Paul Jakob Redelsheimer, 1873-1942

Paul Jakob Redelsheimer wurde am 12. Mai 1873 in Berlin geboren, besuchte hier die Schule, studierte Architektur, heiratete und ließ sich wieder scheiden. Bis auf sein Geburtsdatum lässt sich nichts davon belegen, da in Berlin ein Großteil aller Dokumente verbrannte, als die Stadt im II. Weltkrieg in Flammen stand.

Aber die Spuren seiner Arbeit lassen sich rekonstruieren. 1904 gründete er seine erste Firma „Paul Redelsheimer" in der Französischen Str. 22-23, dort, wo heute das LaFayette steht. Er spezialisierte sich auf Innenarchitektur und Innenausbau und firmierte 1912 unter derselben Adresse als „Möbelfabrik Paul Redelsheimer".

Mit seinem beruflichen Erfolg nimmt auch sein Privatleben eine glückliche Wendung. 1904 heiratet er in Ulm seine zweite Frau, Elsa Nördlinger, die sich für ihn scheiden lässt und ihre Tochter Martha mit in die Ehe bringt. Paul, Elsa und Martha wohnen in Berlin während der Woche und verbringen die Wochenenden in ihrem Sommerhaus in Sacrow bei Potsdam. Martha heiratet Paul Bernstein, der mit ihrem Vater zusammen arbeitet. 1925 wird Lili, ihre Tochter, geboren. Die Bernsteins wohnen am Lietzensee. Die ganze Familie trifft sich regelmäßig in Sacrow, wo sie noch ein weiteres Grundstück kaufen und mit einem Bootshaus und einem Garagenhaus bebauen.

Pauls Aufträge führen ihn u.a. nach Bremerhaven und nach Cottbus, wo er im jeweiligen Stadttheater die Innenausstattung gestaltet, aber vor allem fanden seine Arbeiten auf dem Kurfürstendamm statt. Er übernahm die Innengestaltung beim damaligen 'Union Palast' und heutigen Apple Store, Kurfürstendamm 26, sowie beim 'Cumberland-Haus', Kurfürstendamm 193/194. 1930 musste die 'Möbelfabrik Paul Redelsheimer' im Zuge der Weltwirtschaftskrise ihre Tätigkeit einstellen. Im selben Jahr bieten ihm die Geschäftsräume am Kurfürstendamm 47 einen Neubeginn als 'Paul Redelsheimer & Co. Einrichtungshaus GmbH'. Die Gesellschafter sind Elsa und Paul Redelsheimer, sein Schwiegersohn Paul Bernstein und Rechtsanwalt Beer. Um die "Herstellung von Wohnungseinrichtungen, Möbeln, Bauten und Bauaufträgen, An-und Verkauf von Einrichtungsgegenständen und die Ausführung verwandter Geschäfte" kümmern sich acht Angestellte.

Nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 entschließen sich Paul, Martha und Lili Bernstein nach Frankreich auszuwandern und überleben so den Holocaust. Am 8. Juni 1938 wird Paul Redelsheimer aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen, seine Schaufensterscheiben werden im September beschmiert und in der Reichspogromnacht am 9. November wird das Geschäft verwüstet. Kurz danach müssen die Redelsheimer ihre Geschäftsanteile ersatzlos abtreten. Nach der Verteilungsliste zu urteilen, sind es wahrscheinlich die arischen Angestellten, die in diesen Genuss kommen. Am 31.12.1938 wird die Liquidation der Firma auf einer Gesellschafterversammlung beschlossen. Prof. C. Reiner (Raumgestalter) und C.J. Hacker (Kaufmann) sind die Liquidatoren, die ihren Ariernachweis" im Sinne der Nürnberger Gesetze erbringen können. Die neue Firma am Kurfürstendamm 47 heißt nun "Reiner KG, Einrichtung in neuem Geist".

Im Januar 1939 müssen die Redelsheimer ihr Sommerhaus in Sacrow für einen Spottpreis verkaufen. Die Kaufsumme geht auf ein Sperrkonto bei der Deutschen Bank und ist für sie nicht mehr frei verfügbar. Elsa und Paul ziehen in ihr Garagenhaus im Weinmeisterweg in Sacrow, sie lassen alle Möbel in ihrem Haus zurück. Ihre Ausreiseanträge nach Kuba und Belgien werden abgelehnt.

Vor dem Tod kommt der Hunger. Nachdem ihnen das Telefon, das Radio und alle Wertgegenstände genommen wurden, dürfen ihnen ab dem 12. September 1942 kein Fleisch, keine Eier, keine Milch, keine Weizenerzeugnisse über die Lebensmittelkarten zugeteilt werden. Die Gestapo holte sie am 3. Oktober 1942 im Weinmeisterweg ab. Beide werden mit dem 3. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Viele Deportierte glauben, in Theresienstadt ihren Altersruhestand verbringen zu können. Paul stirbt wenige Tage nach ihrer Ankunft, Elsa lebt noch zwei Jahre ohne ihren Mann im Lager. Am 16. Mai 1944 wird sie zusammen mit 2 500 weiteren Menschen in einem Viehwaggon direkt nach Auschwitz-Birkenau transportiert. Zwei Wochen später, am 31.5.1944, wird sie ermordet.

Von Eva Tanner