Der Berliner Dom
Der Berliner Dom stiftet Verwirrung.
BesucherInnen der Stadt halten ihn für die katholische Hauptkirche und wundern sich, in Berlin einen Kirchenbau in einer aufwendigen Gestaltung vorzufinden, die so sehr von der vergleichsweise nüchternen Architektur der verschiedenen Epochen abweicht, die das Berliner Stadtbild gemeinhin prägt. Die Kathedrale des Bistums Berlin, die katholische Kirche St. Hedwig am Bebelplatz fügt sich dagegen zum Erstaunen der BesucherInnen in das bekannte Stadtbild ein.
Der Dom erscheint in seiner jetzigen Umgebung als architektonischer Solitär. Ihm fehlt das Gegenüber, das Berliner Schloss mit dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal von Reinhold Begas. Ebenso fehlen ihm die aufwendig geschmückten Fassaden der Wohn- und Geschäftshäuser, die um die Jahrhundertwende jenseits der Spree an der Kaiser-Wilhelm-Straße (Karl-Liebknecht-Straße) entstanden.
Der heutige Dombau ist der dritte an dieser Stelle. An den südöstlichen Rand des Lustgartens wanderte er erst 1747.
Zuvor hatte sich der Dom an der Stelle des Staatsratsgebäudes an der Werderstraße befunden. Dort bestand seit dem 13. Jahrhundert das Dominikanerkloster, das unter Kurfürst Joachim II. aufgehoben wurde. Der Kurfürst bestimmte die Klosterkirche zum Dom seiner Residenz und zur Grablege seiner Dynastie, der Hohenzollern.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts fasste Friedrich I. erstmals den Plan, einen neuen Dom zu errichten, da die mittelalterliche Domanlage baufällig war. Umgesetzt wurde dieses Vorhaben erst unter Friedrich II. Nach Entwürfen des Königs errichtete Jan Boumann den Dom, einen Saalbau von 68 Metern Länge mit ringsumlaufenden Emporen zwischen korinthischen Säulen. Er wurde auf den Fundamenten des Galeriebaus von Kurfürst Friedrich Wilhelm erbaut. Die Grundsteinlegung fand am 8. Oktober 1747 statt.
Da der alte Dom auch als landesherrliche Grablege gedient hatte, ließ Friedrich II. eine Gruft anlegen, die die Sarkophage der Mitglieder der Hohenzollernfamilie aufnahm. Der letzte König, der hier beigesetzt wurde, war Friedrich Wilhelm II.
Der König legte auch den neuen Standort am Lustgarten fest. Damit konnte der Schlossplatz, an dessen Südostecke die Wohnung Friedrichs II. lag, erweitert werden und die Wegführung der Königstraße (Rathausstraße) vom Berliner Königstor (am Bahnhof Friedrichstraße) über die Schleusenbrücke bis auf den Friedrichswerder und an den Festungsgraben herangeführt werden. Der Lustgarten wurde gegen Berlin abgeriegelt.
Am 6. September 1750 weihte der König den neuen Dom ein, der sich schon bald als zu klein erweisen sollte. So erhielt im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts Karl Friedrich Schinkel den Auftrag, Pläne für eine Erweiterung zu entwerfen. 1822 wurde der Dom nach umfangreichen Umbauarbeiten im Stil des Klassizismus eröffnet.
Unter Friedrich Wilhelm IV. war es August Stüler, der mit Neubauplänen beauftragt wurde. Die Ereignisse der Revolution von 1848 unterbrachen - wie manch anderes - auch dieses Vorhaben. Kronprinz Friedrich (III.) nahm die Pläne erneut auf und entschied als Kaiser, nachdem 1867/68 ein internationaler Architektenwettbewerb ausgeschrieben worden war, die Entwürfe Julius Raschdorffs von 1885 ausführen zu lassen.
Die verschiedenen Entwürfe und Modelle aus mehr als drei Jahrzehnten der Planung werden im Berliner Dom aufbewahrt. Dort hofft man, bald ein Dom-Museum einrichten zu können, um die Schätze der Depots der Öffentlichkeit zu zeigen.
Kaiser Friedrich III. hatte den Baubeginn nicht mehr erlebt. Erst 1892 bewilligte der Preußische Landtag zehn Millionen Goldmark für die Ausführung. Kaiser Wilhelm II. entschied, dem Wunsch seines Vaters folgend, den Domneubau nach dem Entwurf von Julius Raschdorff im Stil des Historismus errichten zu lassen. 1894 begannen die Bauarbeiten. Im Februar 1905 wurde er eingeweiht.
Obwohl die Architektur des Historismus' längst rehabilitiert und kunsthistorisch etabliert ist, erregt die äußere Gestalt des Domes ähnlich wie die des Reichstagsgebäudes - immer noch viel Unverständnis, vor allem innerhalb der Berliner Bevölkerung. Der Historismus war jedoch ein europaweit verbreiteter Stil, in dem auf zurückliegende Stile der Architektur und bildenden Künste zurückgegriffen wurde. Auch das allseits gerühmte Werk Karl Friedrich Schinkels gehört dazu.
Raschdorffs Entwurf sah eine Kirche im Stil der römischen Spätrenaissance und des römischen Barock vor. Deutlich sind etwa die Anklänge an die Kirche Santa Maria degli Angeli, die Michelangelo erbaute, und an die Kuppel des Petersdomes. Auch der Zentralbaugedanke geht auf diese und andere römische Bauten zurück.
Sandstein und Bronze bilden das Hauptmaterial des Domes. Schon im Außenbau manifestiert sich der Bau - entgegen seiner stilistischen Herkunft - durch das Skulpturen- und Mosaikenprogramm als protestantische Kirche.
Gerhard Janensch und Johannes Goetz schufen die Statuen der Vier Evangelisten im Sockelgeschoss. Die bekrönende Christusfigur ist ein Werk von Fritz Schaper. Die begleitenden Apostelfiguren stammen von Max Baumbach, Adolf Brütt, Alexander Calandrelli, Ernst Herter, Ludwig Manzel und Friedrich Pfannschmidt. Walter Schott modellierte die Engel um die Kuppel und gemeinsam mit Wilhelm Widemann die Allegorien der Herrschertugenden, die an der Denkmalskirche aufgestellt wurden und sich seit deren Abriss an der neugestalteten Nordfront des Domes befinden.
Eine Besonderheit bilden die Mosaikarbeiten der Domfassade: Arthur Kampf entwarf die Bilder für die Mosaiken des Hauptportals. Die darunter liegenden Bronzetüren schuf Otto Lessing.
Der Innenraum öffnet sich, hat man die Vorhalle hinter sich gelassen, zu einem gewaltigen Kuppelraum, dem sich der Chor anschließt. Ihm gegenüber liegt die Loge des Kaiserhauses. Weitere Emporen ziehen sich an den Querseiten entlang.
Julius Raschdorff hatte auch die Ausgestaltung des Innenraumes geleitet. Unter seiner Aufsicht entstanden die Entwürfe für Skulpturen, Malereien, Glasgemälde und Mosaiken, deren Modelle und Kartons von Woldemar Friedrich und Anton von Werner sowie Max Baumbach, Carl Begas d. J., Alexander Calandrelli, Gerhard Janensch, Harro Magnussen, Friedrich Pfannschmidt und Walter Schott angefertigt wurden. Die Skulpturen geben die bdeutendsten Persönlichkeiten der Reformation, Reformatoren und fürstliche Protektoren, wieder.
Aus der Ausstattung der Vorgängerbauten blieben erhalten:
Altarmensa, August Stüler, um 1850
Altarretabel mit Chorschranken, nach Karl Friedrich Schinkel, 1821/22
Taufbecken, Karl Friedrich Schinkel und Christian Daniel Rauch, 1819-33
Lesepult, Andreas Schlüter (?), um 1700
Zwei Bronzeengel, Werkstatt Christian Daniel Rauch, um 1824
Gemälde mit der Ausgießung des Heiligen Geistes, Carl Begas d. Ä., um 1820
Die bedeutendsten Sarkophage der Vorgängerbauten des Domes fanden Aufstellung nicht in der neu eingerichteten Domgruft, sondern im Hauptraum der Kirche. Das älteste Werk stammt aus der Werkstatt des Nürnberger Bildhauers Peter Vischer d. Ä. Dort wurde das Grabdenkmal für Kurfürst Johann Cicero hergestellt. Hans Vischer führte es in der Form eines Tischgrabes 1524-30 aus.
Die Prachtsarkophage für Kurfürst Friedrich Wilhelm und seine Gemahlin Dorothea fertigte der Berliner Bildhauer Johann Michael Döbel, vermutlich nach Entwürfen von Johann Arnold Nering aus. Johann Jacobi stellte die Sarkophage für Königin Sophie Charlotte und ihren Gatten Friedrich I. nach den Entwürfen von Andreas Schlüter her. 1888 kam der Sarkophag für Kaiser Friedrich III. von Reinhold Begas hinzu.
1944 und 1945 erlitt der Berliner Dom schwere Schäden. Erste Sicherungsmaßnahmen wurden 1951 unternommen. Die Frage, ob das Gebäude abgerissen oder wieder aufgebaut werden sollte, löste heftige Diskussionen aus. Das politische Bemühen um den punktuellen Erhalt historischer Gebäude in der Berliner Innenstadt fasste auch den Dom ins Auge. Die massive finanzielle Unterstützung der Evangelischen Kirche - die ihrerseits beträchtliche Förderung durch die Bundesrepublik Deutschland erfuhr - machte die Rettung der Kirche möglich.
1975 begannen die Arbeiten zur Wiederherstellung der Predigtkirche. Die Denkmalskirche (Dom-Gruft) wurde gesprengt, nachdem man die Sarkophage und Särge der Hohenzollern ausgeräumt hatte. Sie werden seit dem 20. November 1999 in der Gruft des Berliner Domes gezeigt.
Literatur:
Richard Borrmann: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Berlin, Berlin 1893, S. 159 ff.
Rüdiger Hoth: Die Gruft der Hohenzollern im Dom zu Berlin, München und Berlin 1995 (= Grosse Baudenkmäler Heft 426).
Der Berliner Dom. Zur Geschichte und Gegenwart der Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin, hg. von Helmut Engel und Wilhelm Hüffmeier, Berlin 2002. - Rezension von Gerhild H. M. Komander, in: MVGB 99, 2003, S. 535.
Literatur in den Publikationen des Vereins für die Geschichte Berlins:
Louis Schneider: 1590. Ein Diebstahl im alten Dome, in: SVGB, Heft 8, 1873, S. 74-77.
Louis Schneider: 1648. Der Große Kurfürst handelt mit Reliquien, in: SVGB, Heft 11, 1874, S. 119-122.
Christine Becker: Berliner Dom - Dom-Museum - Modelle, Zeichnungen, Gemälde, in: MVGB 101, 2005, S. 147-152.
Gerhild H. M. Komander 12/2004
Veranstaltungstermine
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Die Baugenossenschaft „Freie Scholle“
16. Oktober 2024, 19:00 Uhr
Der Potsdamer Platz im Trubel des Verkehrs
30. Oktober 2024, 15:00 Uhr
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14. November 2024, 19:00 Uhr
Der Neptunbrunnen von Reinhold Begas in Berlin
20. November 2024, 19:00 Uhr
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