Von Martin Mende (2020)
Das Wort Kneipe ist ein dehnbarer Begriff und fand lange Zeit nicht nur auf Bierlokale Anwendung.
Die Berliner Kneipe ist hervorgegangen aus den einstigen Kellerlokalen oder auch Parterreräumen der Bierausschenker des 18. Jahrhunderts sowie aus den Verkaufsräumen von Destillateuren (daher auch der Name Destille). Bis etwa 1875 wurde in Berlin überwiegend obergäriges Weißbier getrunken. Die Weißbierkneipen existierten als einfacher Bierausschank in der Stadt oder als Tabagie an der Peripherie, durften aber keinen Branntwein ausschenken. Als Zugabe war lediglich ein Kümmelschnaps, die „Strippe“, gestattet als Ausgleich für das nur schwach alkoholhaltige Weißbier. Danach setzte sich das zunächst aus Bayern importierte, bald aber auch in Berlin gebraute untergärige „bairische Bier“ durch. In den Destillen bekam man Schnäpse und Liköre, aber Sitzmöglichkeiten waren nur ausnahmsweise gestattet. Erst nach 1880 begann die Ära der Biergaststätten, in denen sowohl Bier als auch Branntwein und Liköre neben einem kleinen Imbiss in Form von Buletten, Bockwurst oder Rollmops angeboten wurden. Auf dem Büffet stand der verglaste sogenannte Hungerturm. Der Volksmund verband häufig auch Weinstuben, Konditoreien und Vergnügungsstätten mit dem Begriff Kneipe. Die Weinstuben waren hervorgegangen aus den Weinhandlungen, die Weine auch glasweise verkauften. Die sogenannten Winkelkonditoreien, meist im Keller oder Souterrain, hatten einen zweifelhaften Ruf wegen der versteckten Prostitution. In den Vergnügungsetablissements traten Sänger, Artisten und Puppenspieler auf.
Die Kneipe ist bis heute eine Stätte der Kommunikation. Der Abt Trittenheim zu Sponheim schrieb 1505 über die Berliner: „Die Einwohner sind gut, aber zu rauh und ungelehrt, sie lieben mehr die Schmausereien und den Trunk als die Wissenschaften. Selten findet man einen Mann, der die Bücher liebt, sondern aus Mangel der Erziehung und der Lebensart ziehen sie die Gesellschaften, den Müßiggang und die Pokale vor. Die Ausschweifung im Trinken wird von ihnen nicht für ein Laster gehalten; doch es gibt auch viele unter ihnen, die sich dessen enthalten, und die Einzöglinge aus Franken und Schwaben, wie ich oft bemerket, sind mehr dem Soff ergeben als die Landeseinwohner.“ Und Siegmund Haber resümierte im „Tingel-Tangel“ 1871: „In der Kneipe ist das Bier nur Mittel zum Zweck. Man trinkt es, um sich dabei zu unterhalten, um nach und nach in Stimmung zu kommen. Zu Hause trinkt man es um seiner selbst willen. Daher ist es zu Hause weiter nichts als eine genießbare Flüssigkeit, während es in der Kneipe zum Stoff erhoben wird.“