Der Fußgängerbereich an der Spree zwischen Rathausstraße und Mühlendamm trägt erst seit dem 13. September 1984 den Namen „Spreeufer", vorher gehörte der Abschnitt zur Burgstraße 1-11. Die Nummerierung beginnt heute an der Mühlendammbrücke und endet an der Rathausbrücke (Nr.6). Bei historischen Vergleichen ist zu beachten, dass die Burgstraße bis zur „Öffnung" des Mühlendamms durch den Bau der 110 m langen Schleuse (nicht identisch mit der jetzigen Schleuse vor der Mühlendammbrücke) ab Rathausstraße eine Sackgasse war, die etwa in Höhe der heutigen Nr. 4 (Brauhaus Georg Bräu) endete. Bis etwa 1880 (Eröffnung der Schleuse 1894) begann die Burgstraße 1 am heutigen Grundstück Nr. 4, das Eckhaus zur Rathausstraße (früher Königstraße) hatte die Nummer 7, erst nach der Verlängerung der Burgstraße bis zum Mühlendamm bekam es die Nr. 11.

Beginnen wir am Mühlendamm. Der Abgang zur Spree wird flankiert von zwei Löwen, die ursprünglich vor der Reichsmünze am Molkenmarkt standen. Schöpfer der Löwen und ihre Entstehungsgeschichte sind unbekannt. Das Haus Nr. 1 ist ein Neubau, wobei die ab 1892 vorgenommenen Erweiterungen des Ephraim-Palais nicht mehr als Vorlage dienten. In Nr. 1 befinden sich das Deutsche Spezialitätenrestaurant „Ephraim´s", in Nr. 2 das Restaurant „La Riva" und ein Souvenirladen. Vor dem Haus standen von 1987 bis 2009 zwei Marmor-Skulpturen von Reinhold Begas, die Allegorien der „Stärke" und der „Kriegswissenschaft". Sie schmückten ursprünglich die um 1890 eingerichtete Ruhmeshalle des Zeughauses und wurden vom Deutschen Historischen Museum in Vorbereitung auf die Ausstellung „Begas - Monumente für das Kaiserreich" (ab Ende November 2010) in das Zeughaus zurückgeholt.

Im restaurierten Altbau Spreeufer 3 verspricht das Restaurant „le Provencal" klassische französische Küche, die daneben eingerichtete „Zillestube" gehört schon zum Komplex an der Propststraße. Die an der Spree heute platzartig erweiterte Propststraße wird gerahmt von Neubauten. Blickfang ist das Denkmal des Heiligen Georg im Kampf mit dem Drachen. August Kiss war ein Schüler von Christian Daniel Rauch und einer der bedeutendsten Vertreter der Berliner Bildhauerschule. Sein in Lauchhammer 1855 ausgeführtes bronzenes Reiterstandbild kam 1865 nach dem plötzlichen Tode des Künstlers als Geschenk der Witwe in den Besitz des Königs. Es stand ursprünglich im ersten Hof des Stadtschlosses und nach dem Kriege von 1951 bis 1986 im Volkspark Friedrichshain. Das Reiterstandbild symbolisiert den Sieg des Guten über das Böse, die Besucher haben mit anderen Versuchungen zu kämpfen. Das Brauhaus Georg Bräu in Nr. 4 lockt mit seinem „Brauhaus Knüller": Eisbein mit Sauerkraut und Kartoffeln, 1 Pils, 1 Korn, alles für nur 9,99 €.

Vor mehr als 200 Jahren betrieb hier seit 1803 inmitten der Spree der Mediziner Georg Adolph Welper ein Badeschiff. Die Besucher konnten zwischen Badezellen mit Badewannen in vier unterschiedlichen Preisklassen wählen, getrennt nach Geschlecht, „wie es Sittlichkeit und Zartgefühl erheischen, und unter keinerlei Umständen, selbst nicht bei Ehegatten, kann eine Ausnahme von dieser Trennung gemacht werden."

Das schönste Haus am Spreeufer ist das sog. Kurfürstenhaus Nr. 5, ein repräsentatives Geschäftshaus im Stil der Neorenaissance. Das nach einem Entwurf des Architekten Carl Gause - bekannt durch viele Hotelbauten (Adlon, Bristol, Carlton) - 1897 fertiggestellte Gebäude mit einer roten Sandsteinfassade fällt durch seinen reichen Schmuck am Mittelrisalit mit aufsatzbekröntem Giebel auf. Sehenswert ist auch das Treppenhaus mit seiner gusseisernen Treppe. Das Haus ist in der Denkmalliste als Baudenkmal eingetragen. Ein Durchgang führt über zwei Höfe zur Poststraße 4-5 und erklärt den Namen Kurfürstenhaus, weil dort 1620 in einem früheren Gebäude der Kurfürst Johann Sigismund verstarb (siehe Artikel zur Poststraße in diesem Heft). Das Grundstück war seit 1939 im Eigentum der Vereinigten Textilfabriken AG und wurde seit 1940 vom Finanzamt Börse genutzt, später folgten als Nutzer bis 1983 das Berliner Stadtkontor und die Direktion des staatlichen Einzelhandelsunternehmens der DDR HO. Heute ist das gesamte Grundstück bis zur Poststraße Eigentum der J. K. GmbH.

Das Grundstück Nr. 6 umfasst die früheren Liegenschaften 9-11. An der Ecke zur Rathausstraße stand einst die sogenannte „Alte Post", erbaut von Andreas Schlüter ab 1702 für den Generalerbpostmeister Johann Kasimir von Kolbe, Reichsgraf von Wartenberg. Das auch unter dem Namen Palais Wartenberg bekannte Gebäude war rückseitig durch einen schmalen Hof mit der Post in der Poststraße 1 verbunden. Der Graf war leitender Minister und Günstling Friedrich I. . Er veranlasste die Erweiterung des Schlosses Monbijou, in dem seine Frau als Mätresse des Königs wohnte. Auf Druck des Kronprinzen entließ der König 1710 seinen korrupten Minister. Das 1889 abgerissene Palais Wartenberg mit seinen barock empfundenen Formen zierten acht Statuen griechischer Gottheiten und Rundbilder als Fassadenreliefs, Teile der plastischen Arbeiten aus der Schlüterwerkstatt haben sich im Bode-Museum erhalten. Im Ephraim-Palais erinnert die Kopie einer Stuckdecke an Schlüters Alte Post. Im Museum für Kommunikation in der Leipziger Straße sitzen die Café-Besucher unter der vor dem Abriss ausgebauten und hier vor einigen Jahren wiedereingebauten, behutsam ergänzten Original-Schlüterdecke. Ein 1892 fertiggestellter Neubau an gleicher Stelle musste wegen Verbreiterung der Rathausstraße bereits 1899 einem ähnlich gestalteten Bürohaus des Architekten Carl Bauer weichen. Das Gebäude wurde im Krieg schwer getroffen und nach 1945 abgeräumt.
Im heutigen Eckgebäude befand sich bis 1990 die Kasse des Palastes der Republik, die quadratische Tafel mit dem Signum „PdR" hat sich links von der Theaterkasse erhalten. Am Giebel kann man die Inschrift „Berlin - Stadt des Friedens" mit einem Tauben-Relief von Gerhard Thieme lesen. Der Beiname „Stadt des Friedens" wurde Berlin 1979 vom „Weltfriedensrat" verliehen, einer von der Sowjetunion gesteuerten Organisation. Die ursprünglich an der Ecke zur Spandauer Straße angebrachte Inschrift verschwand dort 1994 mit Zustimmung der Denkmalschutzbehörde für eine Steakhaus-Reklame, „um die geschäftliche Attraktivität des Nikolaiviertels aufzuwerten" (Begründung der Wohnungsbaugesellschaft Mitte). Der dortige Giebel ist heute bis auf die Aufschrift Nikolaiviertel leer.

 

Von Martin Mende

Aus den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 4/2010