Neue Photographische Gesellschaft Steglitz
Von Wolfgang Holtz

Das wohl bekannteste Steglitzer Aushängeschild der Zeit um 1900 war wohl die Neue Photographische Gesellschaft, die ihr großes Fabrikationsareal zwischen Siemensstraße, Birkbuschstraße und Luisenstraße (heute Nicolaistraße) hatte. Der äußerst tatkräftige Ostpreuße, Arthur Schwarz, 1862 in Braunsberg als siebentes von zwölf Kindern geboren, gründete am 5. Juli 1894 in Schöneberg mit zehn Angestellten seinen ersten fotografischen Betrieb als GmbH mit einem Grundkapital von 75.000 Mark.

Man beschäftigte sich mit der maschinellen Herstellung von Fotografien, gleichzeitig mit der Fabrikation fotografischer Papiere und Bedarfsartikel. Schon 1895 wuchs die Gesellschaft auf 35 Mitarbeiter an, so dass die gemieteten Räumlichkeiten in der Schöneberger Hauptstraße 7 A nicht mehr ausreichten und nach dem Kauf des Steglitzer Grundstückes 1896 schon im Frühjahr 1897 das neue Fabrikgebäude bezogen werden konnte. Zwei Jahre später fand die Umwandlung in eine Aktiengeselleschaft statt, so dass der Aufschwung mit Tochterunternehmen in London, Paris, Rom und New York nicht mehr zu übersehen war. Zum zehnjährigen Bestehen verfügte man über 650 Angestellte, einige Jahre später waren es mehr als 1000.

Für die Angestellten vorbildlich waren die verschiedenen Wohltätigkeitseinrichtungen der Neuen Photographischen Gesellschaft wie die Fabrikkrankenkasse, die den Beschäftigten neben freier ärztlicher Behandlung und Arznei ein angemessenes Krankengeld gewährte und ein Prämiensystem einer Lebensversicherung. Weihnachten bekamen sämtliche Angestellte Geldgeschenke, im Jahre 1903 waren dies immerhin insgesamt 20.000 Mark.

Wer länger als ein Jahr in der Fabrik arbeitete, erhielt Urlaub bei voller Lohnzahlung. Generaldirektor und Kommerzienrat Arthur Schwarz stiftete eine Bibliothek für die Fabrik mit über 1600 Bänden, die den Angestellten kostenlos zur Verfügung standen. Darüber hinaus gab es eine freiwillige Fabrikfeuerwehr, die im Jahre 1904 aus 37 Mann bestand und zusammen mit der Steglitzer Berufsfeuerwehr ausgebildet wurde. Als etwas Besonderes galt auch das Kasino, dessen Speisesaal 36 Meter lang, 14 Meter breit und 12 Meter hoch war. Hier erhielten die Mitarbeiter Speisen und Getränke zum Selbstkostenpreis, dem weiblichen Personal wurde freier Mittagstisch gewährt. Das Kasino besaß einen Lesesaal, in welchem eine große Auswahl von Tageszeitungen und Magazinen auslag. In der Saalmitte befand sich eine Bühne, die für Theateraufführungen vorgesehen war, hier gab es auch gesellige Veranstaltungen mit Vorträgen usw.

Die NPG ist damals weit über die Berliner Grenzen zu einem Begriff geworden, allein auf dem Gebiet der Postkartenherstellung wurde in großer Vielfalt produziert. Bilder der Hohenzollernfamilie, bekannter Militärs, von Kriegsschiffen, Abbildungen von Skulpturen verschiedenster Bildhauer, Berliner Zoobilder, Glückwunschkarten, Landschafts- und Städteansichten und eine große Anzahl sogenannter Kitschkarten waren ein Teil des Repertoires, alles in allerbester Qualität, schwarz-weiß und koloriert.
Für die große Zahl von Kaiserbildern, die in Schulen, Kasernen und sonstigen öffentlichen Gebäuden hingen, bedankte sich Wilhelm II. bei der Neuen Photographischen Gesellschaft für die Ausführung in einem besonderen Schreiben.

Diese Erfolge waren vor allem Arthur Schwarz zu verdanken, der sich auf unzähligen Reisen u.a. nach England, USA (60 Städte in 75 Tagen), Kanada, Mexiko, Russland, Griechenland, Italien und Frankreich vielfältige Erfahrungen und Kenntnisse erwarb und Kontakte schloss, die ihm für den Aufbau seiner Unternehmungen, die er 1890 in London und 1892 in New York mit der Vertretung fotografischer Spezialitäten begründete, in hohem Maße zugute kamen.

Große Verdienste erwarb man sich in der NPG bei der Herstellung lichtempfindlichen, fotografischen Papiers, speziell Bromsilber-Papiers, sowie der Verwendung desselben im Rotationsverfahren. Automatisch arbeitende Belichtungs- und Entwicklungsmaschinen beschleunigten das Verfahren und lösten die Fotoherstellung mit Hilfe von Glasplatten ab. Die Grundlagen der heutigen Farbfotografie wurden durch den Chemiker Dr. Rudolf Fischer und seinem Mitarbeiter Dr. Hans Sigrist in den Jahren 1910 bis 1912 in den Laboratorien der NPG entwickelt.

1912 zog sich Arthur Schwarz von seinen leitenden Stellen zurück, die Konkurrenz machte ihm und der Firma zu schaffen, der Weltkrieg zerstörte die internationalen Geschäftsbeziehungen, so dass die Fabrikation im April 1921 an der Siemensstraße zum Erliegen kam und von der Dresdener Firma "Mimosa" übernommen und als Tochter unter dem Namen NPG bis 1948 weitergeführt wurde.

Wolfgang Holtz 2003