seiner Lebensleistung? "Brahms ist zehn Jahre tot, doch noch immer wird über ihn gelästert, sogar unter den besten Musikkennern und Kritikern. Ich sage jedoch voraus, daß er im Laufe der Zeit immer mehr geschätzt werden wird, während die meisten seiner Werke nach und nach in Vergessenheit geraten. In 50 Jahren wird sein Glanz als der des überragenden Komponisten aller Zeiten hell erstrahlen, während man sich meiner hauptsächlich nur wegen meines g-Moll Violinkonzertes erinnern wird."[2 So ganz Unrecht hatte er mit seiner Voraussage nicht. Dennoch will ich nicht verhehlen, daß neben seinem Violinkonzert in g-Moll auch das "Kol Nidrei" oftmals im Rundfunk zu hören ist. Wer einmal seine Sinfonien gehört hat, wird auch diese noch heute zu schätzen wissen.
Aufgepaßt: Kurt Masur hat mit dem Gewandhausorchester Leipzig in den Jahren 1983 bis 1988 die drei Sinfonien eingespielt, vertrieben von der DDR-Plattenfirma ETERNA. Mit viel Glück läßt sich eine solche Platte antiquarisch - auch auf dem Flohmarkt - ausfindig machen.
Anmerkungen
1 Wilhelm Altmann: Brahms Briefwechsel Band 3, Berlin 1912.
2 Arthur Abell: Talk with Great Composers, New York 1955.
Benutzte Literatur
Wilhelm Altmann: Brahms Briefwechsel, Band 3, Berlin 1912.
Arthur Abell: Talk with Great Composers, New York 1955.
Carl Gustav Fellerer: Max Bruch. Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte, Köln 1974.
Eduard Hanslick: Concerte, Komponisten und Virtuosen der letzten 15 Jahre (1870-1885), Berlin 1896.
Archiv der Akademie der Künste, hausinterne Aufzeichnungen.
Abbildung
Grabstein Max Bruch, mit Ehefrau Clara, geb. Tuczek, und Tochter Margarethe auf dem Friedhof St. Matthäus, Großgörschenstraße. Foto: Joachim Strunkeit, 2002.
Aus: "Mitteilungen" 3/2004.
Redaktion: Gerhild H. M. Komander
Veranstaltungstermine
Buchvorstellung12. Dezember 2024, 19:00 Uhr
Fragiles Erbe. Schutz und Erhaltung im Anthropozän
13. Dezember 2024, 18:00 Uhr
Adventsfeier des Vereins für die Geschichte Berlins e.V., gegr. 1865