Das Ende der fiskalischen Abdeckerei in Berlin

Von Otto Mönch

Bis zum Jahre 1840 befand sich das Scharfrichterei-Grundstück in der Invalidenstraße, da man es aber zur Anlage des Stettiner Eisenbahnhofes brauchte, so wurde es an die Eisenbahngesellschaft abgetreten, die der Stadt Berlin dagegen ein drei Morgen großes Grundstück mit Wohnhaus, Kutscher- und Knechtwohnung und Zubehör in der Chausseestraße 42 übergab und später noch 14000 Taler Entschädigungsgelder zahlte. Die erwähnte Straße lag damals weit draußen vor dem Tore, jedoch später, nachdem die Stadt sich weiter ausgedehnt hatte, wurde die Abdeckerei nach dem Tegeler Weg, hinter Müllerstraße 146, verlegt und von dort um das Jahr 1872 nach der Müllerstraße 81.

Im Dezember 1872 wurden die auf den Betreib des Abdeckereigewerbes bezüglichen Bestimmungen, u. a. die Berechtigung, anderen dessen Betrieb zu untersagen oder sie darin zu beschränken, aufgehoben und der Betrieb vom Fiskus übernommen, der ihn aber nicht selbst ausübte, sondern verpachtete. Im Jahre 1904 wurde seitens des Ministeriums beschlossen, den fiskalischen Abdeckereibetrieb in der Müllerstraße gänzlich einzustellen.

Der Vertrag zwischen dem Fiskus und dem Pächter der fiskalischen Abdeckerei erreichte am 31. März 1907 sein Ende. Wenn es auch zunächst Aufgabe der Polizei war, für Wegschaffung und Vernichtung der Kadaver Sorge zu tragen, so konnte doch die Stadt zur Aufbringung der der Polizei dadurch entstandenen Kosten herangezogen werden. Es mag bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, daß nach Angabe des Königl. Polizeipräsidiums auf der Straße jährlich etwa 250 Tiere verunglückten.

Die Stadt Berlin mußte unter diesen Verhältnissen eine Anstalt schaffen, die die Aufgaben der bidherigen fiskalischen Abdeckerei übernahm, und das tat sie, indem sie die Fleischvernichtungsveranstalt in Rüdnitz errichtete; bis zu deren Inbetriebstellung, Ende Mai 1908, hatte der bisherige Pächter Herr Neudeck bereitwilligst die Weiterführung des fiskalischen Abdeckereibetriebes pachtweise übernommen, dann aber ging der Betrieb in der Müllerstraße vollständig ein.

Bis auf weiteres hat der Fiskus das an der Straße gelegene kleine Häuschen Müllerstraße 81, in dem früher der Inspektor des Pächters wohnte, sowie die sonstigen Baulichkeiten vermietet.

Aus: "Mitteilungen" 6/1909

Redaktion: Gerhild H. M. Komander 07/2004