Adlon oblige – 100 Jahre Hotelgeschichte in Berlin
Von Martin Mende

Vor 200 Jahren formulierte Pierre Duc de Lévis seine Forderung Noblesse oblige (Adel verpflichtet) , das Hotel Adlon wandelte für seine Jubiläumsfeierlichkeiten das Motto charmant ab. Am 23. Okt. 1907 hatte Lorenz Adlon – ab 1909 auch Mitglied unseres Vereins - sein Hotel mit der noblen Adresse Unter den Linden 1 eröffnet. Für unseren Gechichtsverein ist bemerkenswert, dass der Bauherr zwei Architekten verpflichtete, die gleichfalls Vereinsmitglieder wurden, Carl Gause und Robert Leibnitz.

Carl Gause (1851 – 1907) war bereits als Spezialist für Hotelbauten in Berlin hervorgetreten (Bristol, Carlton, Savoy), heute künden die Gebäude der Weinhandlung Borchardt in der Französischen Str. und das Kurfürstenhaus im Nikolaiviertel von seinem Schaffen. Gause starb noch vor der Eröffnung des Hotels Adlon. Wenig Beachtung fand bisher, dass er auch einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung des 17 Millionen – Projektes leistete, indem er 1,5 Millionen 1907 zu einem Zinssatz von 5 % zur Verfügung stellte. Für den Kauf des Grundstücks Wilhelmstr. 70a, das in den Neubau einbezogen wurde, gab er weitere Mittel, hier wurde das Kontor der Weingroßhandlung Adlon untergebracht. Gauses Erben bekamen für Vorschüsse zum Bau des Hotels nochmals eine Sicherungshypothek über 500.000 Mark. Dabei soll angemerkt werden, dass Lorenz Adlon selbst ein Eigenkapital von 2 Millionen für die Gründung zusammengebracht hatte. Die Tilgung seiner Verbindlichkeiten sollte sich bis 1924 hinziehen.
Robert Leibnitz (1863 – 1921) war der andere Architekt des alten Adlon-Hotels und wie Lorenz Adlon seit 1909 Mitglied in unserem Verein. Von dem Regierungsbaumeister haben sich noch das Haus Cumberland am Kurfürstendamm, das Mädler-Haus und zahlreiche Kirchen erhalten.

Der Protektor des Vereins für die Geschichte Berlins – Kaiser Wilhelm II. – war ein energischer Förderer der Hotelbaupläne am Pariser Platz. Er setzte die Aufhebung des Denkmalschutzes für das an gleicher Stelle stehende Palais Redern durch. Das Adelspalais aus dem 18. Jahrhundert war 1828 bis 1833 durch Karl Friedrich Schinkel umgebaut worden. Daher riefen die Abrisspläne umfangreiche Proteste hervor, das persönliche Interesse des Kaisers an der Errichtung eines Luxushotels gerade an dieser Stelle sollte sich aber durchsetzen. In unseren Vereinsmitteilungen von 1905 kann man nachlesen, welche Eindrücke die Vereinsmitglieder bei einem letzten Besuch im Palais Redern am 3. 7. 1905 unter Leitung von Carl Gause hatten:
„... Wenn auch die plastischen Kostbarkeiten und Möbel daraus bereits verschwunden, die Kunstsammlungen entfernt, die Ölgemälde versteigert und die Tapeten fast schon bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren, so boten doch die großartigen Säulen, die fein durchdachten Ornamente, auch die Räume an sich noch viel des Interessanten, und es lohnte sich, einen letzten Gang durch das Gebäude zu unternehmen, das Jahre hindurch der Mittelpunkt der höheren Gesellschaftskreise Berlins war.

Die großen Festsäle im ersten Stockwerk sind viele Jahrzehnte hindurch geschlossen gewesen; um so größer war die Überraschung, dass die herrlichen, im griechischen Stil ausgeführten Wanddekorationen noch so vortrefflich erhalten sind. Der für heutige Verhältnisse kleine Musik- und Tanzsaal, der Salon, die Gemäldegalerie und der nach dem schattigen Garten hinaus gelegene Bibliothekssaal des Grafen Wilhelm von Redern, General-Intendanten der Königlichen Schauspiele (1828 – 42) bildeten, wie bereits bemerkt, einst den Mittelpunkt des künstlerischen Lebens in Berlin während der Regierung Friedrich Wilhelms III. und IV. Herr Baurat Gause legte die von Sr. Majestät dem Kaiser mit eigenhändiger Unterschrift genehmigte Zeichnung für das neue Prachthotel vor. ...“

Wilhelm II., der auch später stets von „seinem Hotel Adlon“ sprach, besichtigte als Erster am 23. Oktober 1907 das fertiggestellte Hotel. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Adlon zu einer der ersten Adressen Berlins und trug durch seinen Luxus, seine berühmten Gäste und sein tragisches Ende zur Mythenbildung bei. Das vorläufige Ende des Traditionshotels kam in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945, Stunden nach Beendigung der Kampfhandlungen in der Stadt. Das zuletzt als Lazarett dienende wie durch ein Wunder vollständig erhalten gebliebene Hotel ging durch den Leichtsinn russischer Soldaten in Flammen auf. Nur ein Seitenflügel überstand das Inferno und diente bis Anfang der siebziger Jahre Hotelzwecken. Bis zum endgültigen Abriss dieses Traktes nach 1984 wohnten dort noch Lehrlinge des Hotelgewerbes.

Die Legendenbildung wurde auch durch die Veröffentlichung der Erinnerungen von Hedda Adlon gefördert, der Witwe des letzten Hoteleigentümers. Der Wahrheitsgehalt muss gelegentlich hinterfragt werden, die Verfilmung der Memoiren steigerte jedoch den Nimbus der Hotelgeschichte weiter ungemein. Hedda Adlon schloss ihre Erinnerungen 1955 mit folgenden Sätzen:
„Ich möchte das Adlon wieder aufbauen – aber nur dann, wenn man nicht mehr von einem „West-„ oder „Ostsektor“ spricht, und nur dort, wo es gestanden hat und wo ich die glücklichste Zeit meines Lebens verbrachte: Im Herzen Berlins – Unter den Linden Nr. 1 !“

Als die Mauer schließlich 1989 fiel war Hedda Adlon schon mehr als zwanzig Jahre tot. Es existierten aber Verträge zwischen ihr und einer Hotelbetriebs AG, der späteren Kempinski AG, über ein Ankaufsrecht auf die Firmen Adlon und deren Grundstücke. Wegen unanfechtbarer Enteignungen vor Gründung der DDR waren die Liegenschaften nunmehr jedoch Eigentum der Stadt und mussten für 70 Millionen DM von der Adlon Grundstücksverwaltung GbR erworben werden. Die Firmen Advanta und Kempinski verkauften das Projekt an die Kölner Fundus-Gruppe, die zur weiteren Finanzierung einen geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer KG auflegte.

Der Bauherr und die Architekten des Neubaus Rüdiger Patzschke und Rainer-Michael Klotz entschieden sich im Hinblick auf den historischen Platz für eine Architektur in traditioneller Formensprache. Ausgesprochenes Ziel war es, den Besucher bereits vor dem Betreten des Hotels auf eine positive Atmosphäre einzustellen und dem Berliner ein Symbol der historischen Stadt wiederzugeben. Durch die Einbeziehung des Eckgrundstückes zur Wilhelmstr. – Lorenz Adlon konnte seinerzeit das von der Konkurrenz gezielt aufgekaufte Haus nicht erwerben – war nunmehr ein vorteilhafterer Grundriss bei einer verdoppelten Fassadenlänge zur Straße Unter den Linden ermöglicht. Durch die Fassadengestaltung setzte man sich vom alten Adlon ab, statt einer mit Muschelkalkplatten verkleideten Fassade mit Medaillons und Girlanden entstand nunmehr ein Putzbau. Lediglich beim Erdgeschoss wurde 20 cm dicker Sandstein und Granit verbaut und bei den Gesimsbändern und dem Dachgesims sowie bei den Fenstereinfassungen griff man auf zum Teil 60 cm dicken Sandstein zurück.

Neu war auch, dass sich nunmehr die Fassade sichtbar durch Konzentration von Fenstergruppen gliederte, hinter denen sich die größeren Hotelzimmer und Suiten ahnen lassen. Die Reduktion der Geschosshöhen ergab sich aus den verminderten Raumgrößen moderner Hotelbauten, nur so war die Proportionalität von Zimmergröße und Deckenhöhe zu wahren.

Von vielen Architekturkritikern wurde die traditionelle Architektur des neuen Adlon beanstandet. Als Beispiel soll Rudolf Stegers aus dem Jahrbuch 1996 „Architektur in Berlin“, herausgegeben von der Architektenkammer Berlin, zitiert werden:
„Mit 346 Einheiten vom kleinen Zimmer bis zur großen Suite wollen Rüdiger Patzschke und Rainer-Michael Klotz eine Legende beleben. Das Klassische sei „im Kommen“, sagen die beiden soignierten Architekten. Wie das wird ? Unten liegt ein sandsteinernes Sockelgeschoss mit Bossenstruktur, über dem Erdgeschoss, dem ersten, dritten und vierten Obergeschoss sowie unter dem Dachgeschoss laufen mal dicke, mal dünne Gesimse um die beige verputzten Wände. Risalite betonen die zwei Eingänge; alle Fenster schmücken sich mit Sprossen, Brüstungen und Gewänden, kurz, es ist eine Architektur, die den Hotelbauten der späten DDR an der Friedrichstr. oder am Gendarmenmarkt etwa ähnelt und die Genosse Honecker wohl als „Weltniveau“ bejubelt hätte. Aber solche Kritik ist an dieser Stelle so gratis wie das Lächeln über „Buttercreme“ im „Backwerk Adlon“. Nein, wenn man den durch die Postmoderne legitimierten Historismus will, dann muss man die Freunde von Prince Charles aus London nach Berlin rufen. Leider haben Patzschke und Klotz nicht die Raffinesse von Quinlan Terry. Die beiden Herren eifern nur. Und ihr Eifer geht so weit, dass auf einer Perspektive ihres Projekts auch die benachbarte Akademie der Künste plötzlich eine helle Sandsteinhaut mit stehenden Flügelfenstern hat. Wenn das Behnisch wüsste!“

Das Interieur des neuen Adlon haben die Innenarchitektenbüros Ezra Attia (London) und AB Living Design (Stockholm) zu verantworten. Als Reminiszenz an den Vorgängerbau wurde die Prunktreppe aus weißem Marmor originalgetreu nachgebildet. Sie verbindet die relativ kleine Halle mit dem ersten Stockwerk, die Empore der Lobby soll den „Balkon der Welt“ symbolisieren.

Kempinski schloss für die Hotelflächen einen festen Pachtvertrag bis zum 31. 12. 2017 mit einer Verlängerungsoption von 10 Jahren ab. Nach der Wiedereröffnung des Hotels am 23. August 1997 im Beisein des Bundespräsidenten Roman Herzog kamen später als Erweiterungen das Adlon Palais und die Adlon Residenz an der Behrenstr. hinzu. Bei einem Investitionsvolumen von mehr als 413 Millionen Euro werden gegenwärtig 382 Zimmer inklusive 78 Suiten angeboten. Für ein normales Zimmer mit Einzel- oder Doppelbelegung werden gegenwärtig 420 € verlangt, wer in der 5-Zimmer-Präsidenten Suite mit höchstem Sicherheitsstandard mit persönlichem Butler und Limousinenservice absteigen will muss mit 12.500 € rechnen. Für Veranstaltungen stehen zwei große Ballsäle mit je ca. 500 qm sowie ca. 2.400 qm Konferenzräume zur Verfügung.

Hedda Adlons Herzenswunsch wurde erfüllt, nur die Adresse ist jetzt Unter den Linden 77. Die Nr. 1 gehört zu dem wiederaufgebauten Kommandantenhaus gegenüber dem Zeughaus.
Am 29. Okt. 2007 werden die Feierlichkeiten 100 Jahre Hotel Adlon mit einem Festakt und Gala-Abend beendet. Der Verein für die Geschichte Berlins e.V. gratuliert dem Hotel Adlon Kempinski zu seinem 10. bzw. 100. Geburtstag.

Literaturhinweise:
Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1905 S. 108 – 109
Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1995 S. 333 – 337
Hedda Adlon: Hotel Adlon – Das Haus in dem die Welt zu Gast war, Kindler-Verlag München 1955
Carl-Ludwig Paeschke/Laurenz Demps: Das Hotel Adlon, Nicolai-Verlag 1997

Anschrift des Verfassers:
Martin Mende, Hölderlinstr. 13, 14050 Berlin, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!