Die Museumsinsel
Von Wolfgang Branoner
Die Erhaltung und Stärkung der Museumsinsel bildet für Berlin und die Bundesrepublik Deutschland eine besondere Verpflichtung. Dies gilt sicher im besonderen Maße für die Berliner Denkmalpflege, liegt aber nicht zuletzt auch in der Verantwortung der Hauptstadtplanung und der Kulturförderung durch Land und Bund. "Die Einmaligkeit der Berliner Museumsinsel", so schrieb einmal ein bekannter Berliner Kunsthistoriker, "liegt in der Qualität ihrer Kunstwerke und in ihrem widersprüchlichen Ensemble von harmonischer Vielfalt." Dabei soll es auch bleiben.
Vor anderen Museumskomplexen in Europa zeichnet sich die Berliner Museumsinsel zunächst durch ihre unvergleichliche Lage aus. Auf der nördlichen Inselspitze zwischen Spree und Kupfergraben gelegen und mitten in der Stadt im unmittelbaren topographischen Kontext des gesprengten Schlosses entstanden und entwickelt, ist die Museumsinsel durch eine unverwechselbare naturräumliche und stadträumliche Einbindung geprägt.
Insbesondere das antikisierende Alte Museum mit seiner kolossalen Säulenhalle und dem vorgelagerten Lustgarten reflektiert - zusammen mit dem barocken Zeughaus und dem neubarocken Berliner Dom noch das durch den Palast der Republik unvollkommen ersetzte Berliner Schloß.
Vor allem aber repräsentieren die zwischen 1824 und 1930 entstandenen fünf historischen Museumsbauten und ihre Sammlungen ein Jahrhundert europäischer Museums- und Architekturgeschichte. Von dem klassizistischen Alten Museum (1824-1828) Karl Friedrich Schinkels bis zum neoklassizistischen Pergamonmuseum (1909-1930) Alfred Messels und Ludwig Hoffmanns stehen die Solitärbauten der Insel für Hauptvarianten des Historismus in der Museumsarchitektur des 19. Jahrhunderts.
Der räumliche Zusammenhang, die gemeinsame Insellage, einige Verknüpfungen durch Brückenbauwerke und die teilerhaltenen Einfassungen durch umlaufende Kolonnaden erinnern an den Friedrich August Stülers gemeinsam mit König Friedrich Wilhelm IV. entworfenen "Masterplan" für den Ausbau der Insel zur "Freistätte für Kunst und Wissenschaft" (1841), der eine Art Berliner "Kulturforum" des 19. Jahrhunderts entstehen ließ.
Der Bau des Neuen Museums (1843-1855) und der denkmalhaft auf hohem Sockel mit Freitreppe erhabenen Nationalgalerie (1866-1876) zeigen beide noch die Handschrift Friedrich August Stülers und des königlichen Idealplans. Die Überquerung des Kupfergrabens und der Spree durch die Stadtbahn (1883) kreuzte auch die Museumsinsel und rückte das wilhelminische Kaiser-Friedrich-Museum (1897-1904, Ernst von Ihne) auf der Nordspitze etwas aus dem engeren Museumsverbund.
Die monumentale Dreiflügelanlage des Pergamonmuseums schloß in unserem Jahrhundert die verbliebene "Baulücke" auf der Museumsinsel und orientierte sich mit ihrem riesigen Ehrenhof auf eine unrealisiert gebliebene Durchbruchachse in Richtung Universität. Den im Lauf von rund 100 Jahren gewandelten städtebaulichen und architektonischen Leitbildern verleihen die Solitärbauten der Museumsinsel sinnfällig Ausdruck. Zugleich aber wahren sie in Gestaltung und Funktion den Zusammenhang der schon Generationen früher entworfenen "Freistätte" auf der Museumsinsel.
Aus: "Mitteilungen" 3/1995
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