Inwieweit hat die Hanse zu der städtischen und wirtschaftlichen Entwicklung von Berlin/Cölln im Mittelalter beigetragen?
Von Jörg Kluge

Inhaltsverzeichnis

Teil I

1. Einleitung
2. Lübeck Stadt und Handelsplatz
2.1 Handelsverbindungen nach Osten und Westen
2.2 Das Lübische Recht
2.3 Die Deutsche Hanse: ein Städtebund?
3. Entwicklung der Handelsrouten östlich der Elbe
3.1 Die Anfänge der Doppelstadt Berlin/Cölln-Kaufmannsniederlassung an der Spree
3.2 Stadterhebung 1237

Teil II

3.3 Nur Handelsverbindungen zwischen den altmärkischen Städten?
4. Berlin/Cölln wird Mitglied der Hanse
4.1 Berlin als Hansestadt während der größten Ausprägung der Deutschen Hanse

Teil III

4.2 Niedergang Berlins in der Hanse
5. Schlussbemerkung

3.3. Nur Handelsverbindungen zwischen den altmärkischen Städten?

Nach dem Rostocker Verzeichnis von 1358 hatten Berlin und Cölln von Anbeginn der Hanse angehört, mit ihnen weitere Städte der Mark Brandenburg Havelberg, Kyritz, Perleberg und Pritzwalk in der Prignitz, Gardelegen, Salzwedel, Seehausen, Stendal und Werben in der Altmark. Später die altmärkischen Städte Osterburg und Tangermünde, sowie Brandenburg an der Havel und Frankfurt/Oder aus der Mittelmark.[1] Der Fernhandel war für die Kaufleuten in Berlin-Cölln charakteristisch.Wie oben bereits erwähnt hatte Berlin 1251 das Zollprivileg erhalten.Im Jahr 1280 erlangte Berlin das Münzrecht (Fidicin, Berliner Chronik). Dies bedeutete, dass die Münze in den meisten Städten der Mittelmark anerkannt wurde. (Berliner"Münzsiser" "Münzeisen"= Prägestempel). Der Münzbezirk umfasste 14 Städte. Der große Wohlstand der Stadt Berlin befähigte den Rat, bald den Ankauf einer Reihe von wichtigen Privilegien durchzuführen. Zwei Privilegien waren dann für die weitere Entwicklung maßgebend:

1. Der Holzbeleg (Zoll) bei der Benutzung der Wasserwege durch Berlin-Cölln.
2. Das Niederschlagsrecht von Berlin und Cölln. Dies besagte, dass Kaufleute die die Handelsstraßen der Mark benutzten, über Berlin fahren mussten, dass dort ihre Ware für einige Tage verweilten. Die Kosten der Niederlage bestanden nicht nur in den Gebühren für das obligate Niederlegen im Kramhause, der sogenannten Budenlage, sondern auch in dem Aufwand, welcher durch den gezwungenen Aufenthalt und die nötige Umladung verursacht wurden. Alles verteuerte den Preis der fremden Ware, die Profiteure waren in diesem Falle die Berliner selbst.[2]

Hatten die Markgrafen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts das Territorium beschützt, wird dies mit dem ausgehenden 14.Jahrhundert und zu Beginn des 15.Jahrhunderts nicht mehr gewährleistet. Der Grund war: das Aussterben der askanischen Markgrafen und damit verbundene Herrschaftsauseinandersetzungen. Als die Mark fast auseinanderbrach schlossen sich im Jahr 1393 insgesamt 21 Städte der Mittelmark und der Niederlausitz zu einem Sicherheitsbündnis einer "Landwehr" zusammen. Der Grund war einerseits Sicherung des Landfriedens, Gegenwehr gegen das Raubrittertum und gegenseitige Rechtshilfe. Im Jahr 1391 erwarb der Berliner Rat das Schulzenamt vom Schulzen Tylo von Brügge mit hoher und niederer Gerichtsbarkeit mit allen Rechten und Freiheiten. Berlin griff mit seinen jeweiligen Städtepartnern in politische Befugnisse ein, die an sich der Landesherr hätte wahrnehmen sollen[3] (Siehe Anhang 12).

4. Berlin-Cölln wird Mitglied derHanse

Hatten Spandauer Kaufleute noch im 13. Jahrhundert einen hohen Anteil im Fernhandel, so wandelte sich das Handelsbild im späten Mittelalter. Handwerker und Ackerbürger prägten das Gesicht der Stadt Spandau. Berlin-Cölln entwickelte sich weiter, wie bereits erwähnt mit Privilgien des Landesherrn, zu einer Handelsmetropole der Mark und über die Landesgrenzen hinaus konnte Berlin wirtschaftliche Bedeutung erringen. Wie wir oben gesehen haben (2.3.), wurde der Handel im Ostseeraum ausgedehnt und sicherer gemacht. Damit wurde der Stand der Hanse gestärkt. Dieser Umstand war für die Berliner Kaufleute ein Ansporn sich im Ostseeraum ebenfalls zu engagieren (Siehe Anhang 13).
Die Organisationsstruktur der Hanse war nicht leicht zu durchschauen. Auf der einen Seite gab es keine Liste der aufgenommenen Hansestädte, auf der anderen Seite organisierte sich die Hanse über gesamthansische Tagfahrten(Hansetage). Die Hauptversammlung der Hansestädte wurde seit 1356 zum leitenden Organ der Gemeinschaft.
Das wirtschaftliche starke Lübeck war die Stadt, die die Gemeinschaft führte.
Auf dem Hansetag wurden alle wichtigen Entscheidungen getroffen. Im Auftrag der Hanse konnten Privilegien ausgehandelt werden, Handelssperren mit militärischem Einsatz durchgeführt werden. Die Städte konnten über drei Möglichkeiten aufgenommen werden:

1. Indem die betreffende Stadt von Anfang an durch Teilnahme an den Aktivitäten der werdenden Hanse als Hansestadt anerkannt war.
2. Indem die betreffende Stadt von ihr offiziell aufgenommen wurde.
3. Durch die informelle Zulassung von Kaufleuten einer bestimmten Stadt zu den hansischen Privilegien in einem der Kontore.[4]

Um die Verbindung Berlins zur Hanse zu verstehen, müssen wir nochmals auf die Beziehungen zu den altmärkischen Orten Salzwedel und Stendal kommen. Diese beiden Orte waren bereits im 14. Jahrhundert mit dem Haupte der Hanse, Lübeck, in Handelsverbindungen. Durch die untere Elbe und die noch schiffbare Stecknitz konnten sie mit ihren Schiffen die Ostsee leicht erreichen. Die Kaufleute von Lübeck nahmen bereits im Jahre 1263 (Lüb. U.-B. II.13.) "ihre Freunde", die Kaufleute von Stendal, deren Gesuch auf ihre Bank und in ihre Genossenschaft zu Wisby auf und machten sie derselben Rechte teilhaftig, welche sie dort selbst genossen. Der lübische Aldermann auf Gotland hatte zugleich die Kaufleute aus Salzwedel zu vertreten, da kleinere Orte keinen Vogt auf Wisby unterhielten. Die Fernkaufleute von Berlin wurden, vermutlich auch mit den Verbindungen zu den altmärkischen Städten, in den Handelsverkehr mit Lübeck hineingezogen. Ausfuhrartikel wie Wein, Bier und Hopfen wurden in der Verordnung des Lübecker Rates vom 11. März 1345, als bevorzugte Produkte festgelegt (Lüb.U.-B.IV.134). Desweiteren ist der frühzeitige Getreidehandel mit Hamburg zu erwähnen, der sich bereits rege im 13. Jahrhundert entwickelte. Die Hanse unterstützte den Handelsverkehr zwischen beiden Städten, sie schützte die Straßen.

Um diesen Schutz vollständig zu leisten, war es der Hanse wichtig, dass sich treibende Städte dem Bund als Mitglieder anschlossen, die wegen ihrer politischen Selbsständigkeit die seitens der Hanse geforderten Pflichten zu übernehmen fähig waren.[5] Damit hatte Berlin-Cölln indirekt Kontakt zur Hanse.

Wie definiert man nun den Begriff "Hansestadt"?
"Als eine Stadt, deren Kaufleute in den hansischen Niederlassungen im Ausland zugelassen waren und in den Genuss von Handelsprivilegien kamen; oder dagegen als eine Stadt, die aktiv an der Organisation und Tätigkeit der Gemeinschaft teilnahm, indem sie ihren Teil an den Lasten trug, die daraus erwachsen, oder in der Praxis, als eine Stadt, die direkt oder indirekt zu den Hansetagen einberufen wurde."[6]
Im Jahre 1359 wurden Berlin und Cölln zum Hansetag nach Lübeck eingeladen. Es ging um die Handelssperrre gegen Flandern. (Europäisches Hansemuseum, Hinweistafel)

4.1. Berlin als Hansestadt während der größten Ausprägung der Hanse

Die Berliner-Cöllner Kaufleute expandierten immer mehr in den hansischen Wirtschaftsraum. Das Hamburger Schuldenbuch (1288-1349), die wichtigste Quelle, dokumentiert den Handel.
Laut Aussage des Schuldenbuches nahm die Doppelstadt um 1300 eine überragende Stellung im Warenaustausch der märkischen Städte mit Hamburg ein. Auf dem Lübecker Hansetag von 1358 nahmen Bevollmächtigte von Berlin-Cölln teil. Dies ist die älteste Überlieferung einer Mitgliedschaft in der Hanse, die mit Sicherheit weiter zurückreicht, vermutlich bis Ende des 13. Jahrhunderts und bis 1518 andauerte.
Handelsprodukte Berlins waren hauptsächlich Roggen für die Getreidemangelgebiete im Westen und Norden, märkisches Eichenholz für den Schiffbau und Städtebau, sowie die Herstelllung von Bier- und Heringsfässern. Außerdem wurden Wolle, Bier, Pottasche, Wachs und Leinwand ausgeführt. Die Einfuhr bestand aus flandrischen Tuchen, Metallen, Waffen, Baien-Salz, Gewürzen, Heringen aus Schonen, weiteren Seefischen sowie Mühl-, Schleifsteine und Waid (blaue Färberpflanze). Bedeutende Berlin/Cöllner Kaufleute des 13. Jahrhunderts waren Konrad von Belitz, Thilo von Hameln, Johannes Grove, Heinrich Wiperti und Johannes von Rode.[7]
Die Hansestädte entwickelten ihre Handelsverbindungen in allen Richtungen über Skandinavien, England, Holland bis Russland. Dies ging nicht ohne Reibung mit den Territorialherren, jedoch wurden durch zähe Verhandlungen erfolgreiche Privilegien erzielt.

Die Hansetage trugen ihren entscheidenen Anteil zu der Erlangung von Vorteilen bei. Dies war auch bei dem Lübecker Hansetag vom 24. Juni 1359 (H.Res.A.1.224, 225. Hansisches U.-B. III. 431,483) der Fall. Berlin und Cölln waren als dieVertreter der Mittelmark eingeladen. Desweiteren waren auch die Städte Sachsens, Westfalen, Gotlands, Cölns, Preußen und Livlands, elf märkische Städte, eingeladen.Es fehlten die wichtigen Orte Brandenburg, Frankfurt/O. und Prenzlau, weil die Vertretung durch Berlin und Cölln erfolgte.

Die Tagesordnung, obwohl nur drei Punkte umfassend, war von allseitigem Interesse:

1. "...der wirksame Schutz des deutschen Kaufmanns in Flandern"
2. "...war der Antrag, die Schifffahrt auf dem Norresund zu verbieten."
3."...verlangte man die Bewilligung von Mitteln gegen die Seeräuber.."[8]

Der Tagesordnungspunkt 1 war besonders ein Anliegen der märkischen Gewandschneider ( Tuch-Fernkaufleute) die sich über die Kaufmannschaft und Schiffergilde von Brügge beschwerte. Außerdem wurden vom Grafen von Flandern die erteilten Privilegien in Frage gestellt. Ohne weiter auf die Einzelheiten einzugehen war der beschlossene Handelsboykott gegen Brügge ein voller Erfolg. Die Auseinandersetzung mit Dänemark führte später zu einer kriegerischen Auseinandersetzung, die Städte beteiligten sich mit Geld und Waffen. In Bezug auf die Seeräuber wurden sogenannte"Friedensschiffe" eingesetzt, woran auch, widerstrebend, die Binnenstädte sich beteiligten.

4.2. Niedergang Berlins in der Hanse

Auf der anderen Seite konnte die Zugehörigkeit zur Hanse auf drei Arten enden:

1. durch Ausschluss (wie mit Köln 1470/71),
2. durch Austritt,
3. durch stillschweigenden Verzicht auf die hansischen Rechte und Pflichten (wie es bei kleineren Städten vorkam).[9]

Nach 1359 ist Berlin/Cölln wenig in der Hanse aktiv.
Mit dem oben erwähnten Kauf von Privilegien erlangte Berlin weitgehenden Autonomie.
Das Patriziat, welches den Rat beherrschte und über Lehnsgüter vermögend wurde, wollte dem Ansinnen der Handwerkerzünfte einer Mitbeteiligung im Rat zu entsprechen, nicht nachkommen. Diese Auseinandersetzung führte zu inneren Unruhen in der Stadt, insbesonderen nach den großen Bränden 1376 und 1380, als die unteren Schichten (auch von nicht in Zünften organisierten Handwerkern) die hohen Geldsummen, die vom Rat beschlossen wurden, für den Wiederaufbau nicht aufbringen konnten.

Zwischen Berlin und Cölln kam es ebenso zum Streit. Unter Vermittlung des Markgrafen Sigismund wurde der Streit beigelegt und Berlin/Cölln behielt die gemeinsame Stadtverwaltung10
Ab den zwanziger und dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts begann sich die fortschreitende Stärkung der Territorialfürsten in Deutschland als auch in der Mark

 

Fußnoten:

  1. Vgl. Müller-Mertens, Berlin im Mittelalter, Aufsätze, 1987, S.16.
  2. Krüner, Friedrich, Wissentschaftliche Beilage, Berlin als Mitglied der Hanse, 1897, S.6.
  3. Diedrich, Richard, Berlin-Neun Kapitel seiner Geschichte-, 1960, S.82ff.
  4. Vgl. Dollinger: Die Hanse, S.112ff.
  5. Krüner, Friedrich, Wissentschaftliche Beilage, Berlin als Mitglied der Hanse, 1897, S.13.
  6. Vgl. Dollinger: Die Hanse, S.108.
  7. Winkler, Uwe, Die mittelalterliche Handelsstadt Berlin/Kölln, DDR 1986, S.18.
  8. Vgl. Krüner, Friedrich, Wissentschaftliche Beilage, Berlin als Mitglied der Hanse, 1897, S.23ff.
  9. Vgl. Dollinger: Die Hanse, S.113.
  10. Vgl.Winkler, Uwe, Die mittelalterliche Handelsstadt Berlin/Kölln, DDR 1986, S.21-25.