Ehrengeschenke und Archiv des Generals Friedrich Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz gerettet
Von Dr. Heinrich Lange


Zum 90. Geburtstag des gleichnamigen Ururenkels des Generals der Befreiungskriege

Während viele Mitglieder der Großfamilie der Grafen Bülow von Dennewitz das derzeit im Verfall begriffene Schloß Grünhoff im nunmehr russischen Teil Ostpreußens mit Kindern und Enkeln besucht haben, möchte Friedrich-Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz, der gleichnamige Ururenkel des berühmten Generals der Befreiungskriege gegen Napoleon und letzte Besitzer des im Samland unweit des Ostseebades Cranz gelegenen Schlosses, „alles so in Erinnerung behalten, wie es war“.

Das als Staatsdomäne verpachtete vormalige, vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. und ersten preußischen König Friedrich I. um 1700 erbaute barocke Jagdschloß hatte 1815 König Friedrich Wilhelm III. dem General Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow Graf von Dennewitz (1755–1816) für seine Verdienste in den Befreiungskriegen 1813/14 geschenkt. Auch die Oberbefehlshaber der anderen preußischen Heeresteile, Feldmarschall Fürst Blücher von Wahlstatt, General Graf Yorck von Wartenburg und General Graf Tauentzien von Wittenberg, erhielten Dotationsgüter im Wert von 200 000 Talern.

In Berlin ehrte der König den bereits 1816 verstorbenen General, der unter anderem durch seine siegreichen Schlachten bei Luckau, Großbeeren und Dennewitz 1813 zum dreimaligen Retter der preußischen Hauptstadt vor der Wiederbesetzung durch französische Truppen geworden war, 1822 mit einem von Christian Daniel Rauch aus Carrara-Marmor geschaffenen Standbild an der Neuen Wache. Nach der Entfernung durch die DDR-Machthaber 1950 wurde das Generals-Denkmal am 24. August letzten Jahres – mehr als ein halbes Jahrhundert später – am ehemaligen Prinzessinnengarten gegenüber dem historischen Standort wiederaufgestellt. Im Schloß Grünhoff befand sich von dem Standbild eine Statuette aus Biskuitporzellan der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin. Diese und andere „Erinnerungsgegenstände an den General Grafen Bülow von Dennewitz“ sind allein auf einer kleinen Zeichnung in Oskar Schlichts „Das westliche Samland. Ein Heimatbuch des Kreises Fischhausen“ (1922) abgebildet. Aus dem Jahresbericht der „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte von Ost-und Westpreußen“ von 1936 erfährt man, daß die Mitglieder am 13. Juni jenes Jahres „in zwei Omnibussen“ einen Ausflug nach Grünhoff unternahmen, wo Dietrich „Graf Bülow-Dennewitz das Schloß und Erinnerungsstücke aus dem Besitz seiner Vorfahren“ zeigte.

Noch 1943 bezog dessen Sohn Friedrich-Wilhelm, der heute in der Umgebung von Baden-Baden wohnt und am 21. August 2003 neunzig Jahre alt wurde, mit seiner Familie einen Teil des Schlosses. Zuvor hatte sich der junge Gutsherr, dem Grünhoff 1926 als noch Minderjährigem übertragen wurde, der Schauspielerei gewidmet. Bei der Flucht im Januar 1945 rettete der Ururenkel, der nach dem Zweiten Weltkrieg literarischer Sprecher des Südwestfunks war und nach seinem Vetter Joachim-Albrecht Graf Bülow von Dennewitz „große Interessen für alles, was Kunst und hier besonders die Literatur und Bühne betrifft“ hat, mit seiner Frau Elisabetz, geb. Kleinschmidt (geb. 1914), zwar nicht die Kampf-, Jagd- und Ehrenwaffen sowie die Orden des Generals, aber einen Teil der vor dem Ersten Weltkrieg unter Reichsdenkmalschutz gestellten Ehrengeschenke und des Archivs, die, wie Dora-Eleonore Behrend in „Schlösser des Ostens“ (1934) ausführt, Grünhoff „zu einem Hort geschichtlicher Tradition und Erinnerung machen“.

Zu den im Besitz Friedrich-Wilhelms befindlichen und zum Teil im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg als Leihgaben ausgestellten „Erinnerungsgegenständen“ seines Ururgroßvaters gehören der Pokal der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin mit Miniaturmalereien, welche die dreimalige Rettung Berlins 1813 darstellen, eine Ehrengabe der Offiziere seines Stabes, und die Tasse und Untertasse derselben Manufaktur auf den Sieg bei Belle Alliance (Waterloo) 1815 mit dem Porträt des Generals und dem Spruch „Er kam zur rechten Stunde“ bzw. mit dem Schlachtplan, ein Geschenk der Berliner Studentenschaft. Des weiteren sind das Paar silberner Sporen Napoleons und das grünsamtene Wagenkissen mit goldgesticktem „M“, offensichtlich ein Geschenk dessen zweiter Frau Marie Luise, der Tochter des österreichischen Kaisers, aus der am Abend des Schlachttages in Genappe erbeuteten Kutsche zu nennen. Schließlich dürfen der silbervergoldete Münzdeckelhumpen mit der Gravur „Dem vaterländischen Helden Herrn Grafen Bülow v. Dennewitz ehrfurchtsvoll geweihet und übergeben von der Stadt Königsberg in Preußen am 18ten Januar 1816“ und das dazu gehörige Carmen „Zur Feier der glorreichen Zurückkunft Sr. Excellenz ... kommandirenden Generals und Ritters der höchsten Orden“ mit einem bisher nicht abgedruckten zehnstrophigen Huldigungsgedicht, aus dem als Zeitzeugnis nur allzu deutlich die Genugtuung über die endgültige Befreiung Preußens von der napoleonischen Fremdherrschaft spricht, nicht vergessen werden.

Nach Friedrich-Wilhelms jüngerem Bruder Manfred Graf Bülow von Dennewitz (1919– 2001) wurde allerdings auch der kostbare goldene Ehrendegen, den Prinz Wilhelm von Oranien, der spätere König der Niederlande, Bülow 1814 für die Befreiung seines Landes geschenkt hatte, wie die übrigen Waffen 1945 im Schloßpark vergraben. Zu diesem verlorenen Ehrendegen schreibt General Bülow am 16. Januar 1814 seiner Frau, daß „wann das Ding etwas Werth ist so können ihn meine Kinder dereinst Verkaufen wann ich nicht mehr Existire“. Und seine Verdienste hinsichtlich der Befreiung Hollands sieht Bülow in einem weiteren unpublizierten Brief vom 2. April jenes Jahres wie folgt: „(...) durch die Bataillen von Gr Behren und Dennewitz habe ich eigentlich erst den Krieg eine ganz andere Wendung gegeben, die Wegnahme von Holland allein ist Uhrsach, daß man überhaupt im Winter noch den Rhein passirt, ohne dieses wären alle Armeen am Rhein stehen geblieben und Napoleon stunde an den Ufern des Rheins an der Spitze großer Armeen.“

Damit ist die vom musischen Ururenkel gerettete bedeutsame Korrespondenz des „Siegers bei Dennewitz“, insbesondere die Briefe an seine Frau Pauline Juliane, geb. von Auer aus den Befreiungskriegen 1813–1815, angesprochen. Diese Briefe, die in Karl August Varnhagen von Enses Biographie über das „Leben des Generals Grafen Bülow von Dennewitz“ (1853) – das Exemplar in der Grünhoffer Bibliothek gehörte 1945 gleichfalls zum Fluchtgepäck – nur zu einem Teil zitiert werden, stellte Joachim-Albrecht Graf Bülow, der als der „Historiker“ in der Familie gilt, 1992 in einer unveröffentlichten zweibändigen „Dokumentation in Briefen-Befehlen-Berichten (. . .) mit 169 Briefen und historischen Anmerkungen“ zusammen und später Michael Leggiere für dessen Dissertation „The Life, Letters and Campaigns of Friedrich Wilhelm Graf Bulow von Dennewitz, 1755–1816“ (Florida State University, U.S.A., 1997), deren Publikation geplant sein soll, zur Verfügung.

In einem gleichfalls unpublizierten Brief an Pauline vom 25. September 1813 bezeichnet sich der General selbstkritisch oder -ironisch als „einen Menschen der Handwerksmäßig Mordbrennereÿ treibt“, bedauert aber angesichts seiner unmittelbar bevorstehenden Bombardierung der Festung Wittenberg, in der sich napoleonische Truppen verschanzt haben, die Zerstörung der Luther-Gedenkstätten und befürchtet, „daß vieleicht mehr unschuldige unglückliche Einwohner den Todt finden werden als Feinde darin umkommen“. Seinen Truppen verbot er bei höchster Strafandrohung die – wie es im Tagesbefehl vom 20. Februar 1814 heißt – „den preußischen Namen entehrenden“ Plünderungen und Übergriffe gegenüber der Zivilbevölkerung. Drei Tage nach dem Sieg der Verbündeten über Napoleon in der Schlacht bei Paris am 30. März 1814 heißt es in einem wiederum unveröffentlichten Brief an seine Frau: „Diese wunderbare Zeit macht alle Plane alle Sÿsteme der Menschen irre und bringt Resultate hervor die vor kurzen die mehrzahl noch für unmöglich hielt ... Welche Demüthigung für einen Mann der vor kurzen noch der Despot von beinahe ganz Europa war! Der Jubel und die Freude des Volks ist außerordentlich sie wollen Ruhe und Friede alles übrige ist ihnen gleich, man könnte ihnen einen Perückenstock zum Könige geben.“ Als Blücher, der Oberkommandierende der preußischen Armee, nach der endgültigen Niederlage Napoleons 1815 bei Waterloo plante, den nach dem Sieg Napoleons über Preußen bei Jena 1806 benannten Pont d’Iena in Paris in die Luft zu sprengen, schreibt ihm Bülow am 10. Juli 1815:
„Euer Durchlaucht werden es mir verzeihen, daß ich über einen Gegenstand, der in Ansehung unserer Verbindung mit anderen Mächten von Folgen sein kann, vertraulich meine Meinung sage. Es betrifft die Sprengung der Brücke von Jena. Kunstwerke zu vernichten, wenn nicht ein wesentlicher Zweck dadurch erreicht wird, kann man im Allgemeinen nicht billigen, und so ist es wohl hier der Fall. Denn ich bin fest überzeugt, daß nicht allein dieser Schritt von unseren Alliierten, sondern auch von unserem Monarchen selbst gemißbilligt werden wird. Nach meiner Meinung muß man die Inschriften, welche die Arroganz Napoleons hervorgebracht, vernichten, das Werk selber aber nicht. Der Charakter unserer Nation erscheint größer und edler, wenn man über so etwas sich hinwegsetzt. Wir haben so viel Großes getan, daß wir auf die Prahlerei und Eitelkeit anderer Völker nicht achten dürfen, wohl aber bleibt es gefährlich, den Haß der Nationen sich zuzuziehen.“ „Ein höherer Sinn und Geist in Bülow“, so Varnhagen von Ense, „bewährt sich auch besonders durch seine Liebe zur Musik. Schon im väterlichen Hause hatte er das Klavierspiel fleißig geübt, auch blies er die damals so sehr beliebte Flöte.“ Die „Leidenschaft, die er für Musik und Gesang hegte“, trat „mächtig hervor, er liebte besonders Gluck und Mozart und alte Kirchenmusik; in dieser ernsten Weise waren auch seine eigenen Tonsetzungen, unter welchen eine Messe, eine Motette, der einundfünfzigste und hundertste Psalm besonders hervorgehoben werden“. Bülow studierte in Berlin Kompositionslehre bei Christian Friedrich Karl Fasch, dem „Kammermusikus (Cembalist) des Königs“ und 1790 Begründer der nachher unter der Leitung Carl Friedrich Zelters blühenden Singakademie. „Er komponierte“, so Fritz Gause in „Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preußen“ (1968), „im Stile (Carl Heinrich) Grauns (um 1704–1759) Psalmen und Motetten; (Johann Friedrich) Riel (1744–1845) führte 1815 zwei seiner Kompositionen in einem öffentlichen Konzert auf.“

Dies dürften die beiden genannten Psalmen gewesen sein, von deren Aufführung in der „schönen Marienkirche in Stargard“ in Pommern Friederike von Auer, geb. von Kleist (1792–1872), die Frau von General Bülows Schwager Ludwig von Auer, in ihren unveröffentlichten „Erinnerungen aus meiner Jugendzeit“ (1867) berichtet. Bei ihr heißt es über Blücher und Bülow: „Die sehr verschiedener Bildungsstufe. Blücher saß die halben Nächte und den größten Teil des Tages im Spielhause, während Bülow componierte, viel Musik trieb und musikalische Talente um sich versammelte.“ Nach General von Boyen, 1813/14 als Oberst Chef des Generalstabs des III. preußischen Korps unter Bülow, soll „der verstorbene Zelter einmal im Künstlerenthusiasmus“ ausgerufen haben: „Wäre Bülow bei der Musik geblieben, dann hätte aus ihm auch etwas werden können.“

„Besonders der geniale Prinz Louis Ferdinand“, so Varnhagen von Ense, „der die Musik leidenschaftlich liebte und mit größter Meisterschaft Klavier spielte, fand sich zu Bülow hingezogen, der dieser Kunst mit gleichem Eifer und kaum minderem Talent ergeben war.“ Bereits im Ersten Koalitionskrieg gegen das revolutionäre Frankreich wurde Major Bülow 1793 bis 1795, so Joachim-Albrecht Graf Bülow, „nicht nur wegen seines Charakters und seiner militärischen Begabung, sondern auch wegen seiner musischen Neigungen ... zum militärischen Begleiter (Stabskapitän) des Preußenprinzen ausersehen, um durch seinen Einfluß das leidenschaftliche Temperament des Prinzen zu zügeln“. Konnten die im Gräflichen Familien-Archiv zu Grünhoff befindlichen Briefe der Prinzessin Luise, der Schwester des 1806 als Anführer der preußischen Vorhut bei Saalfeld gefallenen Prinzen Louis Ferdinand, in – wie Behrend 1934 notiert – „einer entzückenden Mappe mit goldenem Schloß (...) mit Edelsteinen besetzt“ ebenfalls 1945 gerettet werden? General Bülow gehört mit seinen hohen ethischen Maximen und seiner musikalischen Begabung zu den Offizieren jenes musikalisch-kultivierten Typs, der in der alten preußischen Armee nicht selten war. Wie von einer Verwandten der Familie Friedrich-Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz zu hören ist, hat auch sein Ururenkel bereits „vier Enkel, alle hochmusikalisch“, die aber „kaum wissen, wo Ostpreußen liegt! Geschweige denn Grünhoff.“

Anschrift des Verfassers:
Dr. Heinrich Lange, Crellestraße 21, 10827 Berlin

Aus „Mitteilungen“ 100, 2004, S.4-12,

IT/Red: Jörg Kluge, 12/2005