Erst abgeschoben, dann Liebling aller Anwohnenden. Warum Dichter Heinrich Heine im Weinbergspark und an der Neuen Wache als identisches Denkmal verewigt ist.
Berliner Zeitung vom 15.05.2023 von Susanne Dübber

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Foto Wikimedia: Das Heinrich-Heine-Denkmal auf dem Platz der Märzrevolution in Berlin-Mitte, im Hintergrund die rustizierte Fassade des Ostflügels der Humboldt-Universität. Aufnahme 2005. CC BY-SA 3.0 Fotograf: Eisenacher

Manche Städte haben gar kein Heine-Denkmal, in Berlin steht eins gleich doppelt zur Erinnerung an den Dichter (1797–1856). Das eine im Weinbergspark, das andere an der Straße Unter den Linden, beide in Mitte. Wie das kommt? Schuld ist die DDR!

Wie so oft bei Denkmälern, gab es auch bei diesem Streit, als Bildhauer Waldemar Grzimek (1918-1984) sein Werk präsentierte, damals 1958.

Hoch ging es her, die Diskussion tobte jahrelang auch auf den Seiten der Berliner Zeitung. Im Archiv las ich jetzt nach, wie entsetzt sich Schriftsteller und Heine-Kenner Walther Victor (1885–1971) äußerte. Es stimme nicht mit den Vorstellungen überein, die sich das deutsche Volk und die große Zahl der Heine-Freunde in aller Welt von dem Dichter machen würden. Er schlug vor, Künstler Grzimek auf eine „Liste der Kunstverderber“ zu setzen.

Der Freund von Marx und Engels

Ich treffe mich mit Manfred Uhlitz vom Verein für die Geschichte Berlins am Heine-Denkmal hinter der Neuen Wache. Er erklärt mir, „sie wollten den Monarchiegegner, den Vorkämpfer der deutschen Revolution von 1848, den Bekannten oder Freund – man weiß es nicht genau – von Marx und Engels, nicht den romantischen Lyriker und Satiriker.“

Warum nur war das damals so eine heftige, unter die Gürtellinie gehende Diskussion? Manfred Uhlitz meint, „um Denkmäler wird oft gestritten, denn sie stehen im öffentlichen Raum. Alle können sie sehen und haben eine Meinung dazu“. Die Beseitigung von Lenin-Standbildern nach der Wende in der DDR 1990, der Streit um die Einheits-Wippe vor dem Schloss heute: „Denkmäler sind etwas Politisches. Man zeigt seine Macht, indem man etwas entsorgt oder installiert, man räumt auf.“

uhlitz am heine denkmal neue wacheFoto: Manfred Uhlitz vom Verein für die Geschichte Berlins am Heine-Denkmal hinter der Neuen Wache in Mitte. Foto von Susanne Dübber

Da half es auch nicht, dass der bedeutende Bildhauer Gustav Seitz, Mitglied der Akademie der Künste, für Waldemar Grzimeks Arbeit sprach und Walther Victor „Böswilligkeit“ attestierte. Gustav Seitz argumentierte: „Marx und Engels haben ja auch und vor allem den Heine der lyrischen Gedichte geliebt und verehrt.“

Was war das Ergebnis des Streits? Der Heine wurde in den vom Zentrum weit entfernten Weinbergspark abgeschoben. Manfred Uhlitz begründet das darin, „die DDR-Kunst war unter staatlichem Einfluss“.

Nach seinem Geschmack ist der Heine „sehr gelungen. Ein freundlicher moderner Mensch, spitzbübisch, der Mund leicht spöttisch“. Aber: „So lässig hinplatziert auf einem Hocker, das passte nicht in das Weltbild der damaligen Mächtigen.“

Liebling der kleineren und größeren Anwohnenden

Genau diese Haltung machte den Heine dann im Weinbergspark zum Liebling der kleineren und größeren Anwohnenden. Sie wollten ihn in den 90ern, als die Diskussion um einen Umzug ins prominentere Stadtviertel losging, nicht wieder hergeben.

Schließlich spendierte 2002 der Mäzen Peter Dussmann 128.000 Euro für einen Zweitguss. Ende gut, alles gut und doppelte Freude.

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