Walter Robert-Tornow
Ein Vertreter des literarischen Berlins im ausgehenden 19. Jahrhundert
14.7.1852 Ruhnow / Pommern - 17.91895 Helgoland
Von Ingeborg Stolzenberg
Der vor einem Jahr hier veröffentlichte Gedenkartikel Peter Letkemanns über Georg Büchmann[1] schließt mit einem Satz von Walter Robert-tornow, in dem es von dem Herausgeber der "Geflügelten Worte" heißt: "Sein Name wird unvergessen bleiben, so lange es auf Erden gebildete und gründliche Deutsche giebt." Der Mann jedoch, der einen großen Teil dazu beigetragen hat, dass diese Prophezeiung sich erfüllte er gab nicht nur die 14. bis 18. Auflage des "Büchmann" heraus, sondern setzte seinem Freund und Vorgänger in dem der 14. Auflage beigegebenen Nachruf auch ein bleibendes blographisches Denkmal -, dieser Mann fiel dem Vergessen anheim.
Dabei hat Walter Robert-tornow dieses Schicksal weder als Büchmannfortsetzer und Verfasser weiterer literarischer Arbeiten noch im Hinblick auf seine Stellung innerhalb des gebildeten Berlins am Ende des vergangenen Jahrhunderts verdient. Eine Neuerwerbung der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz gab jetzt den Anstoß, sich seiner wieder zu erinnern.
Walter Heinrich Robert-tornow war ein Urenkel des Berliner Bankiers Marcus Levin bzw. Levin Marcus Cohn (1723-1790). Dessen Nachkommen führten ab 1811 den Namen Robert-Tornow, wobei das zweite Namensglied zur Unterscheidung von der französischstämmigen Berliner Familie Robert auf den ehemaligen Wohnort der Familie Levin-Robert bei Berlin hinwies.
Die bekanntesten Kinder des alten Levin ließen den zweiten Teil ihres Familiennamens gewöhnlich fort: so der Dichter Ludwig Robert nebst seiner Frau, der Schriftstellerin Friederike Robert, geb. Braun, geschiedene Primavesi, und so vor allem die berühmte Rahel, die Frau Karl August Varnhagens von Ense, die unter ihrem Mädchennamen Friederike Robert bekannt ist.
Den Namen Robert-Tornow behielten der älteste Sohn, der Bankier Marcus Theodor, und dessen jüngster Bruder Moritz bei, der ihn wiederum an zwei Söhne, Ferdinand und Gustav, weitergab. Ferdinand blieb unverheiratet; Gustav wurde dagegen der Vater einer Tochter und dreier Söhne. Der jüngste von ihnen war Walter Heinrich. Dieser pflegte den zweiten Teil seines Familiennamens ausdrücklich mit einem kleinen Anfangsbuchstaben zu schreiben, "weil dadurch deutlicher noch, als durch die Bindestriche allein, wird, dass Robert nicht als Vorname aufzufassen und der Name nur unter 'R' zu rubriciren ist" [2].
Am 14. Juli 1852, wurde Walter auf dem Gut seines Vaters in Ruhnow in Hinterpommern geboren. Seine Mutter entstammte der Berliner Musikerfamilie Türrschmiedt. Ihr Bruder, Albrecht Türrschmiedt, war ein bekannter Keramologe. Walters Vater, ein studierter Landwirt, hatte nach ausgedehnten Reisen in Europa, vor allem in England, und in Kleinasien zwei Güter im pommerschen Kreise Regenwalde gekauft und sie zu Musterwirtschaften ausgebaut. Neben zahlreichen politischen Amtern - zeitweilig war er auch Landtagsabgeordneter - widmete er sich seinen weitgespannten geistigen Interessen, die ihren Niederschlag in einer umfangreichen Bibliothek fanden.
Diese väterliche Bibliothek legte das Fundament für die Bildung des Sohnes Walter, der nach einem Fall als dreijähriges Kind zeitlebens gebrechlich und im Wachstum behindert blieb und niemals eine öffentliche Schule besuchen konnte. Auch an ein geregeltes Studium war aus gesundheitlichen Gründen nicht zu denken.
Immerhin aber hörte er an der Universität Berlin seit dem Sommer 1870 philologische und kunsthistorische Vorlesungen, u.a. bei Moritz Haupt, Theodor Mommsen und Ernst Curtius sowie später auch bei Herman Grimm, der ihm seitdem freundschaftlich verbunden war, mit dem er im Frühjahr häufig in die Südtiroler Berge reiste und der dem einstigen Schüler nach dessen Tode in der Deutschen Rundschau[3] einen warmherzigen Nachruf widmete. Daneben trieb der vielseitig begabte junge Mann auch Zeichenstudien an der Berliner Kunstakademie, doch sah er später das Gebiet der Literatur im weitesten Sinne als sein Haupttätigkeitsfeld an.
Nach vorübergehendem Aufenthalt in Ruhnow zog Walter 1880 mit seinem verwitweten Vater, der seine Güter seinem ältesten Sohn übertragen hatte, für immer nach Berlin, wo sie im Hause von Walters verstorbenem Onkel Ferdinand Robert-tornow (1812-1875) Wohnung nahmen. Dieser Onkel, der "Assessor Robert", hatte sich nach Aufgabe seines Berufes als Kunstsammler und Förderer des Kunstgewerbes in Berlin einen Namen gemacht und seine Villa in der Johannisstraße 11 (später Nummer 14-15) zu einem kleinen, verwunschenen Museum ausgebaut.
Nach seinem Tode vermachte er seine Sammlungen der Kronprinzessin Victoria, mit der sowie dem kunstinteressierten Kronprinzen Friedrich Wilhelm er in seinen letzten Lebensjahren einen engen Verkehr unterhalten hatte. Walter Robert-tornow würdigte Leben und Werk seines Onkels in dem bereits oben zitierten Aufsatz in der Deutschen Rundschau.
In den letzten sieben Jahren seines Lebens, nachdem auch sein Vater gestorben war, wohnte und arbeitete Robert-tornow als Vorsteher der kaiserlichen Hausbibliothek dieses Amt hatte ihm am 1. April 1888 Kaiser Friedrich übertragen - und seit 1889 auch der Privatbibliotheken des Herrscherpaars[3a] im "Weißen Schloss" zu Berlin. Er starb am 17. September 1895, nur 43 Jahre alt, auf der Insel Helgoland, wo er, wie auch schon in früheren Jahren, Erholung gesucht hatte. Im Berliner Familiengrab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof fand er seine letzte Ruhestätte.
Von seinen Werken wäre an erster Stelle die gelehrte Abhandlung "De apium mellisque apud veteres significatione et symbolica et mythologica" zu nennen, die, zwar bereits 1875 verfasst, erst 1893 im Druck erschien. Er widmete sie dem Andenken des Ruhnower Pfarrers und Imkers August Bentz, seinem ersten Lehrer, der dem Knaben aus seiner praktischen Arbeit heraus diese kulturhistorischen Fragen nahegebracht hatte. All den zweiten Mentor seiner Kindheit, den Philologen und Hauslehrer Dr. Isler, erinnert das Begleitbuch" von 1888, eine kleine Sammlung von Epigrammen nach dem Vorbild von Goethes Xenien, in denen die "halb stoisch, halb humoristisch-skeptisch sich gebenden Überzeugungen und Stimmungen des damals noch hochbejahrt lebenden Lehrers und Freundes widerhallen"[4].
Ein Band "Gedichte" erschien nach seinem Tode, herausgegeben von dem mit ihm befreundeten Philologen Georg Thouret (1897). Sie zeigen in einfacher, eingängiger Sprache, dabei Klischees allerdings nicht immer vermeidend, die elegischen Gefühle des Verfassers, die auch in den Überschriften, wie z.B. "Vereinsamt", "Zu spät", "Die Klage der Rose", Sehnsucht", "Vorbei", "Des Verbannten Lied" usw., zum Ausdruck kommen.
Herman Grimm besprach das Bändchen in der Deutschen Literaturzeitung[5] und wies auf seine biographische Grundlage hin, auf die mit der Krankheit gegebene Leideserfahrung des Autors und seine Erhebung über dieses Schicksal mit Hilfe des Verses. Zugleich künden die Gedichte von Robert-tornows großer Liebe zur Heimat und seiner Anhänglichkeit an das in glücklicher Kindheit erlebte Elternhaus.
1883 veröffentlichte er eine literarische Untersuchung, "Goethe in Heines Werken«, die seine Vertrautheit mit den beiden Dichtern zeigt. 1887 gab er nach dem Tode des Autors die 9. Auflage von Adolf Stahrs Monographie über Lessings Leben und Werke heraus, und 1889 besorgte er die zweite Auflage von H.F. Otto Abels "Deutschen Personennamen".
Daneben war er bereits mit den "Geflügelten Worten" beschäftigt, wozu er durch seine große Belesenheit und seine eingehende Kenntnis der deutschen und fremden Literaturen besonders prädestiniert war. Seit 1877 stand er mit Georg Büchmann in Briefwechsel, aus dem sich eine regelrechte Zusammenarbeit sowie eine persönliche Freundschaft der beiden Männer entwickelte, die schließlich zur Übernahme und Weiterführung der Zitatensammlung durch den jüngeren Gelehrten führte.
Walter Robert-tornow gab von 1884-1895 nicht nur fünf Auflagen des "Büchmann" heraus[6] und ließ die Zahl der Exemplare damit auf die Hunderttausend anwachsen, sondern er vermehrte auch die Zahl der "Geflügelten Worte" beträchtlich (obwohl er ebenfalls Streichungen vornahm), ergänzte die Quellenangaben, fügte als neue Kapitel die "Zitate aus russischen Schriftstellern" und die "Zitate aus Sagen und Volksmärchen" ein, erweiterte das Register und gab dem Begriff des "landläufigen Zitates" oder "geflügelten Wortes" über Büchmann hinausgehend eine neue Definition.
Der "Büchmann" wurde durch Robert-tornows Tätigkeit nach dem Tode des Autors gleichsam zu einer Institution, die bis zum heutigen Tage, wenn auch in abgewandelter Form, lebendig blieb, wie die 1972 erschienene 32. Auflage, neu bearbeitet von Gunther Haupt und Winfried Hofmann, beweist.
Als sein Hauptwerk sah Walter Robert-tornow jedoch die Übersetzung der Gedichte Michelangelos an, an der er die sechs letzten Jahre seines Lebens arbeitete und die ebenfalls wie seine eigenen Gedichte postum von Georg Thouret herausgegeben wurde (1896). Die Zeit und die Person des großen Italieners zogen ihn besonders an, und seinem Sprachtalent kam die gekünstelte Form dieser Dichtungen entgegen, die er möglichst getreu, zugleich aber glatt und flüssig, im Deutschen wiederzugeben strebte. Dabei betrachtete er Michelangelos Gedichte in erster Linie als lebensgeschichtliche Zeugnisse, was ihn dazu bewog, sie erstmalig biographisch-chronologisch anzuordnen. "Um zu biographischer Klarheit über den Dichter zu gelangen, wählte ich eine biographische Kapiteleintheilung und innerhalb dieser eine möglichst chronologische Anordnung, indem ich dabei von sichern Datierungen ausging und mich von psychologischen Erwägungen leiten ließ. Meinem Versuche wird von mancher Seite der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit und Subjektivität nicht erspart bleiben, während Andere doch wohl finden werden, dass er das Verständnis des Dichters fördere."
In der Tat hat diese Gruppierung der Gedichte Kritik hervorgerufen. Auch Herman Grimm distanzierte sich von ihr sowie auch von den Übersetzungen selber. Andererseits bekannte Max Cornicelius in seiner Rezension in Herrigs Archiv[7] trotz mancher Einwände, dass sie nicht ohne Nutzen für den Leser sei.
Es ist hier nicht der Raum, dieses Werk, das in der Reihe der deutschen Michelangelo-Übersetzungen seinen Platz behauptet hat, eingehender zu würdigen. Wir können jedoch darauf hinweisen, dass die Staatsbibliothek ein Manuskript dieser Gedichtausgabe von der Hand Robert-tornows aus Berliner Privatbesitz erwerben konnte[8], und zwar eine Handschrift, die von ganz besonderem Wert für die Beurteilung dieser wichtigsten Leistung des Übersetzers ist, ja diese Leistung überhaupt erst richtig erkennbar macht.
Der aus insgesamt 285 Blättern, zum Teil verschiedener Papiersorten und verschiedenen Formats bestehende, nachträglich eingebundene Band enthält in der zierlichen, dekorativen Handschrift Robert-tornows 307 vom Autor mit Blaustift numerierte Gedichte[9], in der Regel in der italienischen und der deutschen Fassung, dazu die Erläuterungen, die Titelblätter für die gesamte Ausgabe und ihre sieben Abschnitte und das die einzelnen Abschnitte und Unterabschnitte unter Verweisung auf die Gedichtnummern aufzählende Inhaltsverzeichnis.
Die Texte weisen zahlreiche Verbesserungen und Streichungen auf sowie ergänzende oder erklärende Randbemerkungen und Hinweise auf Umstellungen der Gedichte, zum Teil noch in Bleistiftschrift. Hin und wieder sind ausgeschnittene Textstücke auf einzelne Seiten geklebt. Gelegentliche Datierungen unter verschiedenen Gedichten (z.B. Nr. 65, 8. November 1889; Nr. 165, 31. August 1890; Nr. 285, 26. Juli 1891; Nr. 21, 4. März 1892) zeigen an, dass wir es hier mit dem jahrelang in Arbeit befindlichen Manuskript Robert-tornows zu tun haben.
Thouret, der, wie er in der Einleitung schreibt, von Robert-tornow in dessen Testament mit der Herausgabe "des druckfertigen Manuskripts" betraut wurde[10], übernahm 303 Gedichte in die Edition: "drei nicht druckreife Gedichte und alle nichtssagenden Fragmente" ließ er fort[11]. Aber auch darüber hinaus weicht der Druck erheblich von der Handschrift ab, vor allem im Hinblick auf die Anordnung der Gedichte. Ferner kehren die Überschriften und die Anmerkungen vielfach in veränderter, und das heißt meist verkürzter Form wieder, und gelegentlich sind sogar kleine Eingriffe in den Text der Übersetzungen selber zu registrieren.
Dieser Befund bestätigt somit die Ausführungen von Carl Frey in der Vorrede zu seiner kritischen Ausgabe der Dichtungen des Michelagniolo Buonarroti von 1897[12] , wo er mitteilt, dass er Robert-tornow laufend bei der Übersetzungsarbeit beriet und dass dieser sein Werk keineswegs als abgeschlossen betrachtete.
Wir müssen also bezweifeln, ob es neben unserer Handschrift wirklich noch ein auf Robert-tornow selber zurückgehendes, druckfertiges, d.h. der Ausgabe von Thouret entsprechendes Manuskript gegeben hat. Es verstärkt sich vielmehr die Annahme, dass Thouret einerseits die vorliegende, wenn auch vollständige Handschrift zwar als druckreif ausgab, jedoch anlässlich ihrer Edition im Hinblick auf eine Angleichung der Texte an die der Michelangelo-Ausgabe von Cesare Guasti (1863) selbstständig die besagten Änderungen und Kürzungen vornahm, was Frey mit herber Kritik bedachte. Ein alphabetisches Verzeichnis der italienischen Texte nach Guasti setzte Thouret an den Schluss der Ausgabe, und aus Aufzeichnungen im Nachlass seines Freundes stellte er die erklärende Vorrede des Autors zusammen. Das Buch wurde in "würdiger und geschmackvoller Ausstattung" als "nobile officium« gegen den verstorbenen Verfasser[13] Vom Büchmann-Verleger Friedrich Weidling in der Haude & Spenerschen Buchhandlung auf den Markt gebracht. Wie wenig es wohl den Intentionen Robert-tornows entspricht, ist erst jetzt offenbar geworden.
Während heute sogar die gedruckten Werke von Walter Robert-tornow schwer beschaffbar sind und zum großen Teil gar nicht mehr in Berlin nachgewiesen werden können, zählen Autographen von ihm zu noch größeren Seltenheiten.
Sein "Vermächtnis" gelangte nach seinem Tode zwar in die damalige Königliche Bibliothek, wurde hier jedoch in die "Sammlung Varnhagen" eingereiht, die den Nachlass und die Sammlungen Karl August Varnhagens von Ense sowie Materialien seiner Angehörigen, insbesondere seiner Frau Rahel und seiner Nichte Ludmilla Assing-Grimelli, umfasste[14].
Diese Sammlung muss jedoch als Kriegsverlust beklagt werden. Sie kehrte aus ihrem Verlagerungsort im östlichen Deutschland nicht nach Berlin zurück. In Walter Robert-tornows Vermächtnis befanden sich nach dem Katalog von Stern[15] offenbar auch keine von ihm herrührenden Manuskripte oder Aufzeichnungen, sondern Papiere seiner Familie, "die mit einigen Bemerkungen von seiner Hand versehen" waren, vor allem familiäre Korrespondenz und als wichtigster Bestandteil der dichterische Nachlass von Ludwig Robert.
An einer anderen Stelle sind in der Staatsbibliothek jedoch noch einige Autographen von Robert-tornow überliefert. In der auf den Chemiker und Industriellen Professor Dr. Ludwig Darmstaedter zurückgehenden Dokumentensammlung Darmstaedter liegen einige Briefe vor[16], die Robert-tornow einmal 1878 aus Ruhnow an einen Freund, sodann in den Jahren 1885-1894 an den Physiologen Emil Dubois-Reymond richtete. Die letztgenannten Schreiben, die aus dem 1924 für die Sammlung Darmstaedter erworbenen Nachlass Dubois-Reymonds stammen, beziehen sich mehrfach auf den "Büchmann"[17], und zwar insbesondere auf den 1872 in der Rede "über die Grenzen des Naturerkennens" von Dubois geprägten Ausspruch "lgnorabimus". Am 3. November 1885 lehnte Robert-tornow die Aufnahme dieses Wortes als nicht landläufig in den "Büchmann" ab. Erst drei Jahre später, in seinem Brief vom 30. Mai 1888, versprach er die Einreihung des inzwischen häufiger zitierten "lgnorabimus" in die 16. Auflage der "Geflügelten Worte". In diesen ist es noch heute mit der Geschichte seiner Herkunft zu finden, zugleich mit einem Exkurs über den "altschottischen Wahrspruch" "lgnoramus", auf den Dubois-Reymond sich 1858 sowie in der bezeichneten Rede von 1872 bezog und der das Thema von Robert-tornows Brief vom 14. Juni 1888 bildete.
Auf eine eigenhändige Widmung Walter Robert-tornows stießen wir ferner in einem Sonderdruck seines Aufsatzes über Ferdinand Robert-tornow, der sich heute in der Bibliothek des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem befindet18. Sie galt "Ihrer Excellenz Frau Hedwig von Olfers, geb. von Staegemann", der Witwe des 1872 verstorbenen Generaldirektors der Königlichen Museen zu Berlin, Ignaz von Olfers, der das Separatum "in verehrender Freundschaft" am 18. Dezember 1890 vom Verfasser dargereicht wurde.
Einige Briefe Robert-tornows sind ferner in den Nachlässen von Julius Rodenberg und Ernst von Wildenbruch im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar nachweisbar, während sein mit dem Verleger Wilhelm Hertz abgeschlossener Verlagsvertrag für sein "Begleitbuch" im Schiller-Nationalmuseum Marbach aufbewahrt wird.
Walter Robert-tornows Werk ist nur schmal. Die Stärke des Frühverstorbenen lag auch weniger im Hervorbringen eigener Poesie als in der Vermittlung fremder Literatur, wofür die Arbeit am "Büchmann" und die Übersetzung der Michelangelo-Gedichte Zeugnis ablegen. Besonders bewährten sich sein literarischer Sinn und sein kritisches Talent bei der Beurteilung neu erschienener Literaturwerke, mit der sich eine intensive Förderung und Unterstützung jüngerer Dichter und Gelehrter verband.
Sein Haus oder besser seine verschachtelten, eigenwillig eingerichteten Räume im Berliner Schloss waren zudem der Schauplatz einer umfassenden Geselligkeit, die der kranke Mann mit dem besonderen Sinn für feinen Lebensgenuss ausgiebig pflegte. Menschen aller Schichten waren ihm zugetan und suchten seinen Rat. Hermann Grimm verglich ihn mit dem "Mittler" in Goethes Wahlverwandtschaften" und rührnte ihn als typischen Berliner, in dessen Wesen sich Geschmack, Urteilskraft und Schlagfertigkeit mit Verbindlichkeit und Herzensgüte paarten19. Bereits 1895 sah Grimm 111 Robert-tornow den späten Vertreter einer nach 1850 ausgestorbenen Generation[20]. Wieviel größer ist dagegen der Abstand zwischen uns Heutigen und dem vor über 75 Jahren verstorbenen Walter Robert-tornow geworden!
Anmerkungen:
1 Mitteilungen des Vereins f. d. Gesch. Berlins, Jg. 68 (1972), Nr. 5, S. 106-109.
2 W. Robert-tornow: Ferdinand Robert-tornow, der Sammler und die Seinigen, ein Beitrag zur Geschichte Berlins. In: Deutsche Rundschau Bd. 65 (1890), S. 428, Anm. 1.
3 Bd. 85 (1895), S. 443-447.
3a Vgl. B. Krieger, Hohenzollern-Bibliotheken. Bielefeld u. Leipzig 1902, S. 13.
4 Frei zitiert nach Fränkel in der ADB Bd. 53, S. 412. Neben den angeführten Aufsätzen stellt dieser biographische Abriss (S. 412-414) die Hauptquelle für W. Robert-tornows Leben dar. Ein von Georg Thouret verfasster Nachruf ist ferner der 19. und den folgenden Auflagen des "Büchmann" vorausgeschickt.
5 Jg. 18 (1897), Sp. 1625-1631.
6 14. Aufl. 1884, 15. Aufl. 1887, 16. Aufl. 1889, 17. Aufl. 1892, 18. Aufl. 1895.
7 Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen, Jg. 52, Bd. 101/N. F. 1 (1898), S. 240-244.
8 Es wurde als Hdschr. 77 eingestellt.
9 Gezählt sind allerdings nur 304 Gedichte, zu denen ein von Michelangelo beantwortetes Gedicht von Francesco Berni sowie zwei an Michelangelo gerichtete Gedichte mit den Nummern 64 a, 118 a u. 124 a hinzukommen.
10 Vgl. seine Vorrede S. XVII.
11 Vorrede S. XIX.
12 Abgedruckt in der 2. Aufl. 1964 als Anm. auf S. XVII.
13 Vorrede S. XVII,
14 Vgl. L. Stern, Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin, 1911, Vorwort, insbes. S. IV.
15 Ebd. S. 668 f.
16 Signatur: 2 m 1884 (10).
17 In einem dieser Schreiben vom 26. September 1889 äußert sich Robert-tornow übrigens über die oben dargestellte Führung seines Familiennamens bei Ludwig Robert und Rahel.
18 Signatur: 5 R 115.
19 Deutsche Rundschau Bd. 85 (1895), S. 446.
20 Deutsche Literaturzeitung, Jg. 18 (1897), Sp. 1629.
Aus: "Mitteilungen" 1/1973
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