Landstände - Das ständische Archiv

Die brandenburgische Provinzial-Verwaltung läßt seit einer Reihe von Jahren die wertvollen Arbeiten über die Bau- und Kunstdenkmäler der einzelnen Kreise der Provinz erscheinen. Nunmehr veröffentlicht sie auch die Bestände ihres Archivs, und zwar zunächst in einem über 500 Seiten starken Bande der Akten der kurmärkischen Stände.

Es gab in der Kurmark schon im 13. Jahrhundert landständische Vereinigungen der markgräflichen Lehnsleute, in denen über Forderungen des Landesherrn beraten wurde. An diesen nahm aber nur der Lehnsadel Teil, die Städte zog man nicht dazu heran. Erst im Anfang des 14. Jahrhunderts tagten Adel und Vertreter der Städte zusammen und zuerst nur in einzelnen Teilen der Mark, wobei es sich um Lokalfragen handelte.

Ein allgemeiner Landtag, vom Landesherrn einberufen, fand erst 1345 statt, und zwar wegen des Münzwesens. Von da an traten dann allgemeine Landtage öfter zusammen, um über Landfragen zu verhandeln und zu beschließen. Den Streit zwischen Berlin und Kurfürst Friedrich II. entschieden ja auch die Vertreter der Stände. Aber über die Geschäftsführung dieser Stände, die gegenseitige Stellung der einzelnen Gruppen sind wir nicht unterrichtet. Erst zu Ende des 15. um die Einführung der Biersteuer erfahren wir etwas über die festen Formen der drei Kurien, Prälaten und Herren, Ritterschaft und Städte.

Nach 1540 übernahmen dann die Stände die Bezahlung der Schulden Joachims II., und es trat eine feste Organisation dazu ein, das sogenannte ständische Kreditwerk, das in der Geschichte der Mark eine große Rolle gespielt hat. Da von Joachims Nachfolgern neue Schulden gemacht wurden, mußte die Einrichtung fortdauern, die Landesherrn mußten den Ständen Konzessionen machen und kamen dadurch in eine gewisse Abhängigkeit von diesen, die ihrerseits sich in den Stand setzen konnten, die Last auf schwächere Schultern abzuwälzen, was namentlich bei der Ritterschaft der Fall war.

Während des Dreißigjährigen Krieges genügte dann das Kreditwerk weder zur Schuldentilgung noch zu den laufenden Ausgaben, und es wurden im Kriege und auch in der Folgezeit, ohne die Stände zu fragen, noch andere Steuern erhoben, Kontribution, Kopfsteuer, Accise. Diese vermochten allmählich die bisherigen des Kreditwerks zu ersetzen, wodurch der Landesherr von den Ständen unabhängig wurde, deren Wirksamkeit aufhörte, so daß sie von selbst aus dem Staatsleben ausschieden. Die Kassen des Kreditwerks bestanden indessen noch fort mit sehr geringen Einnahmen aus herabgesetzten Quoten der alten Steuern, und sie blieben bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts, sie dienten als Vorschußkassen für verschiedene öffentliche Zwecke.

Diesem kurz dargestellten Verlauf des ständischen Wesens entspricht der Inhalt des Archivs. Es sind im wesentlichen die Beziehungen der Stände zur Landesregierung, die Organisation der ständischen Behörden, die Steuersachen mit allen Gebieten, in die die Steuern hineingreifen. Viele Spezialien finden sich die märkischen Ortschaften und den märkischen Adel betreffend. Das urkundliche Material beginnt mit 1472, wo Albrecht Achilles Landesherr war, und reicht bis 1820, bis zur Auflösung der landschaftlichen Klassen. Angeschlossen sind die Akten der durch Friedrich Wilhelm IV. wieder eingeführten Provinzial-Landtage. Auch die im Geheimen Staatsarchiv und an anderen Stellen noch verwahrten ständischen Akten sind in das Verzeichnis mit aufgenommen.

Das Archiv befindet sich im Geschäftshaus der Provinzial-Verwaltung in der Matthäikirchstraße, es wird seit 1854 von Beamten des Geheimen Staatsarchivs im Nebenamte verwaltet und ist auch von diesen geordnet. Der jetzige Verwalter ist der Geheime Archivrat Klinkenborg, der Verfasser des hier besprochenen Bandes. Das Buch führt den Titel: Das Archiv der brandenburgischen Provinzial-Verwaltung, Band I. Ein Exemplar ist unserem Verein von der Behörde geschenkt worden. Der 2. Band wird die Akten der neumärkischen Stände enthalten.

Clauswitz

Aus: "Mitteilungen" 39, 1922, S. 6. Redaktion: Gerhild H. M. Komander 12/2003