Friedrich Nicolai

Geburtsdaten: 18.03.1733 Berlin - 08.01.1811 Berlin
Grabstätte: ehem. Luisenstädtischer Friedhof, Alte Jakobstraße

Geburtsname: Christoph Friedrich Nicolai
Tätigkeit: Schriftsteller, Historiker, Buchhändler, Herausgeber und Verleger
Lebens- und Wirkungsorte: Berlin

Gedenkorte in Berlin: Nicolaihaus in der Brüderstraße (Stadtmuseum Berlin), Gedenkstele (mit Wilhelm Friedemann Bach und Karl Gottlieb Svarez) im Luisenstädtischen Kirchpark (an Stelle des früheren Friedhofes) Alte Jakobstraße Ecke Sebastianstraße
Gedenkorte außerhalb Berlins: Gleimhaus Halberstadt (www.gleimhaus.de)

Lebenslauf:
1752 Eintritt in die väterliche Buchhandlung
1755 Bekanntschaft mit Lessing und Mendelssohn
1757 Gründung der Zeitschrift "Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste"
1758 Leitung der Buchhandlung und des Verlages
ab 1759 "Briefe, die neueste Literatur betreffend", herausgegeben mit Lessing und Mendelssohn
ab 1765 Herausgabe der "Allgemeinen Deutschen Bibliothek"
1784 Mitglied der Akademie der Wissenschaften München
1799 Mitglied der Akademie der Wissenschaften Berlin

Friedrich Nicolai wurde im Haus Poststraße 4 im Nikolaiviertel geboren, wuchs dort auf und bewohnte dieses Haus, bis er 1787 in die Brüderstraße umzog. Er besuchte das Joachimsthalsche Gymnasium, dessen Gebäude sich zu der Zeit in der Burgstraße befand. Die Burgstraße reichte damals bis an die Königstraße (Rathausstraße). Die Nicolaische Buchhandlung lag hinter den Arkaden an der Stechbahn gegenüber dem Schloß. Diese Straße existiert nicht mehr. Sie ist an der Schleusenbrücke vor dem früheren Staatsratsgebäude zu denken.

In der Stralauer Vorstadt, in der Gegend um die Alexanderstraße, also nicht weit von der heutigen Jannowitzbrücke, besaß Nicolai ein Sommerhaus. Dazu schreibt Gustav Parthey (geboren 1798), der Enkel Friedrich Nicolais, in seinen Erinnerungen „Das Haus in der Brüderstraße. Aus dem Leben einer berühmten Berliner Familie“:
„Außer dem Haus in der Brüderstraße besaß der Großvater Nicolai ein schönes Gartenhaus mit allem Zubehör in der Lehmgasse, welche später den mehr ästhetischen Namen der Blumenstraße erhielt. Beide Namen haben ihre Berechtigung; denn die Lehmgasse, nur zum Teil gepflastert, endigte in einer Sackgasse mit einer Lehmgrube, Blumenstraße hieß sie später mit Recht von den vielen Gärtnereien, die zu beiden Seiten hinter sehr primitiven Gartenzäunen in kleinen, bescheidenen Häusern angelegt waren. Die wegen ihrer Blumenzucht berühmte Familie Bouché war in jener Gegend durch vier oder fünf tätige Mitglieder vertreten.

Das Nicolaische zweistöckige Haus ragte so stattlich hervor, daß es in unserem Freundeskreise erst das Lehmschloß, dann das Blumenschloß hieß. Aus den oberen Giebelfenstern übersah man alle benachbarten Gärten bis in die größte Ferne. Gegen Westen zeigten sich einige Türme der Stadt, gegen Osten reichte der Blick bis zu dem Frankfurter Tor“; (55) Die Blumenstraße nimmt heute einen ganz anderen Verlauf.

Als Mitglied der Petrikirchengemeinde wurde Friedrich Nicolai 1811 auf dem Luisenstädtischen Friedhof an der Alten Jakobstraße, südlich vom Spittelmarkt, begraben. Friedhof und Grab existieren nicht mehr. Der Friedhof wurde 1851 in einen Park verwandelt und wie die Kirche im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Die Kirchenruine wurde 1961 abgetragen, der Park 1965 neugestaltet. 1970 wurde ein Schulhof integriert. 2002 konnte der Freundeskreis Wilhelm Friedemann Bach eine Gedenkstele für Bach, Karl Gottlieb Svarez und Nicolai einweihen.

Friedrich Nicolai als Historiker der Berliner Geschichte
Friedrich Nicolai - Schriftsteller, Herausgeber und Verleger, Patriot und pragmatischer Aufklärer - gab 1786 die von ihm verfasste „BESCHREIBUNG DER KÖNIGLICHEN RESIDENZSTÄDTE BERLIN UND POTSDAM, ALLER DASELBST BEFINDLICHER MERKWÜRDIGKEITEN, UND DER UMLIEGENDEN GEGEND“ in dritter Auflage heraus.
Nicolais „Beschreibung der Königlichen Residenzstädte“ ist d a s grundlegende Werk unter den Werken zur Berliner Geschichte. Nicolai verfasste ganz einfach die beste Topographie Berlins und die erste, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, auch heute noch.

Horst Möller urteilt über die „Beschreibung“ Nicolais:
„Seine große historische Einleitung, die von den Anfängen der Besiedlung Berlins bis zu seiner Gegenwart reicht, stellt besonders die Bevölkerungsentwicklung und den damit verknüpften wirtschaftlichen Aufschwung Preußens dar.
Nicolais positive Urteile über die merkantilistische >Peuplierungspolitik< stützen sich auf gründliche statistische Erhebungen, deren Hauptquelle kirchliche Eheschließungs-, Geburts- und Sterbelisten waren.
Seine Aufgliederungen berücksichtigen verschiedene Aspekte wie Geschlecht, Konfession, Nationalität, ständische Zugehörigkeit und anderes mehr.

Die Auswertung erfolgt nach der Methode, die der Berliner Konsistorialrat Süßmilch in seinem Buch „Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts entwickelt hatte.“ Johann Peter Süßmilch (1707-1767) begründete mit diesem Werk die systematische Demographie.
„Nicolai ergänzte diese Methode, indem er die statistischen Daten vor dem jeweiligen historischen Hintergrund analysiert. Zum Beispiel setzt er Kriege, Epidemien, Hungersnöte, Mißernten und Teuerungen zur Bevölkerungszahl in Beziehung.

Hat Nicolai auch keine Pionierarbeit in der Bevölkerungsstatistik geleistet, so hat er doch – in konsequenter Anwendung der zu seiner Zeit bekannten Methoden und unter Auswertung des irgend erreichbaren Materials – bevölkerungswissenschaftliche Erkenntnisse für die Geschichtsschreibung genutzt und ihr damit eine für wirtschafts- und sozialgeschichtliche Forschungen unentbehrliche Grundlage erschlossen.“ (S. 140)

Und Möller geht noch weiter, wenn er formuliert:
„Nicolais Beschreibung Berlins, (...) gehört aufgrund der gründlichen und produktiven Quellenkenntnis ihres Verfassers, der methodisch korrekten Auswertung des Materials sowie der umfassenden Fragestellung, mit der er das gesamte Leben einer Zeit erfassen wollte, als Musterbeispiel seiner topographischen und historischen Arbeit in die Reihe derjenigen Lokal- und Territorialgeschichten des achtzehnten Jahrhunderts, die zu den Meilensteinen der d e u t s c h e n Geschichtsschreibung zählen.“ (S. 142)

Die „Beschreibung der Königlichen Residenzstädte“ bildet bis in die Gegenwart die wichtigste Grundlage für die Geschichte und Kunstgeschichte Berlins im 18. Jahrhundert. Auf ihr fußen Standardwerke wie der Dehio und Reclams Kunstführer Berlin, das Handbuch der historischen Stätten Berlin / Brandenburg und andere mehr.
Und es geht hier auch um einen Verlust, vor dem uns die Topographie Friedrich Nicolais bewahrt: den Verlust des barocken Stadtbildes Berlins und – weiter gefasst – dem Verlust des Bildes, mit dem sich Berlin im 18. Jahrhundert präsentierte und das auch Bauten des Mittelalters und der Renaissance einbezog.

Friedrich Nicolai, der gehofft hatte, mit dem väterlichen Erbe ein Leben als Schriftsteller und Privatgelehrter führen zu können, wurde durch den frühen Tod seines älteren Bruders 1758 im Alter von 25 Jahren zum Buchhändler. Es ist sein Verdienst, dass Berlin in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einer der führenden Verlagsorte in Europa wurde. Darauf konnte die Zeitungsstadt Berlin bauen.

Drei Jahre zuvor hatte er Gotthold Ephraim Lessing und Moses Mendelssohn kennengelernt und begann mit ihrer lebhaften Unterstützung die Herausgabe der „Briefe, die neueste Literatur betreffend“, die einen neuen Ton in der deutschen literarischen Diskussion anschlugen. Gemeinsam etablierten sie sozusagen Berlin in der Topographie der deutschen Literatur und Literaturkritik.
Als Herausgeber der „Allgemeinen Deutschen Bibliothek“ nahm Nicolai für fast drei Jahrzehnte als Organisator, Propagandist und Popularisator der Aufklärung eine einzigartige Stellung in Deutschland ein.

Ähnlich äußerte sich Madame de Staël, die Berlin zwar als modern, aber nicht wirklich bedeutend beschrieb: „dessen ungeachtet machten die Freiheit der Presse, die Menge geistreicher Männer und die Kenntnis der Literatur und der deutschen Sprache, die sich in der letzten Zeit allgemein verbreitet hat, Berlin zur wahren Hauptstadt des neuen Deutschlands, des Deutschlands der Aufklärung.“
Berlin wurde in der Regierungszeit Friedrichs II. zu einer Hochburg der europäischen Aufklärung. Dass die Stadt d a s Zentrum der deutschen und d e u t s c h s p r a c h i g e n Aufklärung wurde, verdankte es der Freundschaft und engagierten Tätigkeit der drei Freunde Gotthold Ephraim Lessing, Moses Mendelssohn und Friedrich Nicolai.

Werke (Auswahl):
Briefe über den itzigen Zustand der schönen Wissenschaften in Deutschland, 1755
Die Freuden des jungen Werther (Parodie auf Goethes Werther), 1775
Das Leben und die Meinungen des Herrn Magisters Sebaldus Nothankers, 1773-76
Die Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz, im Jahre 1781, 1783-86
Nachricht von den Baumeistern, Bildhauern, Kupferstechern, Malern, Stukkaturen, und anderen Künstlern, 1786
Gesammelte Werke, hg. von Bernhard Fabian und anderen, Berlin 1985 ff.

Literatur:
Horst Möller: Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai, 1974.
Friedrich Nicolai 1733-1811. Essays zum 250. Geburtstag“, hg. von Bernhard Fabian, Berlin: Nicolaische Verlagsbuchhandlung 1983.

Gerhild H. M. 12/2004