Ein Ausstellungs- und Publikationsprojekt
von Anna-Dorothea Ludewig und Rafael Cardoso

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Abb. 1: Gartenfest in der Simon’schen Villa in Berlin-Tiergarten (Drakestraße) am 15. Juli 1930: Gertrud Simon, Max Liebermann, Albert Einstein, Aristide Maillol, Renée Sintenis (von links nach rechts).

Der Bankier und Mäzen Hugo Simon (1880–1950), heute fast vergessen, war eine der Schlüsselfiguren des Berliner Lebens während der Weimarer Republik. 1911 gründete er das private Bankhaus Bett, Simon & Co. (ursprünglich Carsch, Simon & Co.) und engagierte sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten auf unterschiedlichsten Gebieten. 1918 war er für kurze Zeit Finanzminister der USPD im preußischen Rat der Volksbeauftragten, eine Episode seines Lebens, die Erwähnung in Alfred Döblins Roman November 1918 findet; die Bezeichnung »roter Bankier« blieb ihm aufgrund seiner politischen Orientierung auch in den Folgejahren erhalten. Er trat auch immer wieder als Unterstützer mittelloser Künstler in Erscheinung die teilweise auch seinem Bekanntenkreis angehörten, so beschäftigte er in seinem Bankhaus vorübergehend (1923) den von wirtschaftlichen Schwierigkeiten geplagten Kurt Tucholsky als persönlichen Sekretär.

Besondere Verdienste erwarb sich Hugo Simon als Mäzen und Sammler; als Mitglied der einflussreichen Ankaufskommission der Neuen Abteilung der Nationalgalerie (Eröffnung 1919) unter Ludwig Justi war er entscheidend am Aufbau von Berlins innovativstem Museum beteiligt; 1920 machte er mit Karl Schmidt-Rottluffs Ruhender Frau (1912) der Nationalgalerie ein persönliches Geschenk.

Als Kunde der Galerien Ferdinand Möller, Paul Cassirer, Herwarth Walden und Alfred Flechtheim war Hugo Simon mit verschiedenen Kunsthändlern verbunden, wobei das Verhältnis zu Paul Cassirer besonders eng war: Er beauftragte ihn mit dem Umbau seiner neuen Villa in Berlin-Tiergarten, die durch seine Sammelleidenschaft und Cassirers Expertise zu einem Tempel der Kunst wurde: Gemälde von Camille Pissarro und Claude Monet schmückten das Esszimmer, im Wintergarten schuf Max Slevogt ein Wandgemälde, mit dem er das in den 1920er Jahren beliebte Papageien-Motiv aufnahm. Im Außenbereich stand ein Brunnen mit einer Plastik des Bildhauers Georg Kolbe. Hugo Simon führte ein offenes Haus; er brachte Menschen zusammen, bei ihm verkehrten u.a. Albert Einstein, Max Liebermann, Harry Graf Kessler und Renée Sintenes, knüpfte Verbindungen und verlor dabei das karitative Engagement nicht aus den Augen: Beispielsweise las im Dezember 1929 Thomas Mann im Rahmen eines Dinners in seinem Haus aus dem Joseph-Manuskript, und der Gastgeber sammelte Spenden für die Jüdische Altenhilfe.

Vor diesem Hintergrund scheint Else Lasker-Schülers Name für Hugo Simon bezeichnend: Sie nannte ihn Boas, nach einem gütigen biblischen Großgrundbesitzer, dem Urgroßvater König Davids, und widmete ihrem Unterstützer das Gedicht »Gott hör ...«.
Bereits 1933 musste die Familie Simon aus Deutschland über die Schweiz, Südfrankreich und Mallorca nach Paris fliehen, wo es Hugo Simon gelang, erneut eine Privatbank zu gründen und seine Wohnung im sechsten Arrondissement (Rue d’Antin) zu einem kulturellen Ort zu machen. Auch Thomas Mann war wieder zu Gast: 1938 kam er zum Dinner in die »prächtige Wohnung«, wie er in seinem Tagebuch festhielt. Den Großteil seiner Möbel und die über 200 Werke umfassende Kunstsammlung hatte Hugo Simon zunächst retten können, ab Ende der 1930er Jahre musste er Teile der Sammlung veräußern.

Die zweite Flucht begann kurz vor der Besetzung von Paris durch die Wehrmacht; mit gefälschten Pässen gelangte die Familie schließlich 1941 nach Brasilien, wo Hugo Simon 1950 verarmt starb.Das Schicksal der Kunstsammlung ist ungeklärt, die in Paris verbliebenen, mehrheitlich expressionistischen Werke wurden vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg beschlagnahmt und angeblich im Hof des Jeu de Paume verbrannt.
Die Vielfalt seiner kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Interessen und des damit verbundenen Engagements ließen Hugo Simon zum Mittelpunkt eines einzigartigen Netzwerks werden, das Berlin bis heute prägt und dessen Spuren das Ausstellungs- und Publikationsprojekt wieder sichtbar machen möchte.

Ausgangspunkt sollen dabei die beiden Häuser von Hugo Simon sein, also die (im Krieg zerstörte) Villa in Berlin-Tiergarten und das Gut in Seelow im Oderbruch, letzteres verband in einzigartiger Weise landwirtschaftliche und kulturelle Ambitionen, Vieh- sowie Obst- und Gemüsezucht korrespondierten hier mit einem Nachbau von Goethes Gartenhaus und Skulpturen beispielsweise von Renée Sintenis. Beide Häuser waren sehr viel mehr als private Refugien: Es waren soziale Treffpunkte, die Menschen zusammenbrachten; es waren Ausstellungsflächen, die moderner und ‚klassischer‘ Kunst Raum boten, es waren Experimentierfelder für innovative landwirtschaftliche Methoden (Seelow), Bühnen für ›halböffentliche‹ Kulturveranstaltungen und (politische) Diskussionsforen.

hugo simon abb2Abb. 2: Hugo Simon, 1940.

Das am MMZ angebundene und durch die Hermann Reemtsma Stiftung geförderte Projekt wird von Anna-Dorothea Ludewig und dem brasilianischen Kunsthistoriker Rafael Cardoso, einem Urenkel Hugo Simons, gemeinsam bearbeitet und umfasst die Konzeption einer Ausstellung und eines Text-Bild-Bandes, die unter anderem bislang unveröffentlichte Fotografien aus dem Familienarchiv zeigen werden; ausgehend von den beiden Häuser in Berlin und Seelow sollen damit Leben und Wirken von Hugo Simon wieder sichtbar gemacht werden. Die Eröffnung der Ausstellung ist für Herbst 2018 im Rahmen des Themenwinters »Revolution!? Berlin 1918/19« geplant, der von Kulturprojekte Berlin, dem Stadtmuseum und verschiedenen anderen regionalen Institutionen umgesetzt wird. Zeitgleich mit der Eröffnung wird auch das Buch bei Hentrich & Hentrich erscheinen.

Aus Dialog, Heft 76, Potsdam 3/2017 - Seite 3 [PDF]
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