Ein Christusfund in Potsdam

Wer die Kirchen Potsdam besichtigt, darf nicht an der katholischen Peter- und Paulskirche auf dem Bassinplatz vorübergehen. Sie ist von hervorragender Schönheit und wurde 1864 bis 1870 auf dem damals noch öden Platze von Salzenberg in romanisch-byzantinischem Stile, teilweise nach Motiven der Agia Sophia in Konstantinopel erbaut. Von erhabener Wirkung auf den Eintretenden ist der erhöhte Chor mit dem noch höher stehenden Hochaltar im Hintergrund und die prächtige Ausmalung des Chores, Freskenmalerei auf Goldgrund.

Die Kirche besitzt einige historisch bemerkenswerte Schmuckstücke, so eine silberne Ewige Lampe, die Friedrich Wilhelm I. der jungen katholischen Gemeinde schenkte, und vier Ölbilder des berühmten Rokokomalers Antoine Pesne, ebenfalls Geschenke des Soldatenkönigs: der hl. Dominikus, vor der Gottesmutter kniend, der Schutzengel, Christus an der Martersäule, Christus auf dem Ölberge. Die Fenster der Kirche stellen die Stationen des Kreuzweges Christi dar; drei besonders prächtige Fenster sind Geschenke des Prinzen Friedrich Leopold von Hohenzollern.

Aber noch eine besondere Überraschung bietet sich jetzt hier dem Besucher. In der sogenannten Militärsakristei hat man vor kurzem eine Christusfigur entdeckt, die augenblicklich in der Sakristei der Kirche ausgestellt ist. Es ist eine Holzschnitzarbeit in Lebensgröße von bedeutendem künstlerischen Wert und stammt offenbar aus der Zeit der Gotik (14. bis 15. Jahrhundert). Das schmerzlich bewegte, ausdrucksvolle Gesicht des Heilandes ist mit einer grünen Dornenkrone geschmückt und neigt sich sanft zur Seite. Der Körper ist von zarter Schlankheit und nach der realistischen Auffassung der Zeit mit zahlreichen Blustriemen bedeckt. Auch die Rippen läßt der Künstler deutlich hervortreten, wie man es auch sonst an Kunstwerken jener Zeit bemerkt.

An gleicher Stelle hat man auch eine weibliche Figur gefunden, einen Torso aus einer Kreuzigungsgruppe. Es ist unzweifelhaft Maria Magdalena, da die Kniende in Hoftracht erscheint. Mit dem vorhin erwähnten Kruzifixus hat sie wohl nichts zu tun. Die prächtig ausgeführte, leider etwas wurmstichige Gestalt ist mit "Benkert" und der Jahreszahl "1736" gezeichnet.
Die beiden Kunstwerke bleiben der Kirche erhalten.

Dr. Franz Lederer

Aus: "Mitteilungen" 38, 1921, S. 26. Redaktion: Gerhild H. M. Komander 12/2003