Petrikirche
Die Kirche St. Petri war die Stadtpfarrkirche von Cölln. Nicht weniger als fünf Kirchen standen nacheinander am gleichen Ort. Der letzte Bau, 1852 errichtet, wurde 1945 schwer beschädigt, die Ruine 1960 abgebrochen. Sein Standort war der Petriplatz, der Parkplatz am Ende der Brüderstraße Ecke Scharrenstraße.
Wäre die Petrikirche nicht gewesen, müsste Berlin sein Stadtjubiläum um sieben Jahre verschieben.
Am 28. Oktober 1237 nämlich tritt Symeon Pfarrer zu Cölln als Zeuge in einer Urkunde auf, in der ein Streit zwischen dem Markgrafen und dem Bischof von Brandenburg beigelegt und Cölln selbst erstmals erwähnt wird. Ohne Gotteshaus ist die Existenz eines Pfarrers nicht vorstellbar, doch kann nicht bewiesen werden, dass St. Petri zu dieser Zeit bereits vorhanden war. Erst 1285 wird die Kirche erstmals urkundlich erwähnt. Das besagt nicht viel, wird doch die Marienkirche erst 1294 erstmals in einer Urkunde bezeugt.
Bevor an Stelle der Kirchenruine der Parkplatz entstand, gab es 1967 für die Archäologen Gelegenheit, Grabungen am Standort der Petrikirche vorzunehmen.
Zahlreiche Analogien zu den Erkenntnissen, die man bei den Grabungen an der Nikolaikirche gewonnen hatte, legen nahe, dass die erste Petrikirche in der gleichen Zeit erbaut wurde wie die Nikolaikirche, für die man die Zeit um die vermutete Stadtrechtsverleihung - um 1230 - annimmt.
Dem frühesten in seiner Gestalt bekannten Bau, der hochgotischen Kirche von 1379, gingen ein spätromanischer aus den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts und ein frühgotischer Bau voraus, letzterer wohl aus der Zeit vor und nach 1285. Wie unter den Fundamenten der ersten Stadtpfarrkirche Berlins fanden die Archäologen auch unter den Resten der romanischen Fundamente von St. Petri Gräber, die älter als diese Mauerreste sind. Sie weisen darauf hin, dass auch Cölln keine Gründungsstadt aus wilder Wurzel war, sondern wie die Schwesterstadt Berlin eine frühstädtische Siedlung mit Friedhof und Kirche. Möglicherweise bestand hier zu dem dicht belegten Friedhof vor dem spätromanischen Bau eine Holzkirche, wie sie für Spandau belegt ist.
Die Rekonstruktion der ursprünglichen Gestalt und des Grundrisses lassen die Grabungsfunde nicht zu. Für den romanischen Bau ist eine Größe von zwanzig Metern in der Breite und 45 Metern in der Länge vorstellbar. Ähnlich dem Westbau von St. Nikolai hatte sich an St. Petri von dem Feldsteinbau bis 1730 der breite Westbau erhalten.
Aus der romanischen Basilika wurde wie in Berlin eine gotische Hallenkirche. Der ab etwa 1335 begonnene Um- und Neubau der Petrikirche wurde vermutlich unter Verwendung des frühgotischen Vorgängerbaus errichtet. Zunächst baute man den einschiffigen polygonalen Chor, um 1379 das Kirchenschiff. Es entstand eine dreischiffige fünfjochige Hallenkirche aus Backstein. Nur die Sockel wurden wie die älteren, unteren Turmgeschosse in Feldstein gemauert.
Die schlichte Fassaden gliederten schmale Lanzettfenster, den östlichen Pfeilergiebel bekrönten Fialen, Maßwerkfriese fanden ihren Platz unter der Traufe und auf den Stirnseiten der Strebepfeiler. Ein reichgeschmücktes zweiteiliges Südportal mit Kielbogen lässt die früheste Ansicht der Kirche erkennen. Von der Ausstattung der Petrikirche ist bekannt, dass sie 24 Altäre enthält. 1606 erhielt die Kirche eine hölzerne Kanzel mit reichem Schnitzwerk.
1505 stiftete der Bäckermeister Fritze die Marienkapelle, die an der Südseite angebaut wurde. Wiederholt waren Renovierungen notwendig. Den Turm scheint der Grund nur widerstrebend getragen zu haben. Er musste in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts abgetragen werden.
Unter König Friedrich Wilhelm I. erfuhr die Petrikirche weitreichende Änderungen im Innenraum und am Außenbau. 1717 übernahm Martin Heinrich Böhme die Leitung der Umbauten und des Einbaus von Kanzel und Emporen. Er beauftragte 1718 den Hofbildhauer Johann Conrad Koch, eine neue Kanzel anzufertigen.
Wie für andere Kirchen der Stadt war für die Petrikirche auf Wunsch des Königs ein Turm vorgesehen. 1726 begann Johann Friedrich Grael den Turmbau, der 108 Meter in die Höhe ragen sollte, auf dem alten Unterbau. Kurz vor der Vollendung 1730 setzte am 29. Mai des Jahres ein Blitzeinschlag den hölzernen Turm und das Baugerüst in Brand, wobei auch die Kirche großen Schaden nahm. Von dem Unglück und seinen Umständen berichtet ausführlich der Propst von St. Petri, Johann Gustav Reinbeck.
1730-1737 erfolgte auf königlichen Befehl der Neubau der Kirche. Einen großen Teil der Baukosten beglich Friedrich Wilhelm I. aus seiner Schatulle. Bis 1733 hatte Johann Friedrich Grael die Bauleitung inne. Er wurde 1733 von Philipp Gerlach abgelöst, den ab 1737 Titus de Favre unterstützte. Der Entwurf Graels sah einen t-förmigen Saalbau mit vorgelegtem Turmbau vor. Doch der Turm stürzte ein und beschädigte dabei auch das Kirchenschiff. Man hatte auf Druck des Königs zu schnell gearbeitet. Der Turmstumpf blieb unvollendet. Daraus erklärt sich die seltsam anmutende Ansicht der Kirche von der Brüderstraße her.
Schlanke Korbbogenfenster, Säulen und Pilaster gliederten die Fassade. Ein Halbgeschoss saß über dem kräftigem Hauptgesims. Die Walmdächer bekrönte nun eine hölzerne Laterne.
In der Nacht vom 19. zum 20. September 1809 zerstörte abermals ein Brand die Petrikirche und dazu mehrere umliegende Gebäude. Zwei Jahre blieben die Trümmer der Kirche liegen, da niemand sich traute, den hohen Steinberg abzutragen. Zwei Jahre brauchte schließlich der Maurermeister Berger, um den Schutt zu bergen und fort zu schaffen. Um die Nutzung des leer geräumten Platzes wurde heftig gestritten. Man schlug eine öffentliche Grünanlage vor, einen Spielplatz für die Schüler. Mancher Hauseigentümer fürchtete durch die Enge, die ein neuer Kirchenbau schaffen würde, um den Wert seiner Immobilie.
Am 11. Februar 1846 fiel die Entscheidung, für die 22 000 Gemeindemitglieder eine neue Kirche zu erbauen. Die Wettbewerbsbedingungen ließen den teilnehmenden Architekten großen Freiraum, doch war Platz für 3 000 Menschen gefordert, ein Turm - jedoch nicht aus Holz -, und dass die Baukosten die zur Verfügung stehende Summe von 150 000 Talern nicht überschreiten durften.
Johann Heinrich Strack gewann den Wettbewerb. Sein Entwurf sah einen Turm in der mehr als hundert Jahre zuvor von König Friedrich Wilhelm I. erstrebten Höhe vor: 330 Fuß. Stracks Turm der Petrikirche wurde das höchste Gebäude Berlins und galt bis zu seiner Zerstörung 1945 als ein Wahrzeichen der Stadt. Am 3. August 1847 fand die Grundsteinlegung statt. Sieben Jahre später war der Bau vollendet. Am 16. Oktober 1853 wurde die Petrikirche in Anwesenheit König Friedrich Wilhelms IV. eingeweiht.
Strack hatte ein beliebtes Grundrissmotiv protestantischer Barockkirchen wieder aufgenommen. In den Formen der Neugotik entstand ein kreuzförmiger, einschiffiger Zentralbau in Ziegelbauweise mit polygonalem Chor und querrechteckigem Turmvorbau. 1894 erhielt St. Petri bunte Glasfenster im Chor, 1896 eine neue Ausmalung, 1901 einen schweren Taufstein.
In den letzten Kriegstagen wurde die Petrikirche sehr schwer beschädigt, nicht durch Bomben, sondern weil sich im April 1945 eine Einheit der SS dort aufhielt und sich an den Straßenkämpfen beteiligte. Da niemand die Kosten des Wiederaufbaus hätte tragen können, gab der Gemeindekirchenrat 1960 die Ruine zum Abbruch frei. 1964 wurden die letzten Bauteile gesprengt. Die St.-Petri-Gemeinde zog sich in das Gemeindehaus in der Neuen Grünstraße zurück, wo auch der Gottesdienst abgehalten wurde.
Literatur:
Klaus Koziol: Kleine Chronik der St. Petri-Kirche zu Berlin, Berlin 1965.
Heinz Seyer: Berlin im Mittelalter. Die Entstehung der mittelalterlichen Stadt, Berlin 1987.
Berlin und seine Bauten Teil VI, Sakralbauten, hg. vom Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin, Berlin 1997.
Gerhild H. M. Komander 8/2004