Charlotte Karoline Birch-Pfeiffer (1800-1868): Eine Frau beherrscht die Bühne
(Friedhof IV der Jerusalem und Neuen Kirchengemeinde, Kreuzberg, Bergmannstraße 45-47, Feld 2-WR, G3)
Sie war in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Königin des Unterhaltungstheaters. Die schreibende Schauspielerin Charlotte Birch-Pfeiffer, die seit 1844 am Königlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt auftrat, hatte sich als einzige Frau in der männlich dominierten Theaterwelt durchgesetzt. Da sie seit ihrem dreizehnten Lebensjahr als Schauspielerin arbeitete, kannte sie die Bedürfnisse des Publikums genau und wusste sie zu bedienen. Später nannte man das Trivialdramatik: Stücke zum Lachen und Weinen und mit zumeist glücklichem Ausgang. Die Birch-Pfeiffer machte vor, was heutzutage auf dem Theater die große Mode ist: Sie adaptierte erfolgreiche Romane von Victor Hugo, Alexandre Dumas, George Sand, Wilkie Collins und anderen für die Bühne. Nachdem sie in Berlin ihre Dramatisierung des Glöckners von Notre Dame inszeniert hatte, schrieb sie an ihren Mann:
"Gott ist mit den Seinen, und heute habe ich den schönsten Triumph meines Lebens gefeiert! - Der Glöckner ist aufgegangen wie eine neue Sonne am theatralischen Himmel und wird mir Gold bringen, wie er mir heute Ehre brachte! - Seit sechs Tagen hatte ich jeden Tag Probe von 9 bis 2 Uhr! Ich kommandierte, setzte alles in Szene, schrie, raste, brachte das Unmöglichste zu Stande. (…) Als endlich der Vorhang herunter war, fielen mir alle Männer um den Hals, und dankten mir, und ich ihnen, denn sie hatten es wohlverdient! - Wir waren alle in einem Freudenrausch!"
Mit ihren vielen Bearbeitungen brachte sie es auf nahezu 90 Dramen, und weil seit 1844 die Theaterautoren an den Einnahmen beteiligt waren, wurde die Vielschreiberin zur Großverdienerin. Kein Intendant, der an die Kasse denken musste, konnte sich den Luxus erlauben, ihre Stücke nicht aufzuführen. Das Publikum und die Schauspieler liebten sie, die Rezensenten indes beklagten die sich ausbreitende „Birch-Pfeifferei“. Aber das konnte ihr egal sein. Kurz vor ihrem Tod gestand sie einem Theateragenten: "Von Zeitungen fürchte und hoffe ich nichts, nach einem Halbjahrhundert in einer Bühnenlaufbahn wie der meinen, ist man über diese Illusion hinaus, man hat durch Erfahrung gelernt, dass sich eine Sache - wie immer sie besprochen werde - nur durch den Wert erhält, den sie für die Kasse hat!"Seit 1865 arbeitete sie nur noch als Schriftstellerin. Sie starb, vermutlich an einem Schlaganfall, im Alter von 68 Jahren. Ihre vielen Erfolgsstücke waren schnell vergessen.
Text: Gerold Ducke; Fotos: Erika Babatz
Auszug aus ihrem Vortrag „Friedhof der Schauspieler, Zweiter Akt“, gehalten Im Rahmen der Vortragsreihe des Vereins für die Geschichte Berlins am 16. September 2015.