Die Straße verlief bis 1972 parallel zur Spandauer Straße von der Rathausstraße bis zur Heiliggeistgasse durch das heutige Marx-Engels-Forum. Jenseits der Rathausstraße setzte sich der Straßenzug mit der Poststraße des Nikolaiviertels fort. 1938 wurde der nordwestliche Abschnitt wegen der geplanten Neubauten der Industrie- und Handelskammer an der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße eingezogen.
Im 17. und 18. Jahrhundert lag die Straße in einer vornehmen Wohngegend. Zur Zeit des Großen Kurfürsten schaute man noch über die Gärten an der Spree auf das Schloss. In eigenen Häusern wohnten 1704 Hofstaats-Commissarius Johann Paul Beyer, der Königliche Bäckermeister Christoff Schöneknecht, Hof-Kleinschmied Christoff Jänicke, Hof-Tischler Andreas Fricke, der Königliche Rat und Ober-Auditeur Andreas Libertus Müller, Goldschmied Christoff Knorre, Hofrichter Wendelin, Kammerrat Matthias gen. von Berchem, Geh. Kammerrat Merian und Stadt-Physikus Christoff Schmidt. Johann Wilhelm Meyer führte eine Buchhandlung und später residierte hier die Nicolaische Verlagsbuchhandlung vor ihrem Umzug zur Stechbahn bzw. 1787 in die Brüderstraße.
Als die Hofjuden Moses und Elias Gumpertz 1717 in der Heilige-Geist-Straße ein Gebäude kauften, verlangte der Magistrat beim König in einer Eingabe, „eine Verordnung zu machen, wodurch den Juden inhibirt werde, in den vornehmsten Gassen und noch weniger so nahe am Schlosse Häuser zu haben". Das hatte augenscheinlich keinen Erfolg, denn auf der Westseite der Straße wohnte um 1800 in einem Freihaus der jüdische Bankier Cohen (Nr. 3), daneben der Bankier Bär (Nr. 4).
Nr. 5 und 6 sind Baulichkeiten des Joachimsthalschen Gymnasium belegt. Die 1607 von Kurfürst Joachim Friedrich in Joachimsthal gegründete Eliteschule zog während des Dreißigjährigen Krieges nach Berlin. Zunächst waren die wenigen Schüler im Berliner Schloss untergebracht, dann in einem eigenen Gebäude Königstraße 69 in der Nähe der heutigen Rathausbrücke und schließlich seit 1688 in Häusern der Heilige-Geist-, Post- und Burgstraße.1714 - 1717 ließ Friedrich Wilhelm I. ein Neubau errichten. Friedrich Wilhelm II. kaufte 1791 für die körperliche Ertüchtigung der Schüler ein nahegelegenes Grundstück hinzu. 1833 betrug die gesamte Schülerzahl 296. Der Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße (heute Karl-Liebknecht-Straße) führte zum Abriss dieser Gebäude. Immerhin war aus den Erlösen der Grundstücksverkäufe die Finanzierung eines Neubaus gesichert. 1880 bezog das Gymnasium das noch heute existierende Gebäude in der Kaiserallee 1-12 (heute Bundesallee), wurde aber 1912 aus finanziellen Gründen in das uckermärkische Templin verlegt.
In Nr. 7 wohnte um 1800 der jüdische Kattunfabrikant Baruch. Jenseits der Kleinen Burgstraße lag zu dieser Zeit auf dem Grundstück Nr. 10 die Königliche Ecole Militaire. Die Freihäuser Nr. 10 und 11 wurden bei Anlage der Kaiser-Wilhelm-Straße. zwischen 1877 und 1888 abgerissen. Sie waren bis zur Einführung der Reformation Eigentum der Äbte von Lehnin und fielen dann an den Kurfürsten Joachim II, der die Liegenschaft 1544 zum Dank für seine Verdienste um den Schlossbau an den Baumeister Caspar Theiß gab. Am Eckpfeiler des 1. Stockwerks der Nr. 10 befand sich eine Bronzetafel mit der Inschrift: „Hier wohnte der kurfürstliche Schlossbaumeister Caspar Theiss bis zu seinem Tode um 1550. Seinem Gedächtnis die Stadt Berlin 1887."
Das Haus Nr. 13 war 1801 im Eigentum der Witwe Moses. Hier malte 1811 Wilhelm Schadow, der spätere Direktor der Düsseldorfer Akademie, an einer Wand als originelles Hochzeitsgeschenk ein Fresko „Die vier Jahreszeiten" In Nr. 14 betrieb 1834 Lesser David eine private höhere jüdische Knabenschule, in Nr. 18 konnte man 1834 im Gasthof Zum Goldenen Engel einkehren. Nr.19 war 1834 eine Anlaufstelle für Dienstboten, eines von drei unter polizeilicher Kontrolle stehenden Gesinde-Vermietungs-Kontore. Die Tabakfabrik von Doussin befand sich in Nr. 21. Der Name Doussin ist uns aus der Biografie der Schriftstellerin Else Ury (Autorin der Kinderbuchreihe „Nesthäkchen") bekannt, ihr Vater Emil Ury war Direktor der Tabakfabrik Doussin.
Die Gastwirtschaft Zum Eichbaum in Nr. 22 bot sich um 1800 zum Einkehren an und der Hofschneider Mildbrädt in Nr. 23 Ecke Königstraße hatte es zur gleichen Zeit nicht weit bis zum Schloss.
Von der Königstraße (jetzt Rathausstraße) ging es mit den Hausnummern 23 bis 55 zurück zur Heilige-Geist-Gasse. Aus dem Haus Nr. 31 kamen die begehrten Seidenstrümpfe der Manufaktur Paul Duchesne und in Nr. 33 wartete der Gastwirt Döhring im Goldenen Zepter an der Ecke zur Panckowsgasse (seit 1844 Kleine Postgasse) auf durstige Gäste. 1719 erwarb der Hof-Goldschmied Johann Christian Lieberkühn für 2335 Taler die Nr. 38. An diesem Haus befand sich der berühmte Neidkopf. Eine Legende erzählt, Friedrich Wilhelm I. habe bei einem nächtlichen Rundgang einen Goldschmied noch in seiner Werkstatt angetroffen und den arbeitsamen Handwerker durch Folgeaufträge belohnt. Bei einem späteren Besuch beobachtete der König, dass die Frau eines gegenüber wohnenden Goldschmiedes dem Konkurrenten die Zunge zeigte und Grimassen schnitt. Als Antwort befahl der König, an dem Haus des von ihm bevorzugten Goldschmieds die hässliche Fratze eines alten Weibes mit Schlangen statt Haaren auf dem Kopf anzubringen. So sollte die missgünstige Nachbarin immer beim Blick über die Straße ihr eigenes verzerrtes Antlitz vor Augen haben. Das Hauszeichen befindet sich jetzt leicht lädiert im Märkischen Museum.
Im Nachbargebäude Nr. 39, dem Haus des Tabakhändlers Prätorius, wurde 1871 Georg Borchardt geboren. Unter dem Pseudonym Georg Hermann - nach dem Vornamen seines früh verstorbenen Vaters, eines Weißwarenhändlers - erschienen seine Erfolgsromane „Jettchen Gebert" und „Kubinke". Wegen seiner jüdischen Abkunft emigrierte er 1933 nach den Niederlanden, wo er den letzten seiner 40 Romane „Rosenemil" vollenden konnte, bevor er am 17. 11. 1943 in Auschwitz ermordet wurde.
Gotthold Ephraim Lessing wohnte von Mai 1758 bis Ende 1760 in der Nummer 52.
Die Heilige-Geist-Straße kann als Ursprungsort der Berliner Schokoladenherstellung gelten. Nach Beendigung seiner Lehrzeit als Konditor eröffnete Theodor Lorenz Hildebrand 1812 eine Pfefferküchlerei. Erst nachdem die in einem Keller untergebrachten Arbeitsräume zu klein wurden, zog Hildebrand in die Spandauer Straße 47, unweit vom Molkenmarkt und erweiterte seinen Betrieb 1817 zur Schokoladenfirma Theodor Hildebrand.
Martin Mende
Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Heft 1/2010 S. 335 - 337.