Die Burgstraße verlief einst am rechten Ufer der Spree von der Mühlendammbrücke bis zum Stadtbahnbogen. Heute reicht die Burgstraße nur noch von der Kleinen Präsidentenstraße bis zur Friedrichsbrücke. Der Name bezieht sich auf die kurfürstliche Burg auf der westlichen Seite der Spree. 1675 wies der Große Kurfürst den Magistrat an, den bis dahin ungepflasterten Gang an der Spree („hinter der heiligen Geiststraße") zu erhöhen und mit einer Schälung zu versehen.
Die Grundstücke der früheren Burgstraße Nr. 1 - 11 liegen im Bereich des jetzigen Nikolaiviertels und werden hier nicht behandelt. Ab der Rathausbrücke bis zur Liebknechtbrücke lagen vor der totalen Abräumung zu DDR-Zeiten die Grundstücke 12 - 22, Die Nummerierung hatte sich schon vorher verändert. Das dritte Haus nördlich der Rathausbrücke (1801 Nr. 9) gehörte dem jüdischen Bankier Samuel Nathan Bendix (1747 - 1835). Er engagierte sich von 1812 bis 1825 als Vorsitzender der Gesellschaft zur Verbreitung der Handwerke und des Ackerbaus unter den Juden im preußischen Staat.
Nr. 15 besaß eine Freitreppe, auf die sich Friedrich II: einmal vor einem Ochsen geflüchtet haben soll, folgt man einem Artikel der Vossischen Zeitung (12. Nov. 1871).Nebenan lag das 1699 erbaute „Logis zur Spree" (Nr. 16, 1860 Nr. 12), ein Freihaus, das von Steuern, Einquartierungen und städtischen Abgaben befreit war, wie auch einige andere Häuser der Umgebung. Im 18. Jh. wurde der Gasthof unter dem Namen „Zum König von Portugal" die „angesagteste" Bleibe für Besucher bei Hofe, ausländische Gesandte, reiche Geschäftsleute und Künstler. Lessing lässt Fräulein von Barnhelm hier bei ihrer Ankunft aus Sachsen den Herrn von Tellheim treffen; das Hotel erhielt in seinem Stück den verfremdeten Namen „König von Spanien".. Friedrich II. brachte die Primaballerina Barberina Campanini zunächst hier unter und wies fürsorglich an, dass für die Tänzerin eigens ein schmal gemauertes Bassin aus Berlinischen „Delfter" Kacheln eingebaut werden solle. Später bezog die Barberina ein Palais in der Wilhelmstraße. In Fontanes Roman „Vor dem Sturm" genoss Herr von Vitzewitz im „König von Portugal" von seinem Hotelzimmer den Blick zum gegenüberliegenden Schloss und äußerte: „Das kann nicht über Nacht verschwinden". Er sollte sich irren.
Auf dem Gelände der Burgstraße 19 hatte 1582 der Kurfürstliche Rat Joachim Steinbrecher zwei Freihäuser, im 17. Jh. war es Eigentum der alteingesessenen Familie Matthias. Michael Matthias starb 1684 als Kurfürstlich-Brandenburgischer Amts-Kammer-Rat und Hof-Rentmeister. Sein Verdienst ist die Reorganisation des Postwesens in Brandenburg und der Ausbau wichtiger Wasserstraßen. 1765 wurde hier auf Initiative Friedrichs II. die Militärakademie erbaut. Sie bestand bis zur Niederlage Preußens 1806. Wegen der jungen „Kavaliere" erhielt eine später über die Spree gebaute schmale Brücke, nördlich der heutigen Liebknechtbrücke, den Namen Kavaliersbrücke. General Gerhard von Scharnhorst gründete am gleichen Ort 1810 die Allgemeine Kriegsschule als höchste militärische Lehreinrichtung Sie nahm nur Offiziere auf, die bereits drei Jahre gedient hatten. 1833 standen zehn Offiziere und 14 zivile Lehrer für die Ausbildung zur Verfügung Die 1859 in Krieg-Akademie umbenannte Einrichtung zog später in einen Neubau Dorotheenstraße / Neue Wilhelmstraße.Nr. 20 war die Adresse des komfortablen Hotels de Saxe (1831 Nr. 25), ein 60-Zimmer Hotel mit Bädern und Stallungen im Hof und weiteren Genüssen, wie Freiherr von Zedlitz 1834 notierte „Man speist an der Wirtstafel, und Herr Böttcher besitzt einen wohl assortierten Weinkeller und bezieht seine Weine aus erster Hand...".
Nördlich der jetzigen Karl-Liebknecht-Straße verläuft die Burgstraße heute als Fußgängerzone in zwei Ebenen. Auf der unteren Ebene befindet sich das DDR-Museum mit der Adresse Karl-Liebknecht-Straße 1. Es ist ein Museum zum Anfassen mit vielen interaktiven Angeboten und authentischen Gegenständen aus 40 Jahren der DDR. Rechts liegen die Gebäude des Dom Aquarée . Früher standen auf den Grundstücken 21 und 22 das Joachimsthalsche Gymnasium (siehe Heiligegeiststraße 5 und 6) und auf Nr. 24 das Haus des jüdischen Bankiers Cohen. An der Einmündung der St. Wolfgang-Straße wurden 2007 auf der Brüstung zur Spree vier Bronzefiguren von Wilfried Fitzenreiter (1932 - 2008) mit dem Titel „Drei Mädchen und ein Knabe" aufgestellt. Sie zierten seit 1988 den Brunnen vor dem von 1979 bis 2001 vorhandenen Palasthotel.
Es folgt das Spree-Palais am Dom. Hier stand früher das Palais Montargue (Nr. 25), später unter dem Namen Palais Itzig bzw. Hitzig bekannt. Der jüdische Kaufmann Daniel Itzig (1722 - 1799) war als Bankier, Silberlieferant, Münzpächter und Fabrikant zu Wohlstand gekommen Er erwarb das Haus 1762 in noch unfertigem Zustande und ließ den durch Zukauf auf sieben Häuser vergrößerten Komplex durch Oberbaurat Naumann d. J. umbauen. An der Front zur Burgstraße entstand ein Ehrenhof, hinter dem Palais lag bis zum Heiliggeist-Spital ein großer Garten mit Springbrunnen. Das Palais wurde zu einem Hort der schönen Künste, mit Bethaus und Badezimmer, die wertvolle Ausstattung ist bei Nicolai beschrieben. Daniel Itzig besaß daneben ein Landhaus mit großem Park an der jetzigen Köpenicker Straße (Nr. 185/186). Seit etwa 1802 nannte man das Gebäude das Palais Friedländer Die Nachkommen verkauften es 1856 an die Korporation der Kaufmannschaft zu Berlin, welche die Räumlichkeiten u.a. der Bank des Berliner Cassen-Vereins (Zentrum des internen Verrechnungsverkehrs der Berliner Banken) zur Verfügung stellte.. Hier entstand nach dem Abriss aller Bauten und durch Ankauf auch der Grundstücke Burgstraße 26 (Eckhaus zur jetzigen Anna-Louisa-Karsch-Straße) die neue Börse, eingeweiht 1863. Der Architekt Friedrich Hitzig (1811 - 1881), ein Nachfahre des ehemaligen Grundstückeigentümers, hatte eine imposante Neorenaissance-Fassade entworfen.. 1884 wurde ein von ihm geplanter Erweiterungsbau fertig, der den westlichen Teil der Heilige-Geist-Gasse überbaute. Die im II: Weltkrieg ausgebrannte Börse wurde 1958/59 abgebrochen, nachdem Pläne, hinter den noch gut erhaltenen Fassaden eine Festhalle aufzubauen, verworfen wurden.. Später lag hier der Kongressbereich des Palasthotels.
Die erste Friedrichsbrücke als Verbindung zum Lustgarten entstand 1769 und ersetzte eine hölzerne Jochbrücke. Weitere Brückenbauten an dieser Stelle folgten. Nachdem die Wehrmacht das mittlere Brückengewölbe 1945 sprengte, überspannte eine provisorische Holzbrücke die Spree. 1981 entstand der heutige, unter Denkmalschutz stehende Neubau.
Am heute noch vorhandenen Teil der Burgstraße fällt zunächst das Eckgebäude Nr. 26 auf. Früher befand sich hier ein Garten des jüdischen Bankiers Mendel Oppenheim und der Sitz des Bankhauses Oppenheims Söhne, später das Börsen-Hotel. Das heute von der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität genutzte Gebäude wurde 1910-11 als Geschäftshaus errichtet, der Stahlskelettbau wird durch ein vertikales Pfeilersystem gegliedert und erinnert an Alfred Messels Fassade des Kaufhauses Wertheim am Leipziger Platz.
Burgstraße 27 befand sich bis 2003 das bei Cineasten beliebte Kino „Börse". Die 1998 gegründete DEFA-Stiftung (die Deutsche Film AG war das staatliche Filmstudio der DDR) sah sich wegen des hohen Sanierungsaufwandes zum Verkauf des Gebäudes gezwungen. Nach der Sanierung zog u. a. ein Geschäft der Buchhandelskette Walther König und das Polnische Institut Berlin ein. Das vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Polen finanzierte Kulturzentrum steht in der Nachfolge des 1956 in Berlin gegründeten Hauses der polnischen Kultur (letzte Adresse: Karl-Liebknecht-Straße 7). Seit 2005 in der Burgstraße ansässig liegt der Schwerpunkt heute auf der Vorstellung der aktuellen zeitgenössischen Kunst und Kultur Polens.
Nr. 28 beherbergte das Büro der Getreidehandlung Gebrüder Sobernheim; die Eigentümer, die Kaufleute Siegfried und Siegmund Sobernheim, wohnten im Alsenviertel im heutigen Spreebogen. Im 1999 fertiggestellten Neubau von Steffen Lehmann ist der Bundesverband deutscher Banken ansässig, ebenso der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes und die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken. Die historischen Hintergründe dieses Grundstücks vermittelt eine Tafel am Gebäude: „Die Burgstraße war vor dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Finanzstandort und für die wirtschaftliche Entwicklung Preußens von großer Bedeutung. Hier standen seit 1863 die Berliner Börse und von 1872 bis 1876 die Zentrale der Deutschen Bank. Im Haus Nr. 28 war von 1941 bis 1943 das Judenreferat der Staatspolizeileitstelle Berlin der Gestapo untergebracht. Es organisierte die Deportation von über fünfzigtausend Juden. Im Gebäude befand sich ein so genanntes Schutzgefängnis.". Die Geheime Staatspolizei hatte für Berlin als ausführendes Organ die Staatspolizeileitstelle im Polizeipräsidium am Alexanderplatz und das so genannte Judenreferat in der Burgstraße 28, die für die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung zuständige Dienstelle der Gestapo. Die Befehle zur Verhaftung und Verschleppung jüdischer Berliner in Konzentrationslager kamen von hier aus dem ersten und zweiten Stock. Im Keller und im Gebäude des zweiten Hofes wurden Häftlinge gefoltert und ermordet und schon der Name „Burgstraße" verbreitete bei den Berliner Juden Angst. Leiter der Staatspolizeileitstelle war von März 1941 bis November 1942 Otto Bovensiepen. Er musste abtreten, nachdem bekannt wurde, dass er sich persönlich an der Entrechtung und Enteignung der Berliner Juden bereichert hatte. Auch in den angrenzenden Nachbargebäuden arbeiteten mit der Deportation befasste Dienststellen der Ausländerpolizei, der Sicherheitspolizei und der Oberfinanzdirektion.
Das Haus Nr. 29 - 1847 Geburtsort von Max Liebermann - lag an der über den Zwirngraben führenden Herkulesbrücke und musste Ende des 19. Jh. der Stadtbahn weichen.
Am Spree-Ufer unweit der Friedrichsbrücke gibt ein Denkmal vielen Passanten ein Rätsel auf. Mit ihm wurde nach dem Umbruch 1989 der liberale Pädagoge Friedrich A. Diesterweg (1790 - 1866) geehrt, der sich besonders um die Verbesserung der Volksschule sorgte, ein wieder aktuelles Anliegen. Die Grünanlage zwischen Burgstraße uns Spree trägt seit 2007 den Namen des größten Berliner Kunstmäzens James Simon (1851 - 1932). Neben seinen Stiftungen an die Berliner Museen engagierte er sich stark bei karitativen Einrichtungen. James Simon war bis zu seinem Tode Mitglied im Verein für die Geschichte Berlins. Das geplante Eingangsgebäude neben dem Neuen Museum wird seinen Namen erhalten. Auf dem Areal der Grünanlage wurde 1895 der berühmte Zirkus Busch eröffnet. Busch war in seiner Glanzzeit das größte und populärste Zirkusunternehmen Europas. Hier wurde „Wasserminna" alias Minna Schulze durch ihren Sprung aus der Zirkuskuppel in ein Wasserbecken berühmt. Nach fragwürdigen baupolizeilichen Gutachten und Erweiterungsplänen für das Spreeufer wurde der Zirkusbau 1934 abgerissen
Martin Mende
Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins Heft 1/2010 S. 337 - 340.