Der 1899 mit Stadtrechten versehene Ort südlich von Berlin wurde 1912 in Neukölln umbenannt und ist seit 1920 Teil von Groß-Berlin. Die Entstehung von Richardsdorf erfolgte im Rahmen der deutschen Besiedlung des Teltow Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts. Die Ansiedlung lag im Grenzbereich der Herrschaftsgebiete der Markgrafen von Brandenburg, des slawischen Fürsten Jaxa von Köpenick (später Machtbereich der Markgrafen von Meissen) und der Herzöge von Pommern. Als eine neutrale Institution herrschte an dieser Schnittstelle ein geistlicher Ritterorden, die Templer, die als Gründer der Dörfer Mariendorf, Marienfelde und Richardsdorf (der Name wurde später auf Rixdorf verkürzt) angesehen werden können. Papst Clemens V. löste den Templerorden 1312 auf und übertrug den Besitz auf den Johanniterorden. Dieser beschloss 1360, den Hof des Johanniterordens im Bereich des späteren Richardsdorf in ein Dorf umzuwandeln. Der Text der Gründungsurkunde vom 26. Juni 1360 ist überliefert:
„In Gottes Namen Amen. Alle Dinge, die in der Zeit geschehen, vergehen mit der Zeit. Deshalb ist es notwendig, sie stetig zu machen und zu festigen mit Urkunden und Handfesten. Hierum bekennen und bezeugen wir, Bruder Hermann von Werberge, Statthalter in der Mark Brandenburg und in den Wendlanden, ich, Bruder Dietrich von Sasar, Komtur, und wir alle gemeinen Brüder des Hauses Tempelhof, offen in dieser Urkunde vor allen Christen, dass wir mit Vollmacht unserer Oberen nach vorbedachter Überlegung und einträchtigem Beschluss und unser aller Rat, insbesondere auf den Rat des ehrsamen Priesters, des Herrn Jacob von Detz, unseren Hof Richardsdorp umgewandelt haben und mit dieser Urkunde umlegen zu einem Dorf mit 25 Hufen, jede Hufe zu 10 Morgen Landes, in der Weise, dass der Schulze, der das Schulzenamt in dem Dorfe hat, eine Hufe und seinen Hof frei besitzen soll mit Ausnahme des Drittels vom Fleischzehnt, das dem Hause zu Tempelhof zukommt.
Von den anderen 24 Hufen soll eine jede eine halbe Mark Pacht und einen Schilling Brandenburger Pfennige Zins jährlich am St.-Martins-Tag geben, ferner jede Hufe dem Pfarrer von Tempelhof einen halben Scheffel Roggen, dem Küster (Schulre) ein Viertel Scheffel, dazu seine Gebühren, wie dies in anderen Dörfern üblich ist. Pfarrer und Küster sollen dafür den Bauern in Richardsdorp Gottes Recht tun, sooft es nötig ist, und die Bauern sollen sich zu der Kirche in Tempelhof halten. Der Komtur von Tempelhof erhält den Fleischzehnt und Rauchhühner, aber nicht vom Schulzen, wie vorgeschrieben ist, jedoch vom ganzen Dorf.
Weiter sollen die Hüfner dienen mit ihren Pflügen drei Tage und die Kossäten drei Tage arbeiten im Jahre für unsere Hufen in Tempelhof. Ferner von den Kossäten, die in dem Dorfe wohnen, soll ein jeder Kossät dem Komtur 18 Pfennige geben und der Hüfnergemeinde 6 Pfennige mit Ausnahme eines Kossäten, der soll dem Schulzen seine 2 Schillinge geben,. Die Hüfner sollen haben alle Wiesen, die zu Richardstorff gehören, mit Ausnahme der langen Wiese, die dem Hause zu Tempelhof verbleiben soll.
Weiter sollen die Bauern das Rohr für ihre Dächer ernten, jedoch nicht zum Verkauf ohne unseren Willen, ebenso dürfen sie auch das Nutz- und Bauholz und Hegereiser zu ihrer Notdurft gebrauchen und Lagerholz frei, wenn es vorhanden. Weiter soll der Komtur von Tempelhof für eine jede Hufe und einem jeden Kossäten jährlich umsonst geben eine Kavel Holz im Werte von einem Schilling Brandenburgischer Pfennige.
Damit wir diese Dinge ganz und fest befolgen, haben wir diese Urkunde besiegeln lassen mit unserm Siegel, die gegeben ist nach Gottes Christi Geburt dreizehnhundert Jahr in dem sechzigsten Jahr des Freitags von St. Thomas des heiligen Apostels Erhebung. Zeugen der Handlung sind: Herr Jacob von Detz, dessen Siegel dieser Urkunde (anhängt), Hans Schuler und sein Sohn Henning, Will Malow und Hans, sein Bruder, Hans und Arnt Mosckow, Brüder, und viel andere gute Leute mehr."
Anfang des 15. Jahrhunderts wurde die erste Dorfkirche erbaut. 1435 verkauften die Johanniter Richardsdorf zusammen mit Tempelhof, Mariendorf und Marienfelde an die Städte Berlin und Cölln, 1543 wurde es alleiniger Besitz von Cölln. Im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648 wurde das Dorf bis auf acht Bauern- und Kossätenfamilien entvölkert und die Kirche brannte bis auf die Außenmauern nieder. Durch die Fusion von Cölln und Berlin 1709 wird die Stadt Berlin Eigentümer des Dorfes, das sich ab 1737 Deutsch-Rixdorf nannte. Daneben wurde Böhmisch-Rixdorf durch König Friedrich Wilhelm I. für aus Böhmen eingewanderte Protestanten gegründet. 1867 lag die Einwohnerzahl von Deutsch-Rixdorf bei 5000, die von Böhmisch-Rixdorf bei 1500. Am 1. Januar 1874 wurden beide Dörfer durch königlichen Erlass vom 11. Juli 1873 zur Gemeinde Rixdorf vereinigt. 1875 war Rixdorf mit über 15.000 Einwohnern die größte Landgemeinde des Kreises Teltow und bekam am 1. April 1899 das Stadtrecht (Einwohnerzahl über 80.000). Am 27. Januar 1912 genehmigte Kaiser Wilhelm II. den Antrag der Rixdorfer Gemeindeverwaltung, die Stadt in Zukunft Neukölln zu nennen. Mit der Bildung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin 1920 wird Neukölln mit Britz, Buckow und Rudow einer der neuen Verwaltungsbezirke.
2010 feiert Rixdorf/Neukölln seinen Geburtstag aufgrund der 650. Wiederkehr der ersten urkundlichen Erwähnung. Der Verein für die Geschichte Berlins hat sein Mitteilungsheft 3/2010 dem Jubiläum gewidmet.
Martin Mende, Mai 2010