Klosterstraße 68 – Podewilsches Palais
Von Manfred Uhlitz

Das um die Jahrhundertwende vom 17. zum 18. Jahrhundert nach Plänen von Jean de Bodt (1670-1745) errichtete Gebäude ist neben dem Schwerinschen Palais einer der bedeutendsten Wohnsitze innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer. Jean de Bodt war 1685 als Hugenotte aus Frankreich geflohen und trat 1698 in brandenburgisch-preußische Dienste. Im darauf folgenden Jahr übernahm er bereits die Leitung des gesamten landesherrlichen Bauwesens und vollendete in dieser Funktion das im Rohbau fertiggestellte Zeughaus.

Auftraggeber des Wohnhauses in der Klosterstraße war der Hofrat Caspar Rademacher, der es von 1701 bis 1704 nach Abriss eines massiven, zweigeschossigen Bürgerhauses aus der Mitte des 16. Jahrhunderts neu aufrichten ließ. Die Hausstelle hatte seine Frau aus ihrer ersten Ehe mit dem ‚Oberempfänger’ (Obersteuereinnehmer) Cantius in die Ehe gebracht. Ursprünglich stand dort ein um 1300 erbautes Lehmfachwerkhaus, das bei einem Brand zerstört worden war. Dessen mittelalterliche Keller waren wiederverwendet worden und befinden sich somit in Resten unter dem heutigen Gebäude.

Der Bau de Bodts ist sowohl ein seltenes Beispiel für ein nach französischem Vorbild errichtetes Palais als auch eines der wenigen Gebäude dieser Art, das allem Abriss und aller Zerstörung entgangen ist. Im mittelalterlichen Stadtkern waren die Grundstücke allgemein zu klein für größere Gebäude und Gärten. So wurden die Adelsquartiere des 18. Jahrhunderts fast ausnahmslos in der Friedrichstadt oder südlich der „Linden“ errichtet.

Durch die Ehe mit Rademachers zweiter Frau Marie, geb. Mieg, ging der Besitz an den Generalleutnant du Veyne über, dessen Erben es 1732 für 12.000 Taler an den damaligen Gesandten Heinrich von Podewil (1695-1760) verkauften. Unter Friedrich II. stieg Podewil zum „Wirklichen Geheimen Kriegs,- Etat- und Kabinett-Minister“ auf und war als solcher auch für Preußens Außenpolitik zuständig. 1741 wurde er in den Grafenstand erhoben. 1749 erwarb Podewil das Gut Fredersdorf, wo sich auch seine Familiengrabstätte befindet. Das Innere des Hauses ließ Podewil mit Stuckdecken und Wandgemälden ausschmücken. Es galt seinerzeit als eines der schönsten Häuser Berlins. Nach Podewils Tod erbten seine beiden Töchter, Frau von Fuchs und Frau von Haeseler, den Besitz, dessen wertvolle Inneneinrichtung 1761 öffentlich versteigert wurde. Von da an war es für ein Jahrhundert wieder in bürgerlichem Besitz. Friedrich Nicolai erwähnt es 1786 beiläufig als „Huotsches Haus“. Über zwei Generationen gehörte es der Familie des Juweliers Brendel.

Die zurückhaltend, aber gleichwohl streng gegliederte Fassade ist Ausdruck der klassizistischen Grundhaltung des preußischen Barock, das auf übermäßiges Dekor verzichtete. Sie besteht aus neun Achsen, deren mittlere durch eine monumentale Ädikula über dem Portal betont wird, ionische Doppelpilaster rahmen eine zurückspringende Nische unter einem Dreiecksgiebel. Ein Balkon schmückt die bel étage. Die seitlichen Fensterachsen werden durch flache Pilaster in Zweiergruppen gegliedert. Umlaufende Gurtgesimse trennen die drei Stockwerke.

1874 erwarb der Magistrat von Berlin das Gebäude für 215.000 Taler vom Rentier Löwenherz, der es 18 Jahre zuvor für 80.000 Taler erworben hatte, um im Erdgeschoss die Städtische Sparkasse unterzubringen. Am 17. Januar 1876 eröffnete im Gebäude das Märkische Provinzialmuseum, dessen Bestände zuvor in der 3. Etage des Berliner Rathauses in der Rotunde des Treppenhauses und im angrenzenden Korridor gezeigt worden waren. Vier Jahre später musste das Museum der Verwaltung der Städtischen Wasserwerke weichen. Bei einem Umbau 1881 wurde die Fassade stark „modernisiert“, wobei nur der Mittelrisalit mit dem Balkon und den Gittern im Erdgeschoss erhalten blieben. Alle Fensterumrahmungen wurden verändert. Beim Umbau 1881 entdeckte man Baureste aus der Mitte des 16. Jahrhunderts im linken Vorderraum des Erdgeschosses: Es handelte sich um eine 2 m hohe Kalksteinsäule, die einem Gewölbe als Mittelstütze gedient hatte. Durch ein an den Flügelbau der Parochialstraße angebautes Hinterhaus an der Waisenstraße wurde das Gebäude 1890 für die Verwaltung der städtischen Betriebe erweitert. 1919 verzeichnet das Berliner Adressbuch die Städtische Sparkasse, die Wasserwerke, die Stadtreinigung und das Militärbüro des Magistrats als Nutzer. Von 1923 an war es Verwaltungsgebäude für den Bezirk Mitte, von 1939 an Sitz des Bezirksbürgermeisters. Durch Luftangriffe brannte das Gebäude im August 1944 aus. Dabei wurden alle Zimmerdecken zerstört.
Anlässlich des achten Geburtstags der „Freien Deutschen Jugend“ wurde das auch mit Hilfe jugendlicher Aufbauhelfer seit 1951 vereinfacht wiederaufgebaute Gebäude am 7. März 1954 der FDJ als Jugendklubhaus vom damaligen Oberbürgermeister Ost-Berlins Friedrich Ebert zur Verfügung gestellt. Das Erdgeschoss erhielt eine großzügige Halle mit einem darüberliegenden zweigeschossigen Saal. 1959 bildete man den „Zentralen Klub der Jugend und Sportler Berlin“ und nannte das Gebäude von da an „Haus der jungen Talente“. Nach einem verheerenden Brand 1966 wurde das einstige Palais auch äußerlich im barocken Formenkleid mit Doppelwalmdach bis 1970 wiederhergestellt. Es war beliebter Veranstaltungsort für das „Festival des politischen Liedes“. Auch Jazz-Veranstaltungen fanden statt. 1991 zog die neugegründete landeseigene Berliner Kulturverwaltungs-GmbH ein. Das nun „Podewil“ genannte Gebäude entwickelte sich unter einem Dach mit der Schaubühne und dem Theater am Halleschen Ufer (heute: HAU 2) zur anerkannten Adresse für Tanz, Neue Musik, Theater und Medienkunst. Von 2005 bis 2007 betrieb ein Trägerverein ein „Labor für mediale Künste“. Vor zwei Jahren fusionierte die landeseigene GmbH mit dem Museumspädagogischen Dienst zur neuen Gesellschaft Kulturprojekte GmbH.

Literatur:
Richard Borrmann: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Berlin, Berlin 1893, 341 f.; Neumann: Jan de Bodt. In: Zentralblatt d. Bauverwaltung, 59. Jg., Berlin 1939, 680-684; Stadtbilder. Berlin in der Malerei vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Berlin 1987; Berlin-Archiv: Braunschweig: Archiv-Verlag o.J. (- 1987), 03037, 04024, 05071, 05114, 07099; Ralph Hoppe: Quer durch Mitte – Das Klosterviertel. Berlin 1997 (Berlinische Reminiszenzen, 77), 40-45; www.kulturprojekte-berlin.de.

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