Das Klosterviertel – Recherchemöglichkeiten im Landesarchiv Berlin
Von Uwe Schaper

Selbstverständlich kann man zum Klosterviertel arbeiten oder sich über dieses Viertel informieren, ohne dass man seinen Fuß in ein Archiv gesetzt hat. Die Literatur zur Geschichte unserer Stadt, die in keinem Fall das Klosterviertel ausklammern darf, ist Legion und spätestens seit der Wiedervereinigung rückt auch dieses Gebiet im Streben nach der Entwicklung einer „neuen, alten Mitte“ in das Spannungsfeld stadtplanerischer Diskussionen. Erhebliche Kriegszerstörungen und der offensichtlich gescheiterte Versuch der SED-Führung, den Ostteil der Stadt für die Bedürfnisse einer Hauptstadt in einem sozialistischen Staats- und Gesellschaftssystem auszubauen, haben die Phantasie der Planer und Entwickler beflügelt. Doch unabhängig von dem, was geplant wird, ist der Rückgriff auf die Geschichte des Gebietes unvermeidbar, müssen doch die Stein gewordenen Zeugen wie das Gerichtsgebäude in der Littenstraße, die Parochialkirche, die Klosterruine oder das Stadthaus integriert werden.

Archivrecherchen gestalten sich im Regelfall komplex. Nicht selten geschieht es, dass sich durch die Recherche Fragestellungen erweitern oder auch gänzlich ändern. Um zum Erfolg zu gelangen, bedarf es der „richtigen“ Strategie. Den Suchenden steht im Landesarchiv Berlin eine schier unendliche Masse an Informationen in verschiedensten Archivgutarten zur Verfügung. Neben den Akten der Berliner Verwaltung werden hier Nachlässe bekannter Persönlichkeiten, Karten und Pläne, Ansichten, Plakate, Fotos oder auch Film- und Tonmaterial verwahrt, und natürlich verfügt das Archiv über eine ausgewiesene Bibliothek.

Über die Informationsfülle hinaus hat der Nutzer eines Archivs mit zwei Grundproblemen zu kämpfen, nämlich dass Aktenbestände oder auch Sammlungen immer zu einem bestimmten Zweck entstanden sind und dieser Zweck im Regelfall nicht mit der gerade aktuellen Fragestellung der forschenden Personen übereinstimmt sowie mit der Tatsache, dass sich die Verwaltung im Laufe der Jahrhunderte immer weiter ausdifferenziert hat und nach lokalen oder regionalen und sachlichen Gesichtspunkten arbeitet. Dieser zweite Punkt wird gerade wichtig bei einem so zentralen Ort für die Berliner Geschichte wie dem Klosterviertel. Von hier ging über das Hohe Haus als erste Zollernresidenz landesherrliche Macht aus, hier waren über das Graue Kloster und die Parochialkirche kirchliche Einflüsse wirksam und hier prallten selbstverständlich landesherrliche und kirchliche Interessen mit kommunalen Interessen Berlins aufeinander. Insofern richtet sich der Blick sofort auf mehr als drei Archive, nämlich das Landesarchiv Berlin als Archiv für die kommunalen und Landesbehörden, das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz als Archiv für die landesherrliche Zentralverwaltung und mehrere Archive von Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Region. Sofern also das Forschungsproblem vermuten lässt, dass kommunale, landesherrliche oder auch kirchliche Interessenlagen miteinander verknüpft waren, lohnt sich die Recherche in mehreren Archiven, denn im Landesarchiv sucht und findet man im besten Fall eine Problemdiskussion aus kommunaler Sicht und in eher wenigen Fällen reicht die Überlieferung vor das 17. Jh. zurück, da man sich nur auf das beschränken kann, was nicht durch Stadtbrände oder Kriegs- und Nachkriegsereignisse als verloren gelten muss.

Ein gutes Beispiel, dass Verwaltungsanliegen und Forschungsinteresse selten übereinstimmen, bietet die Frage nach frühen Erwähnungen des Klosterviertels. Hier wird man über die Recherche nach dem Stichwort „Klosterviertel“ nicht fündig, sondern entdeckt einen Beleg in der kurfürstlichen Ordnung zum Verhalten bei Feuersbrünsten vom 17. April 1618. In dieser Ordnung wird behauptet, dass die Stadt Berlin „von alters“ her in das Kloster-, Marien-, Nikolai- und Heilig-Geist-Viertel unterteilt sei. Die genaue und lückenlose Unterteilung wird hier wichtig, da die Viertelmeister Vorsorgemaßnahmen für den Brandschutz überwachen und das Verhalten im Brandfall koordinieren mussten. Denselben Erkenntnisgewinn hätte man aber auch über die Literatur erhalten können, da sich u. a. sowohl Ernst Fidicin als auch Winfried Schich und Knut Schulz des Themas annehmen.
Da Archive die von ihnen verwahrten Unterlagen in der Regel und im Gegensatz zu dokumentarischen Erschließungsmethoden nur über einem summarischen Titel verzeichnen, der noch über wenige „Enthält-Vermerke“ erweitert werden kann, sind spezifische Kenntnisse über Verwaltungsgliederung und Zuständigkeiten von erheblichem Vorteil, um über die reine Stichwortsuche hinaus gezielt Unterlagen finden zu können.

Auf der Grundlage dieser Vorbemerkungen werden im folgenden in einer kleinen Auswahl und ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit einige Archivalien oder Archivaliengruppen kurz vorgestellt. Das Archivgut selbst wurde für diesen Aufsatz nur in Ausnahmefällen eingesehen und ausgewertet. Hilfsmittel ist die Datenbank des Landesarchivs, wobei längst nicht alles Archivgut darin verzeichnet ist. Deutlich muss sein, dass das Ergebnis der hier vorgestellten Suche nach Straßen oder Gebäuden nur indirekt und im Ausnahmefall auf Sachzusammenhänge hinweisen kann. Die Recherche in einer Datenbank bietet erste Hinweise, sie ersetzt aber in keinem Fall die konkrete Auseinadersetzung mit den einzelnen Archivalien. Insofern verfolgt dieser kleine Aufsatz auch das Ziel Recherchen anzuregen.

Erfolg versprechende Quellen im Landesarchiv Berlin zum Klosterviertel, auf die hier summarisch hingewiesen werden soll, werden immer die Adressbücher sein, über die gezielt Personen und Firmen oder Betriebe jeglicher Art über längere Zeiträume hinweg ermittelt werden können, sowie die umfangreiche Kartenüberlieferung ab 1652, mit der die Entwicklung Berlins (und Cöllns) z.B. nach topografischen, administrativen oder stadtplanerischen Gesichtspunkten anschaulich dargestellt werden kann. Ergiebige Funde sind auch in der Fotosammlung, in der z. B. nach Gebäuden oder Straßenzeilen recherchiert werden kann, sowie in den Ansichtensammlungen zu erwarten.

Die Abfrage der Datenbank des Landesarchivs unter dem Suchbegriff „Klosterviertel“ ergibt u. a. vier Fundstellen im Bestand der „Senatskanzlei“ aus den Jahren 2001 und 2002 zur Festsstellung des Viertels als Ort von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung. Die Abfrage zu einzelnen Straßen bringt hingegen eine Fülle von Informationen: Am ergiebigsten ist hier die Überlieferung der Bauakten, die von der Littenstraße (Neue Friedrichstraße), über Waisen-, Kloster-, Parochial- und Jüdenstraße, bis hin zur Gruner-, Spandauer- und Stralauerstraße einen relativ dichten Überblick über die Bebauung bis ins 18. Jh. zurück bietet. Für die Neue Friedrichstraße/Littenstraße sei auf Unterlagen über das Gerichtsgebäude (hierzu ebenfalls Material unter „Grunerstraße“), die zuvor dort befindlichen Kasernengebäude sowie auf das Mariannenbad des Obersteuerrats Georg Friedrich Pochhammer hingewiesen. Für die Waisenstraße findet sich eine Akte zum Wiederaufbau der Gaststätte „Zur letzten Instanz“; im Bereich der Strafverfolgung gibt es gleich fünf Akten zum Raubmord am Kassenboten der Deutschen Bank am 31. März 1939 vor dem Haus Waisenstraße 13. Zum Projekt der Altstadtsanierung von 1938 ist eine Akte zum Gebiet Großer Jüdenhof 6 und Klosterstraße 44/45 vorhanden, ebenso existieren Akten mit Katasterplänen zu den Friedhöfen bei der Kloster- und der Parochialkirche sowie Fotos von Grabdenkmälern mit Kurzbiografien von Verstorbenen. Für die späte Nachkriegszeit wurde eine Akte zum Wiederaufbau des „Hauses der jungen Talente“ (Podewil) aus den Jahren 1967-1974 ermittelt. Beim Suchbegriff „Jüdenstraße“ erhält man eine Akte zum Großen Jüdenhof mit Lageplan aus dem Zeitraum von 1879-1908.

Ein weiterer Rechercheeinstieg könnte die gezielte Suche nach einzelnen Gebäuden sein. Beim „Grauen Kloster“ interessiert zunächst eine Urkunde vom 16. Mai 1741, die aus dem Turmknopf des Grauen Klosters stammt und den eher banalen Inhalt hat, dass diese Urkunde in den Turmknopf eingelegt worden ist, nachdem der Knopf durch einen Sturm herab gefallen war und durch einen neuen ersetzt werden musste. Darüber hinaus existiert eine Akte zum Kirchengewölbe (1745-1786) und eine weitere über den Bau einer Sakristei (1745). Informationen zu den Lehrern des Gymnasiums zwischen 1818 und 1915 erhält man aus drei Akten der Stadtverordnetenversammlung; eine Akte aus dem Jahre 1750 hat die Begräbnisse der Lehrer und ihrer Familien auf dem Klosterfriedhof zum Inhalt. In einem Personenfonds sind Bilder und ein Verzeichnis der Schüler und Lehrer zwischen 1804 und 1903 vorhanden. Unterlagen finden sich auch zur Lietzmann`schen Stiftung für Schulkollegen und Kantorwitwen (1827-1833), zur Streit`schen Stiftung (1841-1906 sowie 1948-1957) und zur Bildersammlung (1970-1971). Der Nachlass von Rolf Goetze enthält den Aufruf der Streit`schen Stiftung zum Wiederaufbau des Gymnasiums, datiert Ostern 1946. In weiteren Akten werden auch anhand von Fotos der Bauzustand und der Abriss der Überreste dokumentiert. Besonders erwähnenswert dürfte noch der Nachlass von Walter Dornfeldt sein, der im Jahre 1940 mit einer Arbeit über Schädelform und Schädelveränderungen von Berliner „Ostjuden“ und deren Nachkommen promoviert wurde. 1949 wurde das spätere SED-Mitglied als Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster eingeführt.

Zum Themenkreis „Parochialkirche“ haben sich eine Reihe von Personenstandsunterlagen erhalten, die 1758 beginnen und mit geringen Lücken bis 1790 fortgeführt werden, eine Akte zum Ausbau des Gemeindehauses sowie zur Gefahrenbeseitigung und Substanzerhaltung der Parochialkirche bis 1958 und zwei Akten zum Wiederaufbau aus der Zeit bis 1979.
Für das Stadthaus bieten sich in erster Linie der Nachlass seines Erbauers, des Stadtbaurates Ludwig Hoffmann, sowie eine Reihe von Bauakten aus den 1950er Jahren an.

Unter dem Stichwort „Hohes Haus“ meldet die Datenbank Fehlanzeige, beim „Lagerhaus“ wird man hingegen fündig. In der Überlieferung der Preußischen Bau- und Finanzdirektion haben sich sechs Akten zur Administration des Hauses zwischen 1816 und 1872 und weitere vier Akten zur Bautätigkeit (1839-1870) erhalten. Auf größeres Interesse dürften auch zwei Akten über die Überlassung von Räumlichkeiten im Lagerhaus (und in den beiden Kasernen in der Neuen Friedrichstraße) an die Imperial-Continental-Gas-Association anlässlich der Einführung der Gasbeleuchtung aus den Jahren 1823-1848 stoßen. Das Problem, das sich hinter der Akte zur spannenden Frage aus dem Jahre 1764 zur Verwendung der Erbpacht aus dem königlichen Lagerhaus für das „Potsdamsche Waisenhaus“ verbirgt, dürfte eher einen kleinen Kreis aufmerken lassen.

Beliebig ließe sich die Suche nach einzelnen Begriffen erweitern, seien es „Friedrichshospital“, „Waisenbrücke“ oder „Waisentunnel“, „Ateliergemeinschaft“ oder „Königliche Kunstschule“ – überall würde man Material finden, das zu weiteren Fragestellungen und intensiven Forschungen anregt und den Blick frei gibt zu weiteren Segmenten der reichen Geschichte dieses Stadtviertels.

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