Das Landesarchiv Berlin in einem neuen Gebäude
Von Jürgen Wetzel
Das zentrale Staatsarchiv des Landes Berlin ist in ein neues Gebäude am Eichborndamm in Reinickendorf gezogen und kann dort nun sämtliche Unterlagen aus 700 Jahren Berliner Geschichte zusammenführen.
Durch die Wiedervereinigung der Stadt und die Integration von sechs archivischen Institutionen hatten sich die Bestände und das Personal des Landesarchivs mehr als verdoppelt und mussten in sechs über Berlin verteilten Außenstellen und Depots untergebracht werden. Mitte der 90er Jahre war die Aufnahmefähigkeit des Landesarchivs erschöpft. Um in Zukunft weitere Bestände übernehmen zu können, effektives Arbeiten zu ermöglichen und optimale Benutzerbetreuung zu gewährleisten, war die Erweiterung der Aufnahmekapazität und die Unterbringung aller Archivalien in einem Gebäude dringend erforderlich.
Von den sechs Bewerbern um den Bau eines neuen Archivs bzw. den Umbau eines bestehenden Gebäudes zu Archivzwecken erhielt im Sommer 1999 die DIBAG Industriebau AG München für den Ausbau des aufgelassenen Industriebaus am Eichborndamm 115-121 in Berlin-Reinickendorf den Zuschlag; am 31. August stimmte der Senat und am 22. September 1999 der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses der Vorlage der Sentasverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu. Nach schwierigen Verhandlungen konnte am 26. Juni 2000 der Mietkaufvertrag mit dem Investor unterzeichnet und nach erneuter Zustimmung von Senat und Abgeordnetenhaus am 1. Juli mit den Bauarbeiten begonnen werden.
Das denkmalgeschützte zweigeschossige Gebäude aus rotem Backstein wurde 1913 für die Mauser-Munitionsfabrik errichtet und Mitte der 90er Jahre von der DIBAG Industriebau AG erworben. Es hat eine Fläche von 20.792 qm;, davon nutzt das Landesarchiv 15.886 qm;. Die für den ständigen Zuwachs von Archivgut vorgesehenen Reserveflächen von 4.945 qm; werden vorläufig von der Speicherbibliothek und dem Archiv der Humboldt-Universität genutzt.
In einem Zeitraum von nur zwölf Monaten baute die DIBAG das Gebäude nach archivfachlichen Vorgaben zu einem Archivzweckbau mit idealen Maßen um. Durch besondere Baumaßnahmen und eine spezielle Lüftungstechnik wird in den Magazinen eine natürliche Klimatisierung erreicht, die eine optimale Lagerung des Kulturgutes ermöglicht. Verschiedenfarblich gestaltete Rollregalanlagen bieten Platz für die Unterbringung von 40.000 lfdm Akten. Die zukünftige Belegung der Reserveflächen mit weiteren 40.000 lfdm deckt den Raumbedarf für die nächsten vierzig Jahre ab.
Die Büro-, Werkstatt- und Benutzungsräume optimieren die Arbeitsabläufe für das Personal und gestatten eine hervorragende Betreuung der Benutzerinnen und Benutzer.
Im Sommer und Herbst 2001 ist das Landesarchivs mit 35.000 lfdm Akten, 170.000 Karten und Plänen, einer Million Fotos, mehreren Millionen Metern Film- und Tonbandmaterialien sowie rund 100.000 Büchern nach und nach in sein neues Domizil eingezogen. Der Umzug konnte Ende Oktober abgeschlossen und der Benutzerbetrieb Ende November wieder aufgenommen werden.
Das Archivgut dokumentiert die gesamte Berliner Geschichte von der ältesten Urkunde aus dem Jahre 1298 bis zu den jüngsten Übernahmen von den Senatsbehörden. Der Schwerpunkt der Überlieferung liegt im 19. und 20. Jahrhundert. Zu den Beständen mit überregionaler Bedeutung zählt neben den Magistrats-, Senats- und Justizunterlagen, den Akten der DDR-Massenorganisationen und der staatlich gelenkten Wirtschaft der DDR das Helene-Lange-Archiv mit Archivalien der älteren deutschen Frauenbewegung. Justiz- und Finanzakten enthalten wichtige Informationen über Verfolgungen in der NS-Zeit, und die Bestände der kommunalen Spitzenverbände dokumentieren die deutsche Kommunalpolitik der letzten hundert Jahre. Wohl in keinem anderen Staatsarchiv mit Ausnahme des Bundesarchivs spiegeln sich die politischen und sozialen Umbrüche des vergangenen Jahrhunderts so eindrucksvoll wider wie in den Beständen des Landesarchivs Berlin.
Aus: "Mitteilungen" 1/2002
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