Der Berliner Hostienschändungsprozess von 1510
Erinnerung an die Judenverfolgung vor 500 Jahren

Am 19. Juli 1510 wurden 41 Brandenburger und Berliner Juden wegen angeblicher Hostienschändung
(http://www.diegeschichteberlins.de/geschichteberlins/sumarius.html) und Kindesmorden zum Tode verurteilt und bis auf einen getötet. Unser Mitglied Kulturstaatssekretär André Schmitz legte am 19. Juli 2010 am Gedenkstein neben dem Hause Mollstraße 11 im Namen des Senats von Berlin einen Kranz nieder und erinnerte in einer kurzen Ansprache an das Ereignis, das in einer „langen Kette der Judenverfolgung in Berlin und Brandenburg" stehe. An der 1988 aufgestellten Granitstele sind zwei Tafeln befestigt. Die obere Tafel enthält in hebräischer Schrift folgenden Text: „Hier ruhen die heiligen Gebeine der Mitglieder unserer ersten Gemeinde in Berlin. Sie wurden als Märtyrer ermordet und verbrannt am 12. Aw 5270. Diese Gedenktafel wurde
von Meir, dem Sohn von Abraham Salomonski, im Jahre 1935 angebracht." Wer hatte den Mut, 1935 - im Jahr der Nürnberger Gesetze - eine derartige Tafel am Jüdischen Altersheim Lietzmann- Ecke Landwehrstraße anzubringen? Es war der Rabbiner Dr. Martin Salomonski (1881-1944),in Berlin geboren und seit 1925 Religionslehrer der Jüdischen Gemeinde. 1929 wurde er Mitglied des Vereins für die Geschichte Berlins. Von 1930 bis 1934 war er als Rabbiner der „Liberalen Synagoge Norden" tätig und gründete zwei Altersheime in der Lützowstraße und der Lietzmannstraße. (Siehe auch: http://www.stolpersteine-ffo.de/resources/salomonski.pdf - PDF Dokument auf den Seiten vom Projekt „STOLPERSTEINE Frankfurt (Oder)und S?ubice")

1939 und 1940 wechselte er als Rabbiner an die Neue Synagoge Oranienburger Straße, bevor er 1942 nach Theresienstadt deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet wurde.

Die Ruine des jüdischen Altersheims Lietzmannstraße wurde nach dem Kriege abgeräumt, die Gedenktafel geborgen und der Jüdischen Gemeinde übergeben. Etwa 200 m entfernt vom ehemaligen Altersheim wurde die Gedenktafel neben dem Hause Mollstraße 11 in einer Grünanlage aufgestellt und um eine bronzene Tafel mit folgendem Text ergänzt: „Im Jahre 1510 wurden 38 Berliner Juden wegen angeblicher Hostienschändung verbrannt. Ihre Gebeine sind hier bestattet." Dazu ist anzumerken, dass es nicht ausschließlich Berliner Juden waren und ihre Gebeine an dieser Stelle auch nicht bestattet wurden. Die Asche der 38 eingeäscherten Juden wurde vermutlich im Gelände verstreut. Zwei weitere Juden, die sich noch taufen ließen, starben durch Enthauptung, einer wurde begnadigt. Alle in Brandenburg ansässigen Juden mussten das Land verlassen. Auf dem Fürstentag 1539 in Frankfurt/Main machte Philipp Melanchthon in Anwesenheit des Kurfürsten von Brandenburg, Joachims II., öffentlich, dass „die armen juden bei seines vaters seligen leben zu unrecht verbrannt worden".

 

Martin Mende VfdGB, 11.2010