„Die Beschneidung der Juden, lege artis in Berlin ausgeführt" lautet eine Mitteilung des Herrn Dr. Julius Beer in Nr. 20 der Allgemeinen med. Zentralzeitung. Es heißt daselbst:

Die Zeremonialbeschneidung der Juden ist bereits in Frankreich im vorigen Jahre durch einen Regierungserlass Napoleon´s III. aus den Händen der nicht wissenschaftlich-medizinischen frommen Körperschaften jüdischen oder nichtjüdischen Officiers de santé übertragen, wobei jedoch das Rituale demungeachtet nach alter Vorschrift unangetastet bleibt. Mag man über die Beschneidung denken, wie man will, das steht fest, dass es hohe Zeit auch für Preußen, namentlich für Berlin ist, dass diese nicht stets so sehr ungefährliche Operation den Händen der Laien abgenommen und aus Usance oder aus Überzeugung einer größeren Sicherheit des Erfolges approbirten Medizinalpersonen übertragen werde. Die Unglücksfälle, welche doch ab und zu bei Beschneidungen vorgekommen sind, können nicht todt geschwiegen werden, obwohl grade die hochachtbaren und uneigennützigen Männer, welche sich vorzugsweise mit dem zeremoniellen Schnitt beschäftigen, hierdurch nicht im Geringsten tangirt werden sollen. Mag man über das Zeremoniell denken, wie man will, das steht fest, dass, wenn ein Mal ein preußischer Vater sein Liebstes, sein Kind, diesem blutigen Akt unterwerfen will, soll oder muss demselben auch im Staate der Intelligenz die größtmögliche Garantie gegeben werden, dass die Operation eine glückliche und dabei doch rituelle sei. Wenn auch die Zahl der jüdischen Ärzte täglich zunimmt, so würden sich doch augenblicklich sehr wenige zu rituellen Operateuren qualifiziren, wenngleich die Operation selbst an Kranken jeder Konfession alia ex causa von ihnen täglich und mit bestem Erfolge gemacht wird. Es steht aber fest, dass bei christlichen Renegaten hier in Berlin die mosaische Operation meist durch die sehr geschickte Hand eines humanen Operateurs gemacht wird, ohne dass derselbe rituelle Exegese dabei ausführt, sondern dies ganz richtig den assistirenden betreffenden Geistlichen überlässt. Hier liegt eine ungleichförmige Behandlung derselben Sache vor. Weshalb diese Rücksicht gegen Erwachsene? - weshalb jene Unterlassung der Beschaffung der höchstmöglichen Garantie bei so vielen tausend achttägigen Knäblein? Man würde doch Zeter schreien und schreiben gegen den profanen Arzt, der ohne Ritus hier in Berlin zirkumzidiren wollte, selbst bei den aufgeklärtesten, so zu sagen christlichen Juden! Dieser Unsicherheit junger Preußen vor dem Gesetz soll schon früher ein Edikt, betreffend die Erfordernis der Gegenwart einer approbirten Medizinalperson bei der Beschneidung, teilweise abgeholfen haben, und namentlich in Breslau sogar ein Wundarzt lange Zeit ad hoc approbirt gewesen sein. Hier in Berlin haben endlich die praktischen Ärzte Herr Dr. Burchard (Oranienstraße 163) und Herr Samst (Oranienburger Straße 86a) diesen gordischen Knoten dadurch zerhauen, dass dieselben rituelle Beschneidungen selbständig ausführen und auf diese Weise einem längst von allen Einsichtigen gefühlten Bedürfnis auf das Uneigennützigste Rechnung tragen."

Diese Abhandlung unseres Vereinsgründers Dr. Julius Beer wurde unter „Vermischtes" im Wochenblatt Berliner Beobachter – Stadt-Gemeinde und Bezirksblatt vom 26. März 1865 veröffentlicht. (Martin Mende, August 2012)