Durch Zufall haben wir die Rezension von Frau Andrés zu unserer Festschrift – 150. Jubiläum des Vereins für Geschichte Berlins e.V. auf Amazon gefunden. Die Besprechung wollen wir Ihnen nicht vorenthalten:

Wenige Städte haben sich so häufig verändert wie Berlin. Die heutige Weltstadt, die früher durch die Mauer geteilt war, hat sich in eine dynamische, kulturell attraktive Hauptstadt mit angenehmem Flair verwandelt. Das sich schnell verändernden Stadtbild bietet klassische, elegante Boulevards und nur ein paar Straßen weiter alternative, avantgardistische Viertel. Berlin zeichnet sich jedoch nicht nur durch ihre Architektur und ihr Städtebaukonzept aus.

Am 28. Januar 1865 in einer ähnlichen Situation des Umbruchs, gründeten im damals berühmten „Café Royale“ an der Ecke Charlottenstraße/ Unter den Linden namhafte Berliner Bürger, um den damaligen Berliner Oberbürgermeister Karl Theodor Seydel, den Sanitätsrat Dr. Julius Beer und den Leiter des Berliner Stadtarchivs Ernst Fidicin, den Verein für die Geschichte Berlins e.V..Eine Berliner Gedenktafel erinnert am Gebäude der Deutschen Bank an den Gründungsort.

 Die rasante Industrialisierung um 1900 veränderte die Struktur und das Stadtbild von Berlin. Der Abriss der Zollmauern, der Hobrechtsche Bebauungsplan, der Bau der Ringbahn, die Einweihung des Roten Rathauses, der Abriss von 15 Stadttoren „rief“, so heißt es in der gerade erschienen Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Vereins für die Geschichte Berlins, „das Bürgertum auf den Plan, das Identitätsverluste befürchtete.“ Politisch überschattet wurde diese Zeit durch den preußischen Verfassungskonflikt. Von 1859 bis 1866 rang König Wilhelm I. mit dem Parlament. Die Berliner Stadtverordnetenversammlung beteiligte sich intensiv, um eine Heeresreform und eine verbesserte Machtaufteilung zwischen König und Parlament zu erreichen. Es ging auch darum, einen bürgernahmen Geschichtsverein für Berlin zu gründen, eine stadtgeschichtliche Sammlung zu befördern und das Märkische Museum zu gründen.

Die Festschrift versammelt „Trittsteine“, so das Editorial wörtlich. Sie sollen helfen die Stadt zu erkunden. Der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stimannbeschäftigt sich mit „James Hobrecht und Berlin – 140 Jahre Berliner Stadtgüter“, Dr. Eva-Maria Barkhofen, Leiterin Baukunstarchivs schreibt über „Berlin und sein Beitrag zur Gründung des Bauhauses Weimar“, Dr. Gesa Kessemeier stellt in ihrem spannenden Beitrag „Visionäre der Mode und der Raumkunst“ das Modekaufhaus Herrmann Gerson und die Familie Freudenberg 1889 – 1935 vor. „Herrmann Gerson, Berlin“ – das war vor hundert Jahren die Chiffre für Luxus und Exklusivität. Gerson am Werderschen Markt war das renommierteste Mode- und – mit seinem Möbelhaus an der Werderstraße – auch Inneneinrichtungskaufhaus Deutschlands. Das Modehaus stand für die hohe Zeit der Berliner Konfektion Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts und die Blüte der mehrheitlich jüdischen Modewarenhäuser.

Prof. Dr. Michael Wildt geht in seinem Aufsatz „Berlin im Licht“ der Frage nach, wie sich die Stadt durch die Einführung der großstädtischen Beleuchtung verändert hat und wie dadurch ein Schub Modernität in den 20er Jahren hinzukam. Wildt: „Die neue Helligkeit der Nacht ließ aber auch im 19. Jahrhundert ein neues, urbanes Nachtleben entstehen. […] Gaststätten, Restaurants und andere Vergnügungsetablissements erwarten abends ihre Kundschaft , die bis tief in die Nacht hinein durch die Geschäftsboulevards , deren Schaufenster auch nachts zu leuchten begannen, und Vergnügungsviertel flanierten.“

Peter Bahl schreibt über „Völker & Gosse und die Berliner Nachkriegsmoderne“, Elke Blauertüber „Groteske am Kupfergraben. Bau Du meine Kolonnaden, bau ich Deine Brücke“, Wolfgang Krogels Aufsatz heißt „Das Verschwinden historischer Kirchengebäude durch funktionale Neuplanung Berlins nach 1945“, Helmut Börsch-Supanschreibt über „Das Schloss Charlottenburg 1960 bis 1969“ und geht dabei darauf ein, was der Wiederaufbau des Schlosses im ehemaligen West-Berlin bedeutete. Dirk Moldt setzt sich mit „Jugendwiderstand im letzten Jahrzehnt der DDR-Hauptstadt“ auseinander.Der renommierte Berliner Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Professor Dr. Klaus Finkelnburg setzt sich mit der Wiedervereinigung Berlins auseinander. Susanne Kähler befasst sich mit „Deutsche Geschichte und jüngere Berliner Denkmalkonzepte“ und Dr. Jörg Kuhn schreibt über die Bedeutung der Rekonstruktion verlorener oder teilweise erhaltener Standbilder nach 1989.

Spannend ist der letzte Beitrag der Festschrift vom ehemaliger Kulturstaatssekretär von Berlin, André Schmitz. Er handelt von „Berlins First Family“ der Familie Mendelssohn. Schmitz geht es dabei darum, Wege der Berliner Erinnerungskultur aufzuzeigen. Jüdisches Leben kam dabei nur am Rande vor. Schmitz: „Geschuldet ist dieses Versäumnis einem Geschichtsbewusstsein, das von Holocaust-Verarbeitung, deutscher Teilung und Mauerbau absorbiert war. Das in Berlin traditionell stark vertretene jüdisch-deutsche Großbürgertum, dem die Mendelssohns angehörten und welches die Stadt so lange mitgeprägt hatte, war nach 1945 ermordet oder vertrieben“. Sowohl in West als auch in Ost tat man sich mit dem Gedenken an die Mendelssohns schwer. Im Westen war 1967 die Gründung der Mendelssohn-Gesellschaft durch Cécile Lowenthal-Hensel der erste Anstoß. Im Osten passte die Verbindung jüdische Herkunft und Großkapital nicht ins Denkmuster der SED, die einen antiisraelischen Kurs vertrat. Erst die Ausstellung „Die Mendelssohns und die Jägerstrasse“ und die Kolumnen von Heinz Knobloch verschafften einem breiteren Publikum Zugang. Seit 2005 verleihen die IHK Berlin und die Berliner Handwerkskammer an herausragende Unternehmen für ihr verbandspolitisches und gesellschaftliches Engagement die Franz-von-Mendelssohn-Medaille. Die Remise in der Jägerstaße und die Dauerausstellung auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof sind kulturelle Orte, an denen das Gedächtnis an die Mendelssohns wach gehalten wird. Der israelische Bildhauer Micha Ullmann soll an dem ersten Wohnort der Familie Mendelssohn, Spandauer Straße 68, eine Bodenskulptur entwerfen und so einen weiteren Erinnerungsort schaffen.

Die Berliner Geschichtslandkarte wird durch diesen Band mit vielen interessanten Beiträgen gefüllt. Interessante Einzelfragen und Aspekte werden vorgestellt. Als wesentliches Manko ist aber festzustellen, dass die Epoche des Nationalsozialismus in dieser Festschrift weitgehend fehlt. Der Hinweis, dass die Geschichte des Vereins bereits akribisch recherchiert und in anderen Publikationen dargestellt wurde, erscheint mir keine ausreichende Erklärung zu sein.Schade!